Sibylle Krause-Burger: Beschneidung steht für Vereinnahmung und Unterwerfung
Gastkommentar
Die Beschneidung steht für Vereinnahmung und Unterwerfung
von Sibylle Krause-Burger
Gegen die Unterdrückung, Erniedrigung und Ausbeutung von Frauen gehen wir entschlossen vor. Das Beschneidungsritual dagegen soll unantastbar bleiben. Es wird mit zweierlei Maß gemessen, obwohl es um das Gleiche geht.
Gustav Wolle, mein Großvater, ein Berliner und Jude, aß gern Schinken vom Schwein und ging nicht in die Synagoge. Die Gesetze der Thora betrachtete er mit mildem Spott. Aber natürlich war er beschnitten. Ebenso wie seine beiden assimilierten Söhne, die mit der Religion ihrer Vorväter ebenfalls nichts mehr am Hut hatten. Dem uralten Ritual hatte sich die Familie dennoch unterzogen. So viel Judentum, immerhin, musste damals, vor dem Dritten Reich, noch sein.
Wenn in unserem später protestantisch geprägten Haus davon die Rede war, erklärte die Mutter, die alten Juden hätten das Verfahren aus hygienischen Gründen erfunden. Von dem Bund mit Gott, den das Opfer des Zipfelchens besiegeln soll, sprach niemand.
Ich glaube, sie wussten nichts davon.
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[Tagesspiegel vom 27.07.2012]
Bürgerreporter:in:Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen |
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