Joachim Wille: Atomdebatte: Die Restrisiko-Lüge (FR)

Auf dem Weg nach Tschernobyl

Joachim Wille: Atomdebatte: Die Restrisiko-Lüge (FR)

gepostet von Dietrich_Stahlbaum Pro @ 2011-04-22 – 10:56:10

Atomdebatte
Die Restrisiko-Lüge

Von Joachim Wille

Ganz plötzlich. Acht AKW stehen still. Eine Ethik-Kommission prüft den Risiko-Überbau. Reaktorexperten, Ingenieure und IT-Spezialisten checken die bisher „weltweit sichersten“ deutschen AKW durch. Denn: Unseren Politikern ist es wie Schuppen von den Augen gefallen.

(...) Wusste keiner, wie riskant die Atomkraft ist?
GAU, Super-GAU und Restrisiko: Über die Gefahren der „friedlichen Nutzung der Atomkraft“ wird in Deutschland seit vier Jahrzehnten diskutiert und gestritten(...)

Warnung vor der Atomkatastrophe

In Deutschland wie im nuklearen Vorreiterland USA galt deswegen die Regel, AKW nur in relativ dünn besiedelten Regionen zu bauen. Der BASF-Plan hebelte das aus. Die Fachwelt diskutierte kontrovers, die Sache wurde zum Politikum. Für einen regelrechten Schock sorgten seinerzeit die Warnungen des Kernphysikers Professor Karl-Heinz Lindackers vom TÜV Rheinland zu den Folgen einer Atomkatastrophe: Bis zu 100.000 Menschen auf der Stelle tot, weitere Opfer durch die freigesetzte Radioaktivität noch 20 Jahre später, in Summe bis zu 1,6 Millionen.

(...) Atomkraft als Frage von Leben und Tod? Dem Wissenschaftsminister im sozialliberalen Kabinett Brandt, Hans Leussink (parteilos), war die Entscheidung zu heikel. Er verschob die Genehmigung des BASF-Antrags 1970 um zwei Jahre. Kurz darauf lehnte er den beantragten Standort nahe Aachen für einen mit Plutonium-Brennstoff arbeitenden „Schnellen Brüter“-Reaktor ab – „wegen zu hoher Bevölkerungsdichte in der Nahzone“. Die BASF zog ihren Plan später zurück, und der dann in Kalkar begonnene Brüter-Bau wurde politisch gestoppt (...)

Leussink war es dann auch, der (...) den Begriff „Restrisiko“ prägte.

(...) Ein Einschnitt kam 1994. Die Kohl-Koalition verabschiedete ein neues Atomgesetz, das, konsequent weitergedacht, alle damals bestehenden AKW als sicherheitstechnisch völlig überholt aussehen ließ.

(...) Die 19 damals betriebenen AKW wären danach nicht mehr genehmigungsfähig gewesen. Am Netz blieben sie trotzdem, sie hatten Bestandsschutz. Ihre Nachrüstung auf „Restrisiko Null“ forderte das Gesetz nicht. Sie wäre ohnehin technisch unmöglich gewesen oder so teuer, dass der Betrieb nicht mehr rentabel gewesen wäre. Das wollte die Kohl-Regierung den Stromkonzernen bei allem geschärften Risikobewusstsein nun doch nicht zumuten.

(...) Röttgen forderte umfangreiche sicherheitstechnische Nachrüstungen der Alt-Meiler, die die Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall nach Schätzungen bis zu 50 Milliarden gekostet hätten....
Volltext: http://www.fr-online.de/panorama/die-restrisiko-lu...

[Frankfurter Rundschau vom 21./22.04.11]

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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