Frauenchor on tour - Stimmbildung auf Burg Hessenstein
Präsenz im Chor und was hat Voro Ivanitzki damit zu tun?
Sonnenschein und bunte Wälder entlang der Eder streiten um die Gunst der Reisenden. In der Ferne erblickt man hoch oben im Wald eine Burg. Noch nie war sie in den vergangenen Jahren so deutlich zu sehen. Burg Hessenstein... ein steinernes Kleinod zwischen Frankenberg und Korbach ist das Ziel des Kirchen- und Frauenchores aus Rauschenberg. Ist es wirklich wahr dass der Chor bereits zum 9mal dort ein Stimmbildungswochenende absolviert? Der Chor kennt die Burg und deren Vorzüge. Die Sängerinnen dürfen den größten Raum in Anspruch nehmen. Nach und nach treffen alle dort ein. Die Zimmer werden bezogen und man fühlt sich zurückversetzt in die Schulzeit. "Jugendherbergsfeeling" konmt auf... und das nicht nur bei denen die zum ersten Mal auf der Burg sind. Nach dem Abendessen geht es zur ersten Probe. Philipp, der Chorleiter hat ein immenses Probenprogramm aufgestellt. 21 Chorstücke stehen auf der Liste und werden nach und nach über das ganze Wochenende hin geprobt. Es kommt sogar vor, dass Philipp an manchen Stücken nichts auszusetzen findet. Man sieht im förmlich an, dass er nicht glauben kann, dass sie tatsächlich fehlerfrei von den Sängerinnen gesungen wurden. Hingegen müssen bei anderen Stücken, wie üblich, echte oder imaginäre Hilfsmittel zur Hilfe genommen werden. In diesem Jahr kommen besonders Röllchen zum Einsatz. Sie ermöglichen den Sängerinnen die richtige Mundstellung und erzeugen damit einen "runden" Klang. Wie jedes Jahr zaubert Philipp noch mindestens zwei neue Lieder aus dem Ärmel. "Voro Ivanitzki" wird zum Freund einer jeden Sängerin. Eine russisch anmutende Phantasiesprache setzt sich in den Köpfen der Sängerinnen fest. Und sie singen es mit Inbrunst, der Sopran hingegen säuselt und bezirzt mit schmeichelnden Worten. Auch am "neuen Englisch", nämlich dem Schwedisch, kommen die Sängerinnen nicht vorbei. Lieder in nordischen Sprachen sind im Moment "in" und so lernt der Chor auf die Schnelle ein schwedisches Weihnachtslied. Der Samstagvormittag gehört wie immer der externen Chorleiterin Ramona Nitsch. Sie kommt bereits zum vierten Mal zu den Sängerinnen. Obwohl sie behauptet das Rad nicht neu erfinden zu können, hat sie immer neue Ideen im Gepäck um die Sängerinnen, die sowieso schon viel Motivation mitbringen, noch mehr anzuspornen und für Neues zu begeistern.
In den Jahren zuvor gab es meistens Einzelproben, in diesem Jahr wird im Plenum aber etwas wirklich Neues erarbeitet. Es geht um die Präsenz im Chor... was ist wichtig um ein Stück darzustellen und wie stelle ich überhaupt etwas dar. Den Anfang der Chorprobe machen wie immer Bewegungs- und Stimmübungen anhand ausgewählter "Bilder": Wiege dich wie ein Baum im Wind, sei eine knorrige Eiche oder zarte Äste, sammele Sterne, kontrolliere deinen Atem anhand einer flackernden Kerze oder winsele wie ein Welpe. Der nächste Schritt waren Wohlfühltöne - Töne in einer angenehmen Tonhöhe - die man entweder überrascht, geheimnisvoll oder schmeichelnd darstellen konnte. An Gestik und Mimik sollte man das jeweilige Adjektiv erkennen können, was auch allen gelang. So entstanden drei Gruppen , die auch später noch gemeinsam eine Aufgabe lösen mussten. Doch zuvor musste erst einmal klar gestellt werden was wichtig ist um Präsenz im Chor zu zeigen. Es gehört Mut und Wille dazu, aber auch Sendungsbewusstsein, denn schließlich will man das Publikum auch von sich überzeugen. Liebe zur Musik, zu dem was man tut, nämlich im Chor singen und ganz wichtig dass man auch sich liebt und bejaht. Mit dieser Erkenntnis ging es an das erste Stück. Ganz ergriffen versuchten die Sängerinnen all dies umzusetzen und tatsächlich entstand ein Chorklang der so homogen war, dass man meinen könnte es würde nur eine Person singen. Keiner hob sich hervor, alle hörten aufeinander und "spielten" ein Chorstück. Dass dies nach der Pause tatsächlich auch die Aufgabe war, ahnte bis dahin noch niemand. Eine kurze Tonfolge von drei oder vier Tönen sollte in ein Thema umgewandelt werden. So hieß eine Aufgabe
"Vögel begrüßen den Frühling, es herrscht ein munteres Treiben" oder ein anderes beschrieb die Angst. Die Sängerinnen hatten zehn Minuten Zeit das Thema auf irgendeine Art umzusetzen, ob mimisch oder schauspielerisch... alles war erlaubt und tatsächlich spielten sie dem "Publikum" etwas vor. Es war köstlich mit an zusehen, wie Vögel umher flogen oder Angst und Sicherheit dargestellt wurden. Die Töne die dabei gesungen wurden unterstützen die Szenen sehr ausdrucksstark. Eine neue Erfahrung "Bühnenpräsenz" machte sich breit. Ramona Nitsch und Philipp Imhof waren zufrieden mit dem was die Sängerinnen zeigten. Bis in den Abend hinein probte man die Chorstücke und Philipp verwies immer wieder auf das am Vormittag Erlernte. Danach ließ man die "Sektkorken knallen" und den Abend auf unterhaltsame Art und Weise ausklingen.
Die Nacht war kurz, der nächste Morgen kam rasch und die Zeit auf der Burg war wie im Fluge vergangen. Noch einmal wiederholte man die Lieder, bevor man nach dem Mittagessen die Burg in Richtung Rauschenberg verließ. Der Chor ist gerüstet für ein wunderbares Konzert im Dezember.