„Pfaffenhofen muss lebendiger werden“

Thomas Herker setzte sich in der Stichwahl deutlich durch
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Seit 1. Mai 2008 leitet Bürgermeister Thomas Herker die politischen Geschicke der Kreisstadt Pfaffenhofen an der Ilm. myheimat unterhielt sich mit dem SPD-Politiker über die Wurzeln seines politischen Engagements, wohnortnahe Arbeitsplätze in Pfaffenhofen, die Erblasten der Ära Prechter und die Vorzüge eines Günter Grass-Buches als Abendlektüre.

myheimat: Herr Herker, wo liegen die Wurzeln Ihres politischen Engagements?
Herker: Seit dem Jahr 2000 bin ich Mitglied der SPD. Aber die Wurzeln meines politischen Engagements reichen bis in meine Kindertage zurück.
myheimat: Ihr Vater war immerhin CSU-Mitglied und Weggefährte des ehemaligen Bürgermeisters Hans Prechter. Entstand Ihre eigene politische Haltung aus der Motivation heraus, sich vom Vater abzugrenzen?
Herker: Nein, das kann man so nicht sagen. Dazu gibt es eine ganz nette Anekdote. Als es 1982 zum konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt kam und in der Folge Helmut Kohl Bundeskanzler wurde, wusste ich, dass mein Vater diesen Kanzlerwechsel sehr emotional begleitete. Deshalb bin auch in der ganzen Stadt herumgelaufen und habe jedem erzählt „Helmut Kohl ist endlich Bundeskanzler!“ Mein Vater war zwar ein streitbarer Kopf, aber kein engstirniger Parteipolitiker. Irgendwann war er mit der Linie der Pfaffenhofener CSU auch nicht mehr hundertprozentig einverstanden. Dass ich aus einem politischen Elternhaus stamme, trifft also zu.
myheimat: Ihr Programm lautet „Lebendiges Pfaffenhofen“. Was hat Ihnen denn als Jugendlicher vor allem gefehlt?
Herker: Pfaffenhofen muss lebendiger werden. Dies gilt in besonderem Maße auch für das wirtschaftliche Leben. Wir haben vor Ort einen sehr hohen Prozentanteil an Pendlern. Mit der Firma Hipp haben wir zwar ein großes Unternehmen hier in der Region. Die Gefahr einer strukturellen Abhängigkeit ist damit aber in besonderem Maße gegeben. Die Arbeitsplätze hier in Pfaffenhofen sind rar gesät. Unser Zuzug generiert sich größtenteils aus Arbeitnehmern, die in Ballungszentren ihre Anstellung haben und die hier günstiges Bauland finden. Pfaffenhofen ist somit im Wesentlichen eine „Schlafstadt“. Gehen Sie mal abends über den Hauptplatz. Um 18 Uhr werden dort die Bürgersteige hochgeklappt, obwohl wir einen der schönsten Hauptplätze Oberbayerns mit einem unverwechselbaren historischen Ensemble haben. Auch das kulturelle Leben könnte mehr Lebendigkeit vertragen. Vieles ist Stückwerk geblieben. Man gibt sich zu schnell mit Mittelmaß zufrieden.
myheimat: Sie stehen mit 29 Jahren an der Spitze eines Gemeinwesens, das neben der Kernstadt auch viele Ortsteile umfasst. Wie wollen Sie es erreichen, dass sich alle im Stadtgebiet lebenden Bürger diesem Gemeinwesen Pfaffenhofen verpflichtet fühlen?
Herker: Jeder Ortsteil hat natürlich seine eigene Identität. Dies gilt für Uttenhofen genauso wie Sulzbach oder Förnbach. Man muss die bestehenden Netzwerke nützen und intensivieren. Es gibt Ortsteilsprecher und natürlich auch Stadträte der jeweiligen Ortsteile. So wie es bisher war, dass sich die Ortsteile als „Rattenschwanz“ der Kernstadt fühlten, darf es nicht bleiben. Größere kulturelle Veranstaltungen sollten durchaus auch in den Ortsteilen stattfinden. Ein Anfang ist mit der Dorferneuerung bereits gemacht. Eine besondere Rolle im gesellschaftlichen Leben der Ortsteile spielen die Vereine.
myheimat: Sie sind wegen Gerhard Schröder in die SPD eingetreten. Der wollte nicht alles anders aber vieles besser als sein Amtsvorgänger machen. Was wollen Sie anders als Hans Prechter machen?
Herker: Unser Grundproblem ist die wirtschaftliche Strukturschwäche in Pfaffenhofen. Von der Lage her befinden wir uns im Dreieck München, Augsburg, Ingolstadt. Außer unserem Stadtslogan „Pfaffenhofen - Mittendrin“ gibt es nicht viel an wirtschaftspolitischen Konzepten. Ein professionellerer Anspruch wäre hier angezeigt. Wir müssen schauen, welche Potentiale unser Standort birgt. In diesem Zusammenhang fällt mir wieder die Firma Hipp ein – das erste Unternehmen, das nach ökologischen Kriterien produzierte. Aber auch das Biomasseheizkraftwerk ist zu nennen und die Tatsache, dass Pfaffenhofen die erste Kreisstadt war, die die Auflagen des Kyoto-Protokolls erfüllte. Jetzt entsteht ein neues Wohnviertel im Osten mit Passiv- und Niedrigenergiehäusern, das den Namen „Ökologisches Zentrum Pfaffenhofen“ tragen wird. Dazu gesellt sich ein Gewerbegebiet, wo sich Firmen niederlassen werden, die in dieser Branche tätig sind. Dieses Projekt kann Modellcharakter für ganz Deutschland haben.
myheimat: Wollen Sie eine Schnittstelle in der Stadtverwaltung schaffen, die als Anlaufstelle für ansiedlungswillige Unternehmer fungieren kann?
Herker: Mir schwebt eine ausgelagerte Gesellschaft vor, organisiert nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten. An der Spitze sollte ein Wirtschaftsfachmann stehen, der als Dienstleister für die Stadt auftritt, eine variable Vergütung hat und an Erfolgen gemessen wird. Die Stadt sollte jedoch Eigentümerin der Gesellschaft bleiben.
myheimat: Eine Art City-Manager?
Herker: Bis jetzt ist lediglich mal der Haushaltsposten eingestellt. Von Seiten der Wirtschaft ist aber auch noch nicht klar definiert, worum sich der „City-Manager“ genau kümmern soll. Das ist auch wieder ein typisches Beispiel. Man wirft mit Begriffen um sich, ohne dass man eine exakte Vorstellung davon hat, was darunter zu verstehen ist. Die Stichworte „Stadthalle“ und „Bad“ gehören in die gleiche Kategorie. Es werden immer Appetithäppchen hingeworfen und dann packt man die Dinge nur halbherzig an.
myheimat: Zwei Standortfaktoren werden von Unternehmern immer wieder genannt: niedrige Hebesätze für die Gewerbesteuer und eine günstige Verkehrsinfrastruktur. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger?
Herker: In der von Ihnen genannten Konstellation spielen die Hebesätze für die Gewerbesteuer eine eher nachgeordnete Rolle. Wir haben einen Gewerbesteuerhebesatz von 345. Damit liegen wir unter dem Bundesdurchschnitt.
myheimat: Wie ist Pfaffenhofen aufgestellt, was die Verkehrsinfrastruktur anbelangt?
Herker: Grundsätzlich ist die Nähe zur A 9 von großem Vorteil. Man ist in einer halben Stunde in München und in 20 Minuten in Ingolstadt. Im Westen verläuft die B 300 mit dem Anschluss Richtung Augsburg. Wir haben aber innerstädtische Probleme. Pfaffenhofen wird von einer Bahnlinie „durchschnitten“ und es gibt nur zwei Durchlässe.
myheimat: Kommen wir zu einem anderen Politikfeld. Die städtischen Finanzen scheinen geordnet zu sein wie selten zuvor. Die Stadt ist praktisch schuldenfrei. Täuscht der Eindruck?
Herker: Das stimmt nur bedingt und nur, wenn man die Schulden gegen die Rücklagen aufrechnet. Laut Aussagen unseres Kämmerers und gemäß den Haushaltsplanungen werden die Schulden bis zum Jahr 2011 um 10 Millionen Euro auf dann knapp 24 Millionen Euro steigen, weil die Rücklagen bis dahin aufgebraucht sein werden. Für das Wahljahr 2008 hat man einen „schönen“ Haushalt gestrickt, der auf dem Papier ganz gut aussieht, hinter dem sich aber gewaltige strukturelle Defizite verbergen. In zwei Jahren werden wir das ausbaden. Das sind die Erblasten des Hans Prechter.
myheimat: Wie sieht Ihr Konzept für die Kulturpolitik aus?
Herker: Wir haben zwar einen Kultursommer mit 30 Veranstaltungen, der sich über mehrere Wochen erstreckt. In diesem Zusammenhang drängt sich aber der Verdacht auf, dass man unter Umständen zu viel auf Masse statt auf Klasse gesetzt hat. Ein wichtiges Anliegen ist mir, private Initiativen wie die Künstlerwerkstatt zu fördern, die in ganz Süddeutschland für ihre Jazzkonzerte berühmt ist.
myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine private Frage. Bei welcher Tätigkeit können Sie am besten entspannen?
Herker: Die spärlich bemessene Freizeit verbringe ich gerne mit meiner Familie. Wir gehen gerne spazieren. Abends greife ich auch gerne mal zu einem guten Buch und lese ein bis zwei Stunden. Neben „Fachliteratur“ zum Verwaltungsrecht lese ich auch gerne Klassiker von Hermann Hesse, Heinrich Böll oder Günter Grass.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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