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Salam!

  • Heider, Edgard und Omar. Wir verstehen uns.
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„Salam!“ „Wa aleykum salam – schomâ tschetûr haßt êd?“ „Taschakkor, chûb haßt-am!“
Mit einigen wenigen Brocken Dari bringst Du einen jungen Mann zum Lächeln. Du erweist ihm und seinem Land Deinen Respekt, erkennst ihn als gleichen Menschen an obwohl Euch eigentlich Welten trennen in vielerlei Hinsicht. Ihr gebt Euch die Hand, das ist hier üblich.
Heider; 32 Jahre alt, verheiratet, zwei kleine Kinder bietet Dir sofort einen Hocker an; er selbst sitzt am Boden vor seinem kleinen Geschäft im hiesigen Bazar, über Euch baumeln Jacken, Rucksäcke, allerlei Handelbares. Aus seiner Thermoskanne schenkt er Dir von seinem Tee ein den er von zuhause mitgebracht hat. Sein acht Jahre älterer Bruder setzt sich dazu, es ist gerade kein Kunde in seinem Geschäft nebenan. Sie handeln auch mit Kleidern – vor allem Schals sind gefragt, es ist viel Staub in der Luft, der Hals geschützt vor der Sonne. Teppiche in allen Größen, Maschinenware und Handgewebtes zu einem Preis der Dir ein schlechtes Gewissen macht. Dann die blauen, mit goldschillernden Fäden durchzogenen Steine aus der nordöstlichen Region, besonders die rauen, die unbehauenen, unpolierten Steine faszinieren Dich. Kleine Reiseschachspiele mit schlichten oder bearbeiteten Steinplatten, schlichte oder auch wunderschön herausgearbeitete Figuren. „Nur 12 Euro!“ sagt Heider auf gutem Englisch. Sie lernen schnell, nur einige ältere Händler tun sich etwas schwer. Kein Problem – ein jüngerer Händler aus einem Nachbarsgeschäft eilt selbstverständlich herbei und hilft bei der Verständigung. Du fragst nach einem speziellen Artikel – der Verkäufer verneint, aber: „No Problem, please wait a minute..“ und rast davon. Er wird nicht wiederkommen bis er diesen Artikel gefunden oder alle Geschäfte im Basar vergeblich abgesucht hat.
Heider erzählt gern von sich und seiner Familie – Du bist taktvoll genug ihn nicht nach seiner Frau zu fragen. Und er fragt gerne. Und so tauscht ihr Euch aus über Gemeinsames, über Trennendes. Sie bauen gerade eine kleine Moschee nebenan, ohne Minarett. Die kleine Kapelle an der nächsten Straßenkreuzung hat auch kein Kreuz auf dem Dach. Man muß nicht Flagge zeigen.
Bisher beten die Händler in einem Zelt neben dem Basar, es steht schräg. Manchem ist die Richtung wichtig. Heider sagt ihm sei wichtig im Herzen Muslim zu sein. Auch die Hadsch ist ihm nicht so wichtig, er möchte lieber sein Leben, sein tägliches Handeln am Glauben ausrichten. Man muß nicht streiten über Religion, man kann lernen. Du fragst, er und sein Bruder fragen. „Warum…?“ Die Antwort wird respektiert, Nachfragen erlaubt, des Verständnisses wegen.
Die Kleider faszinieren. Bunt für die Frau, schlicht für den Mann. Du lernst die Kleider der Frauen und die Kopfbedeckungen der Männer nach ihrer Herkunft im Land und auch Bedeutung zu unterscheiden. Und fragst nach den Konflikten und bekommst individuelle Antworten. Kannst Du sie aber auch deuten? Du hast Freunde gewonnen – das geht sehr schnell bei diesen herzlichen Menschen. Aber verstehst Du sie auch richtig? Nein, die Freundlichkeit ist nicht gespielt, die Antworten klingen ehrlich – aber sie können verschlüsselt sein, vieles wird hier umschrieben. Man ist höflich, freundlich, indirekt. Der Auftrag wurde nicht richtig ausgeführt; Du entschuldigst Dich für das Missverständnis, Dein Gegenüber hat sein Gesicht gewahrt und ist Dir dankbar dafür. „Fardâ!“ Morgen, das heißt eigentlich Paschfardâ, Übermorgen. Das Geschäft ist nicht so wichtig, Du willst kennengelernt werden.
Sein Geld bringt Heider nicht zur Bank. Er investiert es in die Teppichmanufaktur, kauft Waren. Er will kein Wachstum, er will leben, mit seinen Kindern, mit seinen Eltern. Er will anderen Arbeit geben bei 60% Arbeitslosigkeit. Er erzählt von seinem Vater, inzwischen über 70, er ehrt und achtet ihn, das merkst Du.

Es wird langsam Abend am Fuß des Marmalgebirges, die Felswände, die aussehen wie mit einem Messer abgeschnitten leuchten verhalten, jede Minute ändern sich Richtung und Farbe, Licht und Schatten. Du streifst Dir ein weißes, langes Hemd über, Heiders Bruder packt die zwei kleinen Fußmatten und die zum Hemd gehörige Hose in ein Schaltuch ein. Die traditionelle Kopfbedeckung ist ungewohnt, aber passt, nun verraten Dich nur Hose und Stiefel dem aufmerksamen Beobachter. Es ist ein seltsames Gefühl vom Basar zu Deiner Unterkunft zu laufen, Dein Halstuch-Bündel in der Hand. Die Blicke sind anders als sonst.
Vor der Unterkunft ein paar Männer, Du grüßt kurz und gehst hinein, den Schlüssel schon in der Hand.
„Der wohnt ja hier ….“ höre ich hinter mir eine ungläubige Stimme.
Ich drehe mich um, gehe zurück, schaue durch die Tür.
„Nicht jeder ist was er scheint….“ sage ich.

  • Heider, Edgard und Omar. Wir verstehen uns.
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  • Der Nordhang des Marmal-Gebirges in Wolken gehüllt. Die diesige Sicht entsteht durch den Staub der sich nur nach den Regenfällen für kurze Zeit legt.
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12 Kommentare

Das wäre ja ein schöner Urlaub, aber auch mit einer gewissen Angst verbunden.

Ja, wobei die Provinz Balkh (Mazar-e-Sharif) sehr ruhig und sicher ist (jedenfalls solange die ISAF noch präsent ist) im Gegensatz zum nur rd. 120km entfernten Kunduz - dort toben nicht die Taliban sondern ein gnadenloser Drogenkrieg.

Ich würde in Mazar gern mal das Neujahrsfest an den blauen Moschee erleben...

Ein lebendiger, faszinierender Bericht.....sehr einfühlsam und voller Respekt für eine andere Kultur.
Dein Satz: Man ist höflich, freundlich, indirekt. Der Auftrag wurde nicht richtig ausgeführt; Du entschuldigst Dich für das Missverständnis, Dein Gegenüber hat sein Gesicht gewahrt und ist Dir dankbar dafür. ist mir sehr vertraut von meinem Sohn, der in Libyen, Iran, Sudan und vielen afrikanischen Ländern tätig war.

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