Für Optimisten und Romantiker: Der neue französische Film

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Er hat etwas Besonders, dieser neue französische Film...
Die Deutschen drehen Tatort und andere Krimiserien, Problemfilme, oder Schweres wie « Das Feuerschiff », die angelsächsischen und US-Filme leben von Action und rasanten Motivwechseln ; tiefere Inhalte sind eher selten.
Die Franzosen lebten von Jean Gabi, Jean Paul Belmondo und Louis de Funes der Kohlköpfe oder Fantomas jagte.

Dann kam « Die fabelhafte Welt der Amelie » mit der zauberhaften Audrey Tautou
Ein einfaches französisches Mädchen in einer einfachen französischen Umgebung voller einfacher lebender Menschen.
Keine knallharten Kommissare, keine Verfolgungsjagden, keine schnellen rasanten Schnitte, kein Blut.
Nur Leben.
Ein Film mit einer positiven Botschaft : Schau, das Leben ist schön, und es ist es durch Menschen wie Du und ich, Menschen die ein Stück gemeinsam gehen und am Ende ein klein wenig anders sind. Die kleinen Gesten, die liebenswerten Ideen mit dem jemand einen anderen etwas glücklicher macht – und sei es daß der Gartenzwerg eine Weltreise macht und Ansichtskarten schickt oder ein paar Passbilder neugierig machen...

Waren Sie schon mal in einer Schokoladrie? Nein, nicht der Laden in der Fußgängerzone wo neben ein Paar Tafeln Edelschokolade ein paar Platten mit Pralineés stehen sondern dort wo ein Mensch aus verschiedenen Schokoladenrezepten Kunstwerke macht, Einzelstücke die den Besuch in diesem Paradies der Genüsse zu einer sinnlichen Reise der Verführung machen. Und wenn diese Künstlerin dann auch noch eine alleinerziehende, nicht unattraktive Frau ist die gerade in ein kleines französisches Dorf gezogen ist um dort ein solches Geschäft zu eröffnen ist der (spießbürgerliche) Ärger absehbar – doch auch hier kommt der Film ohne Schurken und Helden, dafür mit sympathischen oder weniger sympathischen Menschen, aber ohne moralischen Zeigefinger aus.

Wußten Sie daß man zusammen weniger allein sein kann? Vier ganz verschiedene Charaktere die sich in einer französischen WG erst zusammenraufen müssen – was nicht konfliktfrei abgeht. Aber es geht – wenn jeder die Schwächen der anderen tolerieren kann und deren liebenswerten Seiten schätzen gelernt hat. Der Unterschied kann auch ein Gewinn sein.

Ein Moselaner der doch so gern mit seiner Familie im Schwarzwald leben möchte – und stattdessen in ein kleines Kaff nördlich von Oldenburg versetzt wird wo er doch die Ostfriesen nur von den gleichnamigen Witzen her kennt – kann das gutgehen?
Phillipe Abrams geht es so – statt an die Coté d´Azur muß er zu den Ch´tis nach Bergues im Nord Pas de Calais. Mißverständnisse und Antipathie – bis Einheimische wie auch der Zugereiste ihre Scheuklappen der Vorurteile abnehmen und sich als gleichwertig wahrnehmen – Provence meets Picardie...

Jeder kennt wohl so einen – den Trottel schlechthin. Tolpatschig, ungebildet, Zielscheibe für manchen mehr oder weniger gutmütigen Spott. Mitte Dreißig, Obelixfigur und Blaumann – so trottet Gérard Depardieu in diesen Film und zählt in der Mittagspause „seine“ Tauben im Park bis er dort auf eine alte Dame trifft die ihn umsichtig ins „Labyrinth der Wörter“ entführt – und er zum ersten mal freiwillig ein Buch zu lesen beginnt. Eine Liebesgeschichte der etwas anderen Art die nicht nur seinen tollpatschigen Gang verändert.

Können Sie sich vorstellen daß Sie als reicher, in klassischer Musik und Literatur gebildeter, in einer feudal eingerichteten Mischung aus Wohnhaus und Schloss inmitten der Pariser Innenstadt wohnender Mann als persönlichen Pfleger einen Farbiger aus den Bannlieu einstellen würden, einen Mann der schon beim Einstellungsgespräch herumzickt und dessen Strafregister Alktenordner füllt – noch dazu wenn Sie nach einem Unfall querschnittsgelähmt sind und nur noch den Kopf bewegen können? Nun, das geht nicht nur im Film wo diese beiden so ungleichen Menschen einander respektieren lernen – und schließlich „ziemlich beste Freunde“ werden, denn dieser Film beruht auf einer wahren Begebenheit, beide Charaktere haben dies und noch einiges mehr miteinander erlebt.
In einem Buch schildert Abdel Yasemin, der „wahre“ Pfleger, die Geschichte seines Lebens. Danach ist der Film noch wesentlich eindrucksvoller.
Erleben Sie sie mit – am besten im Kino solange es noch geht, denn dort entwickeln diese Filme ihr volles Aroma!

Was haben diese Filme gemeinsam, was macht sie so faszinierend?
Nein, sie vermitteln weder „heile Welt“ noch „Friede, Freude...“.
Sie zeigen ein Stück Frankreich ohne Heimatfilmkitsch, sie zeigen die Menschen mit ihren Charakteren ohne Helden und Schurken, zeigen eine Handlung die mitnimmt auch ohne „Action“.
Sie zeigen wie Menschen wie Du und ich die Welt und ihre kleinen und großen Probleme etwas menschlicher machen können – und das mit einer gesunden Mischung aus Gefühl und Humor.

Nach jedem dieser Filme habe ich das Kino mit einem weinenden und einem lachenden, aber offenerem Auge - und ein klein wenig glücklicher verlassen.

Bürgerreporter:in:

Edgard Fuß aus Tessin

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