SPD-MdB lehnt Papst-Rede im Bundestag strikt ab

Mdb Rolf Schwanitz (SPD)

Neben anderen Abgeordneten hat sich der SPD-MdB Rolf Schwanitz strikt gegen ein Rederecht eines religiösen Oberhaupts im deutschen Bundestag ausgesprochen.
Ausdrücklich lehnt Schwanitz in einem offenen Brief aber auch die Rede des katholischen Oberhaupts in einem demokratischen Parlament ab.
Hier der Wortlaut des Briefes:

"BERLIN. (hpd) Die Rede des Papstes im Bundestag wird von einer ganzen Anzahl von Bundestagsabgeordneten nicht widerspruchslos hingenommen. Rolf Schwanitz, MdB der SPD, Staatsminister und Staatssekretär a. D., hat dazu heute eine Erklärung veröffentlicht.

Erklärung des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz zur Rede des Papstes im Deutschen Bundestag

Ich lehne die dem Papst eröffnete Möglichkeit einer Rede vor dem Deutschen Bundestag ab und werde mich an diesem Ereignis nicht beteiligen. Dafür gibt es für mich folgende Gründe:

Ich halte es für falsch, ein religiöses Oberhaupt im Parlament reden zu lassen.

Artikel 4 Abs. 1 Grundgesetz garantiert die Glaubensfreiheit in Deutschland. Unabdingbare Folge dieser Glaubensfreiheit ist der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Weltanschauungen und Religionen. Demgemäß hat der Staat eine Identifikation mit bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften zu vermeiden, ja zu unterlassen. Das muss für den Deutschen Bundestag als konstitutiven Ort des demokratischen Staates in ganz besonderer Art und Weise gelten.

Die Rede des Papstes im Plenarsaal des Deutschen Bundestages ist mit dem Grundsatz der religiösen Neutralität des Staates unvereinbar. Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages wird hier als schmückendes Beiwerk und als medialer Verstärker für die geistliche Rede des Oberhaupts der katholischen Kirche missbraucht. Das ist ebenso falsch wie unangemessen. Der Deutsche Bundestag ist weder ein Ort der religiösen Missionierung noch eine Kirche. Er darf auch nicht zu einem solchen Ort gemacht werden.

Ich halte es für falsch, dieses religiöse Oberhaupt im Parlament reden zu lassen.

Mit dem Papst tritt zum ersten Mal ein Gast an das Rednerpult des Deutschen Bundestages, der die Mehrheit der Deutschen für verdammungswürdig hält. Nach den für unfehlbar gehaltenen Glaubenssätzen der katholischen Kirche sind davon all jene Menschen betroffen, die diesem Glauben wissentlich nicht folgen wollen. Mehr als zwei Drittel der Deutschen werden so, weil sie sich in Freiheit gegen den katholischen Glauben entschieden haben, vom Papst und der von ihm vertretenen katholischen Glaubenslehre stigmatisiert. Auch deshalb ist die Rede des Papstes vor dem deutschen Parlament unangebracht.

Die vom Papst gepflegte Organisations- und Staatspraxis ist mit dem politischen Selbstverständnis des Deutschen Bundestages unvereinbar. Der Papst ist sowohl in seiner Kirche als auch im Staatsgebiet des Vatikans der letzte absolute Monarch in Europa. Er praktiziert mit der Vereinigung der drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative eine absolutistische Herrschaftsform, die mit der Demokratie unvereinbar ist.

Die päpstliche Charakterisierung der Freiheit des Einzelnen und des Pluralismus in der modernen, offenen Gesellschaft als „Diktatur des Relativismus“ weise ich entschieden zurück. Ich sehe darin eine noch immer unzureichende Orientierung des Vatikans auf die Demokratie und eine Verneinung des universellen Charakters der Menschenrechte. Ich bin dem gegenüber der Auffassung, dass die Menschenrechte zum unveräußerlichen Besitz eines jeden Menschen gehören. Sie sind Ausdruck und Garantie der unantastbaren Menschenwürde und bilden deshalb die Grundlage einer vernünftigen Staats- und Weltordnung. Sie bedürfen weder einer religiösen Fundierung noch Legitimation.

Ausdrücklich wende ich mich auch gegen die vom Papst und von der katholischen Kirche verbreiteten Auffassungen zu Fragen der Frauenrechte, der sexuellen Orientierung der Menschen und zur Empfängnisverhütung. Ich halte diese Auffassungen für ebenso dogmatisch wie reaktionär. Der Papst trägt als Oberhaupt der katholischen Kirche durch die Verbreitung dieser Dogmen erhebliche Verantwortung und Mitschuld an der Unterdrückung, Ausbeutung und Stigmatisierung von Millionen von Menschen sowie an der bisher global nicht gestoppten Ausbreitung der AIDS-Epidemie. Auch deshalb lehne ich eine Rede des Papstes vor dem Deutschen Bundestag ab.

Rolf Schwanitz

http://hpd.de/node/11943

Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte den Papst schon seit Jahren in den Bundestag eingeladen und freue sich, dass der Papst dieser Einladung gefolgt sei.

Der Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, kritisierte hingegen die geplante Rede des Papstes vor dem Bundestag. So sei es für ihn unverständlich, dass sich die römisch-katholische Kirche nicht nur als Kirche, sondern auch als Staat begreife. „Unser Verständnis des Amtes und der Kirche unterscheidet sich doch sehr von dem der Katholiken […] Die Kirche als staatliches Organ – das geht gegen unser Bekenntnis.“

Nach vorliegenden Informationen will die SPD-Fraktionsführung mit der Einladung von ehemaligen Abgeordneten die Parlamentarierreihen auffüllen, um den Eindruck des sichtbaren Protestes zu vermeiden. Um den Bedarf zu ermitteln, habe SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Lange am Donnerstag eine verbindliche schriftliche Anwesenheitsumfrage unter den aktiven SPD-Parlamentariern gestartet.

Verärgerung gab es auch über das Verbot einer Anti-Papst-Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin. "Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit während des Papstbesuchs sind nicht hinnehmbar", beklagten die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth und Volker Beck am Donnerstag. Kritik müsse in einer Demokratie formuliert und auch gehört werden können. Das gelte auch für ein Religionsoberhaupt. "Einen Kniefall der Behörden vor dem Papst darf es nicht geben", mahnten die Grünen-Politiker.

Die Berliner Polizei hatte zuvor mitgeteilt, dass eine geplante Demonstration gegen den Papstbesuch am 22. September nicht am Brandenburger Tor beginnen darf. Genehmigt wurde ein anderer Startpunkt. Die Versammlungsbehörde berief sich auf "Kapazitäts- und Sicherheitsgründe". Der Papst will zur gleichen Zeit unweit vom Brandenburger Tor im Bundestag eine Rede halten.

Nach einem Bericht der Neuen Ruhr Zeitung unter Berufung auf katholische Kirchenkreise wendet die Kirche für den Besuch des Papstes etwa 25 Millionen Euro auf. Hinzu kommen Kosten, die die Länder tragen. Berlin und Thüringen haben hierzu jedoch keine Angaben gemacht. Das Land Baden-Württemberg hat fünf Millionen Euro für Sicherheitsmaßnahmen und weitere 300.000 Euro für Sanitäts- und Rettungspersonal bereitgestellt. Die Stadt Freiburg hat 300.000 Euro für zusätzliche Aufwendungen zum Papstbesuch eingeplant. Der Humanistische Pressedienst schätzt die von den Ländern insgesamt getragenen Kosten auf 20 Millionen Euro.

Bürgerreporter:in:

Edgard Fuß aus Tessin

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