Anno 1900 - Stahl aus Peine
Ein „selfi“ beim Open-Air-Konzert, oder die Poseidon-Platte beim Griechen „um die Ecke“ - im digitalen Zeitalter sind Bilder in Sekunden fertig und „versendet“ oder gar weltweit im Internet „gepostet“! Nur noch ganz selten, allenfalls als Urlaubsgruß, verirrt sich noch einmal eine Ansichtskarte in die Tagespost. Und wann wir das letzte Mal einen Brief geschrieben haben, können wir wohl auch kaum noch erinnern. Vor gut 100 Jahren war die Lage noch gänzlich anders. In großer motivischer Vielfalt wurden Ansichtskarten hergestellt und dienten der damals üblichen Kommunikation, wobei Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts zumeist die Ansichtsseite beschrieben wurde. Nicht nur bedeutende Bauwerke oder idyllische Plätze hatten die Fotografen der Postkarten-Verlage dabei im Visier; viel begehrter sind unter Sammlern die eher selten noch erhaltenen Darstellungen von Technik und Arbeitswelt der Jahrhundertwende um 1900, wie diese Auswahl von historischen Aufnahmen aus der Peiner Industriegeschichte von vor über 100 Jahren.
Ein Herz aus Erz, die braune Wolke und der feurige Elias!
Mit Gründung der Ilseder Hütte im Jahre 1858 war sozusagen der Weg Peines zur Stahlstadt bereitet. 1880 wurde die 1872 gegründete Aktiengesellschaft Peiner Walzwerk in Peine von der „Hütte“ erworben. Dort wurden 1881 das Thomas-Stahlwerk und 1900 der Siemens-Martinofen fertiggestellt, um die schrittweise erweiterten Walzwerke mit Vormaterial zu versorgen.
Was die Hochöfen in Ilsede „ausspien“ wurde bald mit dem „feurigen Elias“ auf dem Schienenwege ins Peiner Thomas-Stahlwerk (Ende 1964 stillgelegt, zeitgleich arbeiteten noch das Siemens-Martin-Stahlwerk und das Blasstahlwerk) gefahren und dort weiterverarbeitet, was allerdings die Luft stark verpestete (die sogenannte „braune Wolke“ war einst das weithin sichtbare Zeichen der florierenden Stahlstadt). Das benötigte Erz stammte in den Anfängen noch ausschließlich aus Gruben der Region. Es wurde zunächst im Tagebau gewonnen, später im Bergbau, was stets gefährlich war. Das Grubenunglück in Lengede war diesbezüglich ein trauriger Höhepunkt, der wochenlang die internationale Berichterstattung dominierte und als „Das Wunder von Lengede“ Bergbaugeschichte wurde.
Ein Pulsschlag aus Stahl
Im Walzwerk schließlich wurden die schon erkalteten Stahlblöcke wieder erhitzt und durch das Walzen in die gewünschte Form gebracht. Peiner Träger, Kastenspundbohlen und natürlich die Kräne mit dem umkreisten P waren jahrzehntelang Exportschlager und man verband den Namen ihrer Herkunft quasi weltweit mit dem einstigen kleinbürgerlichen „Eulennest“ an der Fuhse, wo um 1960 noch etwa 5000 Menschen damit ihr Brot verdienten.