Achim Reichel - Bootschafter und Moritator
„Das Geheimnisvolle der Ballade entspringt aus der Vortragsweise des Sängers“ Johann Wolfgang von Goethe
Achim Reichel – das ist viel mehr als „Steaks und Bier und Zigaretten“ - hätte ich ihn damit kennengelernt wären wir wohl kaum so eng zusammengekommen.
„Ich kam von meinem Wege ab weil es so nebeldunstig war – der Wald war feuchtkalt, wie ein Grab und Finger griffen in mein Haar....“
Die „Regenballade“, geschrieben von Ina Seidel ( 1885-1974 ) war meine erste LP von Achim, dem Hamburger Jung´, und dieses Lied war sehr gewöhnungsbedürftig – unheimlich und faszinierend zugleich wie auch Christian Morgensterns „ Sophie mein Henkersmädel“.
Ich bin kein Gedichtsfreund; das Auswendig-lernen lag mir nie im Blut. Doch „ .. und im dritten Jahr aus dem Stillen Haus ein Birnbaumsprößling sproß heraus...“ wie auch jetzt vor unserem Haus, davor eine Tafel mit dem Text als unsere Hommage an Theodor Fontane.
„... das Wasser rauscht, das Wasser schwoll, netzt ihm den nackten Fuß; sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll wie bei der Liebsten Gruß“, so sank ich hin in die Arme Goethes und des deutschen Folk-Rock a´la Reichel.
Ja, auch zu diesem Volksgut haben die Deutschen ein besonderes Verhältnis und schnell warfen ihm nationalistische Kritiker Blasphemie vor – deutsche Gedichtskunst paart sich mit Negermusik? Das ist undeutsches Multi-Kulti – wie auch die Shanties die Reichel aufmischte, denn die Seemannslieder waren immer schon eine Mischung in die jede Hafenstadt der Welt eine Prise hinzugab. Als „neuen Hans Albers“ hat man ihn bezeichnet – es war ihm nicht Recht; Reichel passt nicht in eine Schublade. Hat sich der Hamburger nur den berühmten Deutschen an den Hals geworfen um sich in ihrem Glanz zu sonnen? „Im Netz, da war ein toter Mann. Uh, mit den Taschen voller Gold...“ hatte er ebenfalls selbst gedichtet, inspiriert von einer bretonischen Melodie. Und einer seiner bekanntesten Titel „Der Spieler“ stammt von einem zeitgenössischen Schriftsteller Jörg Fauser. „Denn wenn Du nichts mehr hast, dann bist Du frei...“.
Die Tragik des Hochmuts spürt man in „Heut bin ich über Rungholt gefahren...“ und spürt hier ganz intensiv wie Reichels Musik die in sich schon eindringlichen Texte geradezu fühlbar verstärkt:
„Und überall Friede, im Meer, auf den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief
und schloß die Augen wieder und schlief
Und rauschende, schwarze langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen..
Trotz, blanke Hans! „
So kommt die allesverschlingende Nordsee, die Mordsee Detlevs von Liliencron durch die Lautsprecher direkt ins Wohnzimmer geschossen und Achim verbindet die Liebe zum Meer mit Hilfe der Musik mit der Leidenschaft für unsterbliche Texte.
Eine Mutter schrieb an Reichel daß ihr Sohn im Deutschunterricht eine Bestnote für den „Zauberlehrling“ bekommen hat – der Lehrer wunderte sich nur etwas über die Rhythmik beim Aufsagen des Gedichts: „Walle, walle manche Strecke daß zum Zwecke Verse fließen und mit reichem, vollen Schwalle in der Klasse sich ergießen..“ (frei nach ...– der Herr Geheimrat möge mir verzeihen!)
Christliche Kultur und Werte finden sich kaum, im Gegenteil: Der Amtmann von Tondern, Henning Pogwisch will von den steuerbefreiten Friesen dennoch den Zehnten fordern und da „ ... steht Jürgen, der Priester beflissen bereit. Er reibt sich die Hände, er bückt den Nacken: „Der Obrigkeit helf´ ich die Frevler zu packen! In den Pfuhl das Wort: Lewwer duad as Slaav!“
Besonders eindrucksvoll ist durch die Verbindung von Wort und Musik der tägliche Kampf gegen das Meer – diese Haßliebe zu dem Element das Leben gibt und Leben auf grausame Weise nimmt.
„Wir fahren über das weite Meer, Heimat sehen wir lang nicht mehr...“ doch „ Es war einst ein
Käpt´n, sein Schiff in schwerem Sturm, doch er wollt´den Kurs nicht ändern, blickte stur und starr nach vorn...“ und dann sahen sie „ „Piel gegen den Sturm einen Segler fahren, Kein Mann an Deck und keiner am Steuer, und oben brannten auf Mast und Rah fahle, flammende Feuer“ wie Lulu von Strauß und Torney schrieb – und Reichel singt. Und die Gedanken der Mutter die Pidder Lüng hindern will unter Einsatz seines lebens im Sturm zum todgeweihten, aufgelaufenen Schiff zu rudern um einen Überlebenden aus dem Mast zu holen – und dabei seinen verschollen geglaubten bruder rettet – ein ewiges Andenken an die Seenotretter einst und jetzt.
„Und draussen plätschern die Fluten. Dort spielt ihr Kind, ihr „Lütting Jehann“ und lallt wie träumend dann und wann „Een Boot is noch buten...““ (Arno Holz)
Auch rein Instrumental kommt bei Achim Stimmung auf.
Er läßt „Abends an Deck“ die Masten knarren oder die Mannschaft beim „Piratentanz“ ein wenig ihre Plage vergessen.
Doch Vorsicht:
„Feuer auf dem Meere und im Herzen Brand, Glut auch auf den Lippen der Braut im fernen Land!
Feuer in der Kehle und das nicht zu knapp und wenn wir nicht löschen dann brenn´wir ab!“
Prost Achim – auf Dein Wohl und viele neue Lieder!
Bürgerreporter:in:Edgard Fuß aus Tessin |
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