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120 Jahre Sanatorium Woltorf – Von der Nervenklinik zum Altenheim

Im Jahre 1897 begründete man bei Woltorf eine großzügig angelegte Kuranstalt, das Nervensanatorium Woltorf. Neben den zwei Hauptgebäuden (Kurhäusern) existierten Wirtschaftsgebäude und eine Ärzte-Villa. Der Erbauer hatte sich allerdings mit dem Projekt übernommen und ging damit Pleite. Die Stunde des langjährigen Leiters Dr. Kruse war gekommen, der Sohn eines Bauunternehmers und Facharzt übernahm das Objekt. Ähnlich einem Schloss und mit dem Charme der Bäderarchitektur des 19. Jahrhunderts war die Anstalt von einem großen Park umgeben, in dem neben unterschiedlichen Laubgehölzen vor allem Edeltannen das Bild prägten. Es gab bereits Haustelefon mit Fernruf, elektrisches Licht, und moderne sanitäre Anlagen. Die Einrichtung diente Nervenkranken zur Genesung. Stark betroffene Patienten wurden im kleineren Kurhaus überwacht. Für die anderen Kur-Gäste aber gab es viele Freizeitangebote, bei denen sie sich erholen konnten. Ein Musikzimmer und ein Billardraum und Veranden zählten dazu. Das Außengelände, welches von einer hauseigenen Gärtnerei betreut wurde, in der sich, ganz modern, die Patienten unter Anleitung körperlich betätigen konnten, bot ebenfalls viele Erholungsmöglichkeiten. Dazu zählten mehrere idyllische Gartenhäuschen, eine größere Liegehalle und sogar ein Tennisplatz.

Malaria und Morphium

Zwei Ärzte waren ständig anwesend um sich um die maximal 40 Patienten zu kümmern. Die Krankheitsbilder waren sehr unterschiedlich. Man war spezialisiert auf Entziehungskuren von Alkohol- und Morphiumsüchtigen; aber auch auf Fieberkuren für Malariakranke! In der geschlossenen Abteilung wurde nach damals modernsten Methoden der Psychiatrie gearbeitet, bei der auch physikalische und elektrische Heilverfahren durchgeführt wurden. Die Oberaufsicht hatte dabei Besitzer und leitender Arzt Dr. Kruse, der als sehr geschäftstüchtig galt. Um 1930 kostete ein Aufenthalt gut 200 Mark monatlich, wobei man bereits damals schon teilweise mit Krankenkassen und Versicherungen abrechnete. Noch heutzutage steht aber auch noch immer mahnend ein großer Bunker auf dem Gelände, der an die Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg erinnert, als man dort psychisch Kranke zwangsweise untergebracht hatte. Kriegs-traumatisierte Privatpatienten ließen sich bereits nach dem Ersten Weltkrieg in Woltorf behandeln.

1958 - Neues Leben in alten Gemäuern

Nach dem Dr. Kruse 1955 seine Laufbahn beendet hatte, übernahm 1958 der Landkreis Peine das ehemalige Sanatorium und baute es zum heutigen Altenheim (Am Mehlenkamp 2-8) um und übergab das Anwesen in die Trägerschaft des DRK. Der Vertrag sicherte Kruse Wohnrecht in der Villa und beste Verpflegung auf Lebenszeit zu, was er aber letztlich nicht nutzte. In den folgenden Jahrzehnten wurden die Häuser regelmäßig saniert sowie An- und Umbauten modernisiert. Der ursprüngliche Charme und Charakter der Anlage mit ihrer engen Verbindung zur Natur und ländlichen Umgebung wurde dabei bewahrt. Der Landkreis Peine und das Deutsche Rote Kreuz stritten sich jedoch 2013 um das Altenheim in Woltorf. Die Kommune als Eigentümer von Grundstück und Immobilie hatte den Pachtvertrag (Laufzeit bis 2020) gekündigt und die Kündigung sogar mit einer Räumungsklage untermauert! 2014 einigte man sich schließlich und das DRK erwarb die Einrichtung für einen symbolischen Euro.

Tannen, Tiere und Traditionen

Das Heim bietet zurzeit fast 80 Pflegeplätze in drei Wohnbereichen an. Die Einzel- und Doppelzimmer verteilen sich auf zwei Etagen im Hauptgebäude und auf das Nebengebäude "Haus Tanne". Noch immer gibt es den 50.000 Quadratmeter großen Waldpark mit alten Obstbäumen, einem großen Streichelzoo mit Zwergziegen, Schafen, Kaninchen, Ponys und Katzen. Das DRK-Altenpflegeheim versteht sich heutzutage weniger als eine Pflegeeinrichtung, sondern vielmehr als ein Teil des Dorfes, in dem zufällig besonders viele ältere Leute wohnen. Das frühere Sanatorium ist bis heute traditionell eng mit Woltorf verbunden. Die Heim-Bewohner sind gern gesehene Gäste im Dorfleben und im Sommer 2015 wurde das Dorffest auf dem weitläufigen Parkgelände des Hauses gefeiert. Einrichtungsleiterin Isabell Neumann sagt ganz klar über die riesige Anlage die sie betreut: „Unser Standort hier ist einfach anders, irgendwie ganz besonders! Ich habe inzwischen nicht nur den Unterschied zwischen Feldahorn und Bergahorn gelernt, ich muss mich auch nicht um Bäumchen kümmern, sondern gestandene 120 Jahre alte Bäume!“ Besonders gut gelungen sei es hier generationsübergreifend eine Brücke zwischen jung und alt zu schlagen. Neumann freut es: „Unsere Kindergartenkinder sind regelmäßig hier, das ist wirklich schön. Ostern werden Eier gesucht und auch der Gottesdienst wird gemeinsam abgehalten!“ Nächstes Jahr gibt es übrigens wieder einen Grund zum feiern, denn dann wird das Altenheim genau 60 Jahre alt.

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