Geheimnisvoller Orient - Kamelmilch im Königreich von Saudi Arabien
Bis man zum Kamelmilch trinken eingeladen wird ist es eine lange Geschichte.
Schon die Einreise erfordert viel Papierkram. Wem jetzt der Bericht zu ausführlich wird, dem empfehle ich etwas weiter beim „fett“ gedruckten weiterzulesen.
Wer an Hintergründigen und Einreise interessiert ist, der liest weiter.
Neben aktuellen Impfdokumenten, Aids-Test und Einladung in arabischer Sprache musste die „Industrie und Handelskammer“ meine Kopien der Berufsqualifikationen und mein Diplom beurkunden. Das Ganze geht dann nach Berlin zur Botschaft, die natürlich ab Freitag (gesetzlicher Feiertag in KSA) geschlossen hat. Visagebühren kostet es natürlich auch noch. Dann gibt es für die Einreise noch so einiges zu beachten(Mein Informationstand ist von 2004). Keine pornografischen Materialien oder Zeitschriften („stern“ und „BILD“ Zeitung gehören auch dazu). Keine CDs mit offensivem Hintergrund, keine Christliche Lektüre oder „Propaganda“, absolut keinen Alkohol oder auch Schweinefleisch und ähnliche Produkte. Bei der Einreise am Flughafen wird alles durchsucht und durchleuchtet. Es gelten die Regeln der Scharia. Homosexualität wir bestraft und auf Drogenbesitz gilt die Todesstrafe, bei schweren Diebstahl wird die rechte Hand abgehackt und danach eine Amputation durchgeführt. An dieser Stelle die Warnung: Alle islamischen Gesetze gelten hier für alle, also auch für Ausländer. Man darf im Pass keinen Stempel von Israel aufweisen, man muss seine Religionszugehörigkeit angeben sowie einen kleinen Stammbaum mit Namen der Eltern angeben.
Als Moslem muss man sich an die Gebetszeiten halten und darf nicht einfach nach Mekka pilgern. Weder Umra noch Haddsch. Für die Umra und Haddsch, die Pilgerreise nach Mekka gelten andere Visabestimmungen. Das Königreich von Saudi Arabien gilt für mich als das am meisten Bürokratisierte Land der Erde. Für die Dauer des Aufenthaltes muss man ähnlich wie früher in der „DDR“ eine Gebühr bezahlen. Bei der Ausreise durchläuft man dann eine ähnliche Prozedur. Alles in Allem also ist das sehr lästig.
Das KSA ist aber auch kein Touristenland und nicht bemüht Fremde Personen zu sich einzuladen, wenn man dadurch keinen Vorteil hat.
Fotografieren war zu meiner Zeit grundsätzlich verboten, deshalb von mir kaum Fotos von öffentlichen Gebäuden und Plätzen.
Kritik an der Regierung oder der Königsfamilie ist verboten. Das Fernsehen, die Zeitungen, das Internet und Telefon sind zensiert. Man lebt also wie in einem „Goldenen Käfig“. Frauen findet man im öffentlichen Leben kaum, ihr Leben ist eingeschränkt und immer von einem Vormund abhängig. So dürfen Frauen zu „ihrem eigenen Schutz“ kein Auto fahren oder alleine ausgehen.
Als Seismologe mit langjährigen Kenntnissen in der Explorationsgeophysik (Erdölsuche) war ich gefragt und eigeladen. Wenn eine Firma aber „ausländische Arbeitskräfte“ in KSA beschäftigen will, muss sie einen bestimmten Anteil Einheimischer Leute beschäftigen.
Diese benötigen natürlich auch eine Moschee und einen Iman (Vorbeter) der als Autorität über die Regeln des Islam wacht und als Berater zur Verfügung steht.
Zu dem Land.
In den arabischen Ländern gehen die Kalender nach dem Mond und nach Mohammed. Der 1. Juli 2010 ist zum Beispiel der 19 Rajab 1431. Der Fastenmonat Ramadan ist dieses Jahr vom 11. August bis zum 9.September.
Die USA ist großes Vorbild in vielen Dingen. Die Währung des Rial ist fest an den US$ gebunden. So hat man das US Amerikanische Straßensystem der Autobahnen kopiert. Man fährt auch gerne US-Straßenkreuzer und geht nie zu Fuß. Seitdem die Benzinpreise (es gibt nur Super, Diesel ist für LKW und Maschinen) auf 11 Cent pro Liter gestiegen sind wird auch gern auf die Mercedes S-Klasse zurückgegriffen (der Zweitwagen meines Trainees).
Elektrischer Strom hat 110 V 60 Hz und man benutzt US amerikanische Stecker.
Vor 2001 war die USA auch das bevorzugte Land um die Kinder zum Studium zu schicken. Viele Lehrer in den Schulen stammen aus Ägypten. Man spricht das sogenannte Hocharabisch, örtlich gibt es verschiedene Dialekte. Gebildete Araber können alle Englisch sprechen. Das ist auch die Geschäftssprache. Als Ausländer (Gastarbeiter) hat man kaum privaten Kontakt zu Einheimischen. Man lebt hier entweder in geschützten Hotel oder Wohnanlagen, die getrennt nach Geschlechtern sind (nur Männer oder nur Familien). In den Ölregionen lebt man in speziellen Camps bei den Bohrtürmen oder Arbeitslagern. In den Großstädten (Riad, Dhamman, Dhahran, Al-Kobar) gibt es „Shopping Malls“ und Souks (einheimische Märkte) die auch von Ausländern in entsprechender Kleidung besucht werden können. Gold ist immer echt, bei Rolexen sind in den Souks manchmal Zweifel angefragt.
Kurz zum Wetter. Ab April bis Oktober ist es heiß und staubig. Ca. 40 Grad am Tag. Sollte ein Haboob (Sandsturm) kommen geht gar nichts mehr. Ist die Kamera nicht in einer staubdichten Verpackung funktioniert die dann gegebenenfalls auch nicht mehr. Im Dezember und Januar kann es regnen.
Das ist das Schlimmste was einem in der Wüste passieren kann.
Das Königreich von Saudi Arabien hat die größten Erdölreserven der Welt und ist deren größter Produzent. Trotzdem sind nicht alle Saudis Millionäre. Es gibt auch arbeitslose Araber, auch unter den Akademikern. Die medizinische Grundversorgung für die Saudis ist kostenfrei. Manchmal muss man aber lange auf Termine warten. Statt einen Zahn zu behandeln wird lieber gleich gezogen. Schulausbildung ist ebenfalls Kostenlos und wird gefördert. Seit 1966 dürfen auch Mädchen zur Schule gehen.
Wer nicht das richtige Familienoberhaupt hat, der richtigen religionsgruppe angehört oder entsprechende Beziehungen hat kann zu den ärmeren Bevölkerungsschichten gehören. Ein gewisses Schichtsystem ist schon vorhanden. Man trifft sich auch geschäftlich nur „auf Augenhöhe“. Als der Vizepräsident der ARAMCO unserer Firma seinen Besuch ankündigte, musste entsprechend unser Präsident für den Mittleren Osten und Afrika aus Dubai antreten. Einen Tag vorher sprach der Chef-Geophysiker mit mir ab, was er seinem Chef zeigen wollte. Beim Besuch in meinem Büro stand ich dann nach allgemeiner Begrüßung in zweiter Reihe.
Andere Länder – andere Sitten. Allgemeine Sitten und Gebräuche in einem Islamischen Land.
Um den Islam besser zu verstehen, sollte man die fünf Säulen des Islam kennen.
- Schahda La ilaha illa: Das Glaubensbekenntnis: „Es gibt keinen Gott außer Gott“
- Salat: Das Gebet - fünfmal am Tag
- Saum: Das Fasten während des gesamten Monates Ramadan
- Zakat: Die Almosengabe an Arme und Bedürftige
- Haddsch: Die Pilgerfahrt nach Mekka
Zur Begrüßung schütteln sich die Männer mitunter dauerhaft aber nicht allzu fest die rechte Hand.
Legt der Araber die Hand an sein Herz ist das eine besondere Anerkennung, ebenso wenn der männliche Gesprächspartner zu einer Umarmung ansetzt, dann ist diese unbedingt zu erwidern.
Frauen werden falls überhaupt anwesend, aus der Ferne kurz durch Kopfnicken begrüßt. Gehen zwei Männer Hand in Hand ist das eine große Ehrerweisung.
Weibliche Familienangehörige nicht-islamischer Gastarbeiter oder andere Besucherinnen des Königreichs müssen den Körper mit einer schwarzen Kutte verhüllen wenn sie sich in der Öffentlichkeit bewegen.
Normale Gastarbeiter werden von den Arabern einfach ignoriert. Sie sind unsichtbares Personal, das zu funktionieren hat.
Bei einer privaten Einladung (auch eine spontan ausgesprochene auszuschlagen, ist ein Fauxpas) zieht man die Schuhe vor dem Haus aus. Nach dem obligatorischen Kaffee oder Tee folgt das Essen. Davor wäscht sich jeder die Hände in einer Wasserschüssel, die herumgereicht wird. Am Ende einer Mahlzeit waschen sich alle erneut die Hände. In sehr vielen Familien passiert es, dass Männer und Frauen getrennt essen. Einer Einladung sollte immer eine Gegeneinladung (nur die Männer) folgen.
Baytee – baytaa heißt: Mein Haus ist dein Haus.
Gastfreundschaft steht in Arabien an oberster Stelle.
Etwas Arabisch, einige Floskeln und die Ziffern sollte man schon sprechen können. Ich empfehle da immer das Buch von James Peters: Very Simple Arabic incorporating Simple Etiquette in Arabia vom Stacey International Verlag.
Bei geschäftlichen Treffen sollte man immer Krawatte und Jackett tragen. Die Klimatisierten Büros sind meist sehr kühl. Damit ich keine Erkältung bekam, habe ich als Glatzenträger fast immer eine Kappe getragen. Das wird akzeptiert. Business-Karten in Englisch und Arabisch sind selbstverständlich. Da ausländische Namen für Araber schwer auszusprechen sind hängen sie einfach den Ländernamen dran. So wurde ich zu Khal al many – Karl aus Deutschland.
Natürlich sollte man ein Gastgeschenk mitbringen. Es muss keine Kuckucksuhr sein, Konfekt oder ein Fußballtrikot tut es auch. Irgendein Spielzeug für Kinder kommt auch immer gut an. Nie etwas für die Frau(en). Für ein Geschenk wird sich nicht bedankt, es wird auch nicht geöffnet. Wenn man betont dass es nicht nötig wäre heißt es dass es akzeptiert wird. Also nicht mit zurücknehmen. Betont ein Araber z.B. dass er etwas was man hat „sehr schön“ findet, heißt das im Allgemeinen, dass er es haben möchte. Andererseits halten sie sich zurück etwas schön zu finden und das vor ihrem Gastgeber zu äußern. Er fühlt sich dann verpflichtet es ihnen zu schenken.
Beim Essen wird mit der rechten Hand gegessen. Dabei kann Brot als Ersatzlöffel dienen. Für ausländische Besucher steht oft ein Besteck zur Verfügung. Die rechte Hand ist die „reine“ Hand.
Die linke wird für die Toilette benutzt. In Hotels und Wohnanlagen für „Westler“ gibt s aber auch Toilettenpapier, das aber nicht mit dem WC gespült wird. Hierfür gibt es dann einen separaten Behälter. Die Mehrzahl der Weltbevölkerung benutzt kein Toilettenpapier. In Hotels und Gästehäusern benutzt man falls vorhanden ein Bidet oder einen Schlauch mit einer Dusche. Manchmal steht auch eine Art Gießkanne bereit, die man gegebenenfalls mit Wasser füllen muß. In der Wüste nimmt man eine Wasserflasche und geht in das Gelände.
Oft werden Mahlzeiten auf dem Boden oder einem Kissen sitzend eingenommen. Vor jedem Essen, aber auch sonst bei jeder sich bietenden Gelegenheit, gibt es die traditionelle Tee- oder Kaffeerunde. Sie zieht sich in der Regel über drei Tassen hin. Wer nichts mehr zu trinken wünscht, schwenkt seine Tasse oder das Glas hin und her. Dies ist für das Personal das Zeichen, dass nicht nachgeschenkt werden soll. Der Tee ist sehr Empfehlenswert, der Kaffee hat mit unserem Kaffee nichts gemein. Wasserpfeifen (Schischas oder auch Habbeli-babbeli genannt) werden selten geraucht.
Während des RAMADAN sollten auch Besucher nicht in der Öffentlichkeit essen, trinken oder rauchen.
Nach dem Ramadan wird Eid Al- Fitr, das Fastenbrechen gefeiert, zu dem man „Eid Mubarak“ – Gesegnetes Fest wünscht, Karten verschickt und man besucht die Familie. Eid Al-Adha ist der größte Feiertag (das Opferfest) und wird zum Höhepunkt der Pilgerfahrt nach Mekka gefeiert.
Zeigen Sie Gesprächspartnern niemals die Fußsohlen, dies gilt als Beleidigung. Wenn Sie auf einem Kissen oder auf dem Boden sitz man am besten im Schneidersitz.
Nehmen sie sich Zeit. Ungeduld stößt auf großes Unverständnis. Nur Sklaven müssen hetzen. Drängen Sie daher niemals auf eine schnelle Entscheidung. Andererseits muss man als Ausländer immer pünktlich sein, darf das aber von seinem Gegenüber nicht erwarten.
Ein scherzhaftes Bonmot sagt das Arabien von I B M regiert wird.
I wie Inschallah – So Gott will; B wie Bukra – Morgen; M wie Malisch – Egal oder M wie Mumkin – vielleicht.
Die Araber sind höflich und sagen nie direkt nein. Sie umschreiben lieber und sagen dann: Mumkin Bukra Inschallah.
Eine andere Sache ist das ein Araber nie etwas falsch macht, nie lügt und immer andere Schuld an der Situation oder am dem Fehler sind. So wird schon mal so mancher Office Boy der die eigentliche Arbeit macht entlassen, wenn etwas schief gelaufen ist.
Als Chef (Mudir) darf man in der Öffentlichkeit niemanden zurechtweisen. Man bestellt die Person in sein Büro um unter vier Augen zu kritisieren.
Der größte Affront ist, wenn man jemanden mit einem Schuh bewirft oder als Hund bezeichnet.
Man kann also viel „falsch“ machen und „Tabus“ brechen.
Endlich zur Kamelmilch – Al Hamdullillah (Gott sei Dank)
Meine Einladung zum Kamelmilch trinken kam spontan. Mindestens einmal pro Woche wurde ich von unserem Imam Sohaim Al-Dossary zum Tee trinken eingeladen. Sohaim hatte auch in den USA studiert und konnte wie viele Saudis sehr gut englisch sprechen. Bei diesen Tee-Zeremonien wird nach der allgemeinen Begrüßung viel Philosophiert und über Gott und die Welt geredet. Als wichtigste Person sitzt man rechts neben dem Gastgeber und wird bewirtet. Diese Riten sind den Arabern sehr wichtig. An dem Tag als ich die Fotos machen durfte (März 2001) hatte ich als weiteren Gast einen Programmierer aus Oslo mit zu besuch. So hatte er auch die einmalige Gelegenheit die rohe, warme, fetthaltige, schaumige, cremige, süsse Kamelmilch zu probieren.
Nachtrag:
2001 konnte ich im Königreich von Saudi Arabien noch ziemlich frei herumreisen. Ab dem 11. September wurde aber alles anders. Als ich 2004 einer kurzen Einladung gefolgt war gab es überall Check-Points und Kontrollstellen. Trotzdem wurde am 29.Mai 2004 in Al Khobar das Petrol Center in dem auch unsere Firma sich befindet sowie ein Wohnkomplex für Ausländische Familien überfallen, wobei nach einer Geiselname mindestens 22 Menschen getötet wurden. Die Geiselname und Befreiung war „life“ im örtlichen Fernsehen zu sehen. Als ich zu Hause anrief, dass mir nichts passiert sei und dass man sich keine Sorgen machen solle, wusste man in Deutschland noch von nichts. Die Meldungen kamen erst später. Der Barrel Preis des Ölmarktes stieg aber sofort um 10 US $. Die Börse ist da immer schneller.
Zu unserem Schutz beorderte die Königsfamilie dann ihre Leibgarde die „Mudschahedin“ in unser Camp. Diese Garde hat das Recht jeden Menschen ohne Vorwarnung zu erschießen ohne Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.
Zusätzlich wurde um unser Camp ein hohes Mauersystem mit Stacheldraht errichtet. Man hat sich dann wieder richtig sicher gefühlt.
Trotzdem bin ich danach sofort wieder glücklich nach Hause abgereist.
Weitere und aktuelle Visa Informationen zum Königreich von Saudi Arabien unter: http://www.visumexpress.de/laenderinfos/saudi-arab...
http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinf...
Bürgerreporter:in:Karl-Heinz Mücke aus Pattensen |
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