Burgen und Schlösser in der Region Hannover (Teil 6) - In Pattensen liegt die Wiege des Landes Niedersachsen
Eines der Gebiete, aus denen Niedersachsen zusammen gewachsen ist, war das Land Hannover. Das Land in republikanischer Form existierte nur für kurze Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seit 1866 und dem von Preußen angezettelten deutsch-deutschen Krieg gegen Österreich wurde es zu einer preußischen Provinz, davor bildete es ein eigenständiges Königreich. Ursprung dieses Königreiches war das Herzogtum Calenberg. Und dessen Wiege liegt im Stadtgebiet des heutigen Pattensen: Die Burg Calenberg. Aber die Stadt hat noch eine Reihe weiterer Herrensitze aufzuweisen, darunter das berühmte Schloss Marienburg auf dem Schulenburger Berg. Hier wollen wir unseren Rundgang durch die Stadt beginnen.
Oft sprechen die Menschen von der Marienburg bei Nordstemmen. Okay, von dem Ort ist das Schloss gut zu sehen. Etwa der Standpunkt auf der Leinebrücke bietet ein tolles Fotomotiv auf das Welfenschloss. Politisch gehört Berg und Schloss aber zum Pattensenser Ortsteil Schulenburg.
Der letzte König von Hannover – Georg V. – ließ das Schloss Marienburg für seine Ehefrau Marie in den Jahren 1858 bis 1867 erbauen. Die Kosten bestritt er aus seiner Privatschatulle. Deshalb blieb die Anlage auch nach der preußischen Annexion im Eigentum der Welfen. Als Architekt wirkte der berühmte Baumeister C.W. Hase. Seine Pläne wurden nie vollständig ausgeführt. Hannover hatte sich im deutsch-deutschen Krieg auf die falsche Seite gestellt und der hannoversche König musste nach Österreich (das Bismarck damals aus Deutschland hinaus warf) fliehen. Gleichwohl ist der romantisierende Nachbau einer Ritterburg eines der schönsten Sehenswürdigkeiten in der Region Hannover. Der Schlosshof wird durch zwei Tore mit Rundtürmen betreten, im Süd, West- und dem Ostflügel der neugotischen Anlage liegen die Repräsentationsräume der Welfen, im Nordflügel sind Zimmer für Gäste und Personal vorhanden. Beherrscht wird das Schloss von dem mächtigen Donjon. Der Begriff Donjon kommt aus Frankreich und bezeichnet den Wohn- und Wehrturm einer mittelalterlichen Burg. Es stammt aus dem Lateinischen von „dominus“, was Herr bedeutet, denn der Donjon wurde vornehmlich vom Burgherrn bewohnt. Der englische Begriff Dungeon geht übrigens auch auf die französische Bezeichnung zurück, allerdings verschob sich hier die Bedeutung später auf „Kerker“. Ein Kerker ist der Donjon der Marienburg nicht, vielmehr beherbergt er das Treppenhaus. Überragt wird der Donjon noch vom hohen achteckigen Aussichtsturm.
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Die Besichtigung der Innenräume von Schloss Marienburg ist nur im Rahmen einer Schlossführung möglich.
Hinweise zu Öffnungszeiten finden Sie immer aktuell auf Homepage des Schlosses: www.schloss-marienburg.de.
Turmaufstieg: Saisonbeginn bis Ende Oktober, mehrmals täglich von 11:00 - 17:00 Uhr.
Eintrittspreise:
Erwachsene: 6,50 €
Jugendliche 13 bis 16 Jahre: 5,50 €
Kinder 7 bis 12 Jahre: 4,50 €
Kinder 4 bis 6 Jahre: 3,50 €
Kinder bis 3 Jahre: frei
Ermäßigte Eintrittspreise werden behinderten Gästen bei Vorlage eines entsprechenden Behindertenausweises gewährt.
In der Schlosskapelle können auch Trauungen durchgeführt werden.
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Die Marienburg war nicht die erste Burg, die hier auf dem Schulenburger Berg stand. Hase errichtete den Nachbau inmitten eines noch heute beeindruckenden Erdwalls, der auch Schulenburg oder Sachsenwall genannt wird. Mächtige Erdwälle und Grabenanlagen sind davon heute noch erhalten. Nachrichten von dieser Wallburg sind nicht bekannt. Vermutlich enstand die Anlage schon in der Eisenzeit, wurde wohl aber auch noch im frühen Mittelalter genutzt.
Der Bergzug bei Schulenburg dürfte daneben die Reste einer dritten Burg beherbergen. Auf der höher gelegenen Nordwestkuppe wurden schon im 19. Jahrhundert Reste eines mittelalterlichen Rundturmes entdeckt sowie auf 125 Meter Länge Wall- und Grabenreste. In spätmittelalterlichen Quellen des Jahres 1458 wird hier eine Burg Ordenberg genannt. Die Burgstelle lag in dieser Zeit jedoch bereits wüst. Im 12. und 13. Jahrhundert ist aber noch ein Adelsgeschlecht von Ordenberg bezeugt. Der heimatkundliche Autor Kreipe ordnet die Burg den Herren von Adenoys zu, verlegt die Hauptburg allerdings in den vorgeschichtlichen Ringwall, dort, wo heute die Marienburg steht.
Am Fuß des Schulenburger Berges gegenüber der Ortschaft Schulenburg liegt Calenberg. Diese Festung gab dem gesamten Gebiet zwischen Deister und Leine seinen Namen. Als erste Burg entstand hier wohl um 1292 eine dreigeschossige Turmburg. Bis 1350 ergänzte man diese Anlage um einen Westflügel und einen Torturm. 1364 ging die Anlage von der Familie von Saldern in den Besitz der Welfen über und wurde Vogteisitz. Der alte Burgherr hatte auf das falsche Pferd gesetzt und heimlich mit dem Bischof in Hildesheim paktiert. Anfang des 16. Jahrhunderts lies Herzog Erich I. das feste Schloss zu einer modernen Festung ausbauen. Der acht Meter hohe Hauptwall schütze damals auch noch gegen Kanonenkugeln. Die Burg hielt in der Hildesheimer Stiftsfehde und im Verlauf des 30jährigen Krieges mehrere Belagerungen stand, am 22. Oktober 1625 fiel es jedoch an Tilly. Das Schloss verfiel in der Folge. Es handelte sich bei dem Bau um ein zweistöckiges Fachwerkhaus mit zwei jeweils einstöckigen Seitenflügeln. Ab 1690 wurde dann das Gemäuer abgebrochen, so dass heute nur noch wenige Wälle und Mauerreste zu sehen sind.
Bedingt durch die Baufälligkeit von Calenberg gründeten die Landesherren in Schulenburg selbst einen Gutshof, der auch Neues Calenberg genannt wurde und bis 1817 als Amtssitz diente. Dieser Gutshof war bis vor kurzem – ebenso wie die Marienburg noch heute – im Privatbesitz der Welfen, ab und zu residierte hier Ernst-August von Hannover mit seiner Caroline. Mit dem Gut in Zusammenhang steht das Amtshaus in der Hauptstraße 61. Es war nicht nur seit 1750 Dienstwohnung des Amtmannes, sondern das zweigeschossige Fachwerkhaus diente zeitweilig auch als Jagdschlösschen der Landesherren.
In dem Artikel von Spanuth in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 14. Mai 1936 wird eine Wallburg direkt im Dorf Schulenburg erwähnt, von der seinerzeit noch einige Wälle erhalten geblieben sein sollten, ein Teil aber bereits dem neuen Friedhof zum Opfer gefallen war. Es gibt jedoch auch die Auffassung, bei den von Spanuth beschriebenen Befestigungen habe es sich nur um Reste einer mittelalterlichen Ortsbefestigung oder Landwehr gehandelt.
Gleich drei Burgen standen auf dem Gebiet des einstigen Dorfes Koldingen, heute ebenfalls ein Ortsteil von Pattensen. Der Ort entstand nahe einer Leinefurt. Die strategische Lage führte zum Bau der Burg Koldingen, die am Ende des heutigen Drosteiweges lag. Die Anlage entstand wahrscheinlich um 1230, als die Brüder von Reden auch im gleichnamigen benachbarten Ort eine Befestigung errichteten. Jedenfalls wurde nach der Quellenlage 1341 an der Burg weiter gebaut. Jahre später verloren die Welfen, sie waren die Herren von Koldingen, die Burg an die Hildesheimer Bischöfe. Diese bauten die Befestigung weiter aus. Im Verlauf der Hildesheimer Stiftsfehde zwischen dem Bischof von Hildesheim und den Welfen wurde das Schloss zerstört. Die ehemalige Burg Koldingen war wohl ursprünglich eine Flachmotte gewesen. Wurde zunächst noch von einigen erhaltenen Grundmauern berichtet, so ist heute nur noch der teilweise überbaute Burghügel auszumachen.
Als die Hildesheimer Bischöfe über Koldingen herrschten, ließen sie auf einer Anhöhe eine weitere Burg errichten, die „oberste borch“. Auch diese Anlage wurde in der Stiftsfehde zerstört. An ihrer Stelle errichteten die Welfen, die sich wieder in den Besitz des Ortes bringen konnten, im Renaissancestil 1593 das heute noch existierende Amtshaus.
Von der dritten Anlage erzählte lange Zeit nur eine Sage. In der Leinemasch zwischen Koldingen und Grasdorf sollte danach ein Schloss gestanden haben, was wegen diverser Untaten seiner Bewohner unterging. Ein Heimatforscher aus Laatzen (Helmut Flohr) glaubte an den Kern der Legende und grub tatsächlich die Reste einer Burg aus.
Die Anlage liegt an der Grenze zwischen Koldingen und Laatzen-Grasdorf im Wassergewinnungsgelände in der Leinemasch. Nur schwach zeichnet sich hier der Burghügel der Retburg im Gelände ab. Wahrscheinlich legten die Bischöfe von Hildesheim die Befestigung an. Aufgrund eines Vertrages zwischen den Bischof und den Herzog von Braunschweig wurde die Anlage 1342 geschliffen. Der Name Retburg ging nun auf eine Anlage in Sarstedt über. Grabungen haben ergeben, dass es sich bei der ursprünglichen Retburg in der Leinemasch um eine Turmhügelburg, eine sogenannte Motte, gehandelt hat. Eine vollständige Freilegung der erhaltenen Turmfudamente und deren Sicherung sowie die Wiederherstellung der noch im Gelände erkennbaren Gräben und Wälle wären sehr wünschenswert.
Das Nachbardorf von Koldingen ist Reden. Seit dem Bau der ersten Burg, aus der das heutige Gut in Reden hervorgegangen ist, befindet sich der Besitz im Eigentum der Familie von Reden. Im Gutspark sind noch heute die Reste dieser kleinen Wasserburg zu sehen, die einst eine wesentliche Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen den Bischöfen von Hildesheim und Minden, den Grafen von Hallermund und den Welfen spielte. Erhalten ist ein Rest eines Turmes, dessen Zugang, der sogenannte „Eiskeller“, vermauert ist. Die Fundamente weisen ihn als etwa 8 Meter durchmessenden Bau aus. Im nahen Teich soll es ebenfalls Mauerreste geben. Die erste Burg entstand wohl um 1230, damals noch in Holzbauweise. Außerdem steht das Herrenhaus des Gutes noch auf alten Kellergewölben der Burg. Das heutige Herrenhaus selbst wurde aber erst in den Jahren 1800 bis 1804 erbaut.
Die Kernstadt von Pattensen entstand aus einer Burg und den umliegenden Burgmannshöfen. Wann genau die Burg erbaut wurde, ist nicht mehr feststellbar. Vermutlich gründeten die Grafen von Hallermund die Anlage. In der Hildesheimer Stiftsfehde brannten Stadt und Burg ab, Herzog Heinrich von Calenberg lies die Feste mit einem achteckigen Burgfried und die Stadt neu erbauen. Doch schon 1620 wandelte der Landesherr die Burg in ein Dominalgut um. Erhalten ist davon das 1849 erbaute Pächterhaus, welches heute auf dem teilweise abgetragenen Burgberg thront und als Rathaus fungiert. Daneben ist noch eine alte Inschriftentafel erhalten, die an Herzog Erich den Älteren erinnert.
Außerdem gibt es in Pattensen einige Herrenhäuser früherer Güter: das 1820 entstandene Herrenhaus an der Mauernstraße 12 und das aus dem späten 18. Jahrhundert stammende Haus Hofstraße 8.
Über zwei weiteren Ortschaften der Stadt wird ebenfalls von früheren Burganlagen berichtet, die aber längst den Weg allen Zeitlichen gegangen sind.
Das Dorf Hüpede entstand im Schutz einer Wasserburg. Diese Anlage, die an der Landwehr eine Furt durch den Hüpeder Bach sicherte, wurde im Laufe der Hildesheimer Stifsfehde (1519 bis 1523) zerstört. An Stelle des festen Schlosses entstand etwa um 1800 ein Fachwerkherrenhaus, das bis zuletzt noch von einem Wassergraben umgeben war. Eine steinerne Brücke erschloss den Gutshof. Leider zeigten sich die Pattenser wenig einfühlsam mit ihren historischen Kostbarkeiten. In den 70iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts musste das Gutsgebäude neuer Bebauung weichen.
Nachrichten von einer Burganlage erreichen uns ebenfalls aus Jeinsen. Nach Kober stand an der Stelle der heutigen Kirche einst ein um 800 errichteter Herrensitz, der gegen 1100 zerstört wurde. Bei Bau einer früheren Kirche sollen Steine dieser Burg verwendet worden sein. Aber auch das Rittergut im Huxhole 1 war ursprünglich von einem Wassergraben umgeben, was auf eine frühere wasserburgähnliche Anlage an dieser Stelle hindeutet. Das Herrenhaus des Gutes muss in der Zeit um 1800 erbaut worden sein.
Unser nächstes Ziel ist nun Springe: Ein Jagdschloss, Reste von Höhenburgen, Wallanlagen und die für den Westteil des ehemaligen Landkreises so typischen kleinen Wasserburgen: all dies ist hier zu finden.
Gliederung:
01. Einleitung / Literaturverzeichnis - 30.10.11
02. Burgen im Stadtgebiet von Hannover - 04.11.2011
03. Schlösser der Stadt Hannover – 13.11.2011
04. Burgen und Herrensitze in Hemmingen – 24.11.2011
05: Herrensitze in Laatzen – 15.12.2011
06. Schlösser und Burgen der Stadt Pattensen –
02.01.2012
07. Springe – Waldspaziergang mit Burgresten – in Vor-
bereitung
Danke für die Auskunft. Meine Großeltern lebten ab 1945 in Wittenburg und wir aus Elze liefen jeden Sonntag, durch die Felder, um sie zu besuchen,
Dabei lernte ich den kargen Mergelhügel hinter der Kirche und dem Wald mit seinen vielen Himmelschlüsselchen gut kennen. Von Burgresten Und Burggraben war
leider schon damals nichts zu erkennen.
Katja, ich glaube, in der Domäne Poppenburg, hat es so etwas schon mal gegeben.