Autismus ist verstehbar
Sie kennen Sheldon aus The Big Bang Theory? Amüsieren sich jedes Mal über seine Sprüche und seine Art mit allem umzugehen? Dann lachen sie über einen Menschen, der ihnen im realen Alltag fern von Funk & Fernsehen als Autist begegnen würde. Würden sie dies erkennen und immer noch lachen, wenn sie um seine Problematik wüssten oder würden sie dann sagen : ” Der arme Kerl!” Vielleicht kommt es auf ihre persönliche Reife an, wie sie damit umgehen können, denn einen Autisten zu erkennen und dann auch noch zu begreifen, ihn im Alltag zu händeln ist nicht so amüsant und einfach wie uns die TV Serie vorspielt. Ob er wirklich arm ist oder im Grunde reicher als wir Nicht Autisten sei dahingestellt, denn ihm erschließen sich die Dinge manchmal anders als uns.
Zunächst einmal gibt es mehrere Erscheinungsformen dieser Beeinträchtigung, die in den Bereich der Behinderungen gehört. Autisten können mitunter wahre Genies auf einem Gebiet sein, so auch zu sehen im Film “Rain Man”, wo Dustin Hoffman ein autistisches Mathegenie verkörpert. Doch gibt es auch die andere Seite der Medaille, die wo der Autist zu selbstverletzendem Verhalten neigt, die wo Provokation zu Wut und Verzweiflung führt. Er fühlt sich in die Enge getrieben und versucht sich durch Agression zu befreien. Meist sind Gegenstände Ziel seines Frustabbaus. Jedoch kann es auch schon mal zu körperlichen Angriffen kommen. Manchmal ist es einfach die fehlende Kommunikation, denn wenn einem die richtigen Worte fehlen agiert man mit Taten. Vielleicht nehmen wir uns einfach zu wenig Zeit um dem Autisten zuzuhören? Autismus ist verstehbar, wenn man will!
So habe ich denn in meiner Zeit als Begleitung für behinderte Menschen einige Autisten kennengelernt und ihre Eigenarten studieren können. Vor allem eines konnte ich daraus lernen, sie sind nicht berechenbar. Von großer Freude bis tiefer Traurigkeit kann ihre Laune im Minutentakt umschlagen und dies ist meist eine Reaktion auf ihre Umwelt. Was sie brauchen ist vor allem Ruhe und Harmonie. Trotzdem kann es gelingen sie in den Alltag zu integrieren. Damit landen wir bei der Bildungspolitik und ihrer Folgen. Zur Zeit werden viele Förderschulen geschlossen, Inklusion ist das Stichwort dem sich die Hoffnungen vieler Eltern mit behinderten Kindern entgegenstrecken. So auch der Eltern mit Autisten. Der Grundgedanke zur Inklusion ist gut, eines sollte aber nicht vergessen werden, nicht alle Kinder lassen sich mit so minimalistischem Aufwand beschulen. Gerade Autisten fallen da durchs Raster. Denn auf der einen Seite sind sie oftmals normal intelligent und auf der anderen Seite vertonen sie plötzlich Auffälligkeiten die es einer Regelschule schwer machen diese zu akzeptieren und zu tolerieren. Zu diesem Zweck gibt es die Förderschulen, die eigentlich genau damit klar kommen sollten, doch oftmals ist auch dort eine Grenze, wenn z.B das Lehrpersonal überfordert ist, wenn die Klassengrößen zu hoch sind, wenn man Schulbegleitungen einsparen möchte usw..
Hier beginnt die Geschichte von Bennet, einem Autisten aus Niedersachsen.
Bennet ist ein dreizehn Jahre alter Junge mit einer Autismus-Spektrum-Störung und ADHS. Ein sehr familienbezogener Mensch, der auf andere und Fremde eher distanzlos wirkt.
Eigentlich geht Bennet auf eine “Förderschule Lernen” in Klasse 7.
Er bringt in Mathe und allen anderen Fächern gute Leistungen. Lediglich in Deutsch und Englisch tut er sich schwer, da er eine Lese-Rechtschreibschwäche hat. Trotzdem gelingen ihm auch darin passable Leistungen. Bennet ist normal intelligent, möchte gerne etwas lernen und möchte sich auch gerne mehr Wissen aneignen. Etwas was wir ja auch bei Sheldon im TV beobachten können, doch hier geht es um Realität und nicht um Fiktion.
Ferien sind für Bennet nicht schön, sie langweilen ihn, denn sein Wissensdurst ist groß. Er geht gerne in die Schule und sucht den Kontakt zu seinen Mitschülern. Vielleicht ist dies der Grund warum er auch Klassensprecher war. Trotzdem hat Bennet Schwierigkeiten in der Interaktion mit anderen Menschen, dabei benötigt er Hilfe. Diese sollte eigentlich seine persönliche Schulassistenz gewährleisten, wo man bereits überlegt hatte ob diese noch notwendig sei. Bennets Entwicklung lief gut, dennoch kam es in der Schule zu zwei typischen Overloads bei Autisten, wenn man sie zu sehr reizt und in die Enge treibt. Einer dieser unschönen Reaktionen auf hohem Stressniveau richteten sich gegen seine Klassenlehrerin, die bis dato immer sagte: “Bennet ist das kleinste Probleme in meiner Klasse!” Die Schulassistenz kam an dem Tag zu spät zur Schule und auch hier kann man sicher von einem Fehler sprechen, denn wenn man um die besondere Art eines Schülers weiß, sollte man darauf gerade an einer Förderschule auch eingehen können. Doch das Land Niedersachsen stellt für diese Schulen kein Fachpersonal zur Verfügung und auch Bennets Schule wird in einigen Jahren geschlossen werden.
Die Schule leistet an für sich gute Arbeit, doch hat man scheinbar versäumt sich die angebotene Unterstützung des Autismus Zentrums anzueignen. Bennet benötigt ein ruhiges Lernumfeld, dieses ist aber durch zahlreiche Neuzugänge nicht mehr gegeben und Bennet musste sich daran gewöhnen. Im weitesten Sinne ist ihm auch dies gelungen. Die Klasse betrieb im letzten Schuljahr viel Gewaltprävention, etwas was für Bennet eine tägliche Herausforderung darstellte. Auch hier zeigte er gute Ergebnisse im Gesamtbild. Trotzdem ist es für Bennet nicht so wie bei vielen Kindern, diese können aus der Situation herausgehen, ihre Meinung kundtun, ehe Bennet soweit ist sich dahingehend verständlich zu machen ist die Situation meist schon eskaliert, denn es wird ihm nicht die Zeit dazu gegeben. Hier ist dann die Schulassistenz gefordert, die dann eingreifen sollte wenn Überforderung eintritt.
Im häuslichen Bereich ist Bennet absolut unauffällig. Er liebt seinen kleinen Bruder, geht mit diesem sehr umsichtig um und erfüllt seine Pflichten wie jeder andere in seinem Alter. Tiere begleiten seinen Alltag ebenso wie das gelebte familiäre Miteinander, in dem Bennet hilfreich und freudig mitwirkt. Selbst habe ich Bennet als großen Bruder auf einem Spielplatz beobachten können und stellte fest, er ist sehr bemüht und liebevoll zu dem wesentlich jüngeren Bruder und auch mit einem anwesenden Säugling konnte er sich gut beschäftigen. Er ist höflich und neugierig auf seine Umwelt und trotz seiner Sprachschwierigkeiten nicht unkommunikativ. Er sucht Kontakt und möchte gerne am Alltag in all seinen Facetten teilhaben. Vor allem ist er sehr sozial und ein Familienmensch. Man bemerkt die Förderung die er durch sein häusliches Umfeld bekommt sehr gut.
Nun hat er durch eine Handgreiflichkeit mit einem Mitschüler, die nicht einmal durch ihn begonnen wurde, denn er wurde durch andere manipuliert und erst dahin getrieben, einen Schulverweis bekommen. Dies geschieht manchmal an Schulen und dient auch als erzieherische Maßnahme um den Schülern zu zeigen das ihr Weg nicht der richtige Weg ist. Soweit gut und auch nicht unbedingt diskutabel. Aber wenn die Schule bereits verlauten lässt ihn auszuschulen, dann wird es zum Punkt öffentlichen Interesses. Wir haben in Deutschland Schulpflicht und wollen doch ach so sozial sein, helfen wo wir können und lassen unsere Autisten auf der Strecke? An einer Förderschule? Bennet würde bei Ausschulung an dieser Schule keine guten Perspektiven haben, denn die nächste Förderschule wäre viel zu weit weg. Behinderte dürfen laut Gesetz auch nur eine bestimmte Minutenzahl durchs Land transportiert werden um zu ihren jeweiligen Arbeitsstätten oder Schulen zu kommen. Aber eine gute Zukunft hat er auch an dieser Schule nicht. Was also tun? Seine Familie ist ratlos und möchte einfach einmal die fehlenden Möglichkeiten für Autisten aufzeigen. Wenn Bennet nämlich diese Schule verlassen muss, welche wäre dann für ihn zuständig? Würde er auf eine normale Regelschule kommen? Dort wo die Klassengrößen absolut untragbar wären? Ein Autist der sich wieder einmal umgewöhnen muss, der womöglich lange Fahrzeiten hat, dessen Unterbringung in einem Internat zur Debatte stünde? Auf keinen Fall! Er wäre doppelt entwurzelt. Bennet tut sein Verhalten mittlerweile leid, versteht aber nicht warum er nun unerwünscht ist. Schlussendlich war er nicht alleine verantwortlich.
Wirklich helfen würde eine kompetente Schulassistenz,die sich zu Recht Integrationshelfer nennen dürfen und nicht einfach nur aus fachfremden Menschen bestehen, Fachpersonal welches sich wirklich mit Autismus auskennt, vielleicht sogar Sonderunterricht. Dieser müsste ja nicht zwangsläufig nur Bennet zu Gute kommen, denn in kleinen Gruppen lernt es sich für viele behinderte Schüler besser. Der Raum wäre ja vorhanden und wo ein Wille da ein Weg.
Big Bang Bennet sollte jedenfalls kein Bauernopfer bringen müssen, eher sollte er für die Inklusionswut eine Warnung sein, frei nach dem Motto: “Nicht alle Menschen sind minimal beschulbar!” Nicht jeder Schüler ist mit Inklusion glücklich, selbst wenn man sich im Grunde nichts anderes wünscht als mittendrin im normalen Leben zu sein.
“AUTISMUS IST DAS LEBEN AUS EINER ANDEREN PERSPEKTIVE ZU BETRACHTEN!”
Bürgerreporter:in:Elisabeth van Langen aus Köln |
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