Uroma allein auf großer Reise ´Teil 2

Nur die Mietverträge mit Gina und Nils müssen noch gemacht werden, weil sie etwas kompliziert sind haben wir sie auf die lange Bank geschoben. Bei einer solch weiten Reise wie ich sie nun aber vor mit hatte, denkt man: „Das Flugzeug könnte abstürzen, oder: mit 80 Jahren muss man alles geregelt haben, wer weiß, was alles geschehen könnte. Das sind keine Negativgedanken, das ist Realität.
So. Das alles war erledigt. Auch die Abschiedsküsschen hatte ich hinter mir, als Nils zu mir sagte: „Waltraud lass dein Handy an und ruf mich gleich an, wenn mit der S- Bahn etwas nicht klappt, ich komm sofort.“ ( Nils ist der Freund meiner Enkelin und ein ganz Lieber.
Ich hab mich gekrümmt vor Lachen und sagte zu ihm: „Nils, das wird dir in deinem ganzen Leben nicht passieren. Denn wenn ich schon nicht aus Bieber weg komme, brauche ich die Reise erst gar nicht anzutreten.“ Der arme Nils war ganzverwirrt, als auch noch Gina lachte und sagte: „Da kennst du aber die Oma schlecht“. Sie meinte: „ Irgendwann ist sie weg, und irgendwann ist sie auch wieder da.“
Ich ging in meine Wohnung zurück um die Reisetasche zu packen. Doch ganz abrupt war meine Energie verpulvert und ich beschloss, die Tasche in der Nacht zu packen, weil ich ohnehin nie durchschlief. In der Nacht zuvor hatte ich Bernd, meinen Sohn, um halb vier zum Frankfurter Flughafen gebracht, er wollte eine Woche Urlaub auf Mallorca machen. Doch Sicherheitshalber stellte ich den Wecker. Es war einundzwanzig Uhr und kaum lag ich im Bett, als ich auch schon schlief. Doch schon drei Stunden später erwachte ich erfrischt, Packte die Reisetasche und dachte scharf nach, was ich vergessen haben könnte und kam zu dem Schluss jetzt ist eh alles zu spät, jetzt mag es sein, wie es ist.
Nach getaner Arbeit in die zweite Runde Schlaf und ich war erstaunt als ich ohne Wecker um sechs Uhr wach wurde, eigentlich wollte ich etwas länger schlafen, denn der Tag wird lang genug werden.
Na, gut. - Nils hatte mir die S-Bahn Verbindungen aufgeschrieben, denn der Schienenverkehr ist für mich ein ungewohntes Verkehrsmittel. Ein junges Mädchen half mir am Automaten beim Karten lösen, da sind graue Haare schon recht hilfreich, lach.
Tags zuvor hatte ich mir im Flughafen alles eingeprägt: „Wo kommt die S-Bahn an, wo hab ich meinen Koffer deponiert, wo ist der Schalter“.
Alles schien nicht mehr ganz so groß zu sein wie am Tag zuvor.
Am Schalter angekommen hatte man das Gefühl, 1000 Augen beobachten einen und es dauerte auch nicht lange, als sich mir zwei überaus freundliche junge Männer näherten und die gleichen Fragen wie am Vortag stellten. „ Alles Routine“ denke ich. „ Die Freundlichkeit, die Fragen, das Beobachten.“
„Wann haben Sie ihren Koffer gepackt. Wo haben sie ihn gepackt. Waren Sie allein als der Koffer gepackt wurde. Ist etwas darin was beim durchleuchten wie eine Waffe aussieht“?
Und weil wir am Tag zuvor schon einmal soweit waren und ich als Geschenk einen Keramik Schuh im Koffer hatte welcher einen solchen Eindruck erwecken könnte, hatte ich vorsorglich einen Ausdruck gemacht und ihn mitgebracht. Es interessierte sie jedoch nicht. Oder doch?? Ich glaube kaum.
Denn als ich bei meiner Schwester in den Staaten meinen Koffer öffnete, merkte ich, dass sie alles genau geprüft hatten. Er war nicht mehr so gepackt wie von mir. Zuerst glaubte ich sie würden den Koffer in meinem Beisein im Frankfurt prüfen, erst danach wollte ich die Gurte umlegen damit der Koffer bei den, nun folgenden Strapazen nicht aufsprang, denn abschließen durfte man ihn nicht. Doch als die jungen Männer sich zufrieden von mir abwendeten, war mein Koffer schon weg.
Ein Laufband, ein schwarzes Loch, dann schluckte die große Halle noch alle Geräusche und so schnell konnte man gar nicht gucken, da war er weg. Ich hatte keine Zeit meinem Koffer ohne Sicherheitsgurte nach zu trauern, denn es kamen Andere in schmucker Uniform und ich musste andere Fragen beantworten. Doch irgendwann müssen sie alles gewusst haben was sie wissen wollten und ich konnte gehen.
Ich steuerte auf die Gangway zu welche für mich zuständig war und stellte fest, dass der Flughafen von gestern, als ihn als riesig empfand; und heute früh die, mir bekannten Ecken in welchen ich zu tun hatte übersichtlich erschienen, eine Täuschung war.
Die Gänge wollten kein Ende nehmen. Endlich in der richtigen Ecke angekommen, begann das große Warten.
Alles hat seine Zeit und alles hat seine Ordnung.
Dann, nach schier endlosem Warten kam Leben in unsere Ecke. Es wurde eingecheckt.
Jeder kam dran, um sich auseinander nehmen zu lassen. Flache Plastikschüsseln standen bereit um alles hinein zu tun. Laptop einzeln rein, Schuhe ausziehen und in eine extra Schüssel und alles verschwand hinter flexiblen Gummilappen und kam hinten wieder raus.
Dann musste man sich auf einen ganz bestimmten Platz stellen und wenn es piepte, musste man noch mehr ausziehen.
Ich hatte eigentlich nichts mehr was ich hätte ausziehen können, das mit dem TEP (ein künstliches Hüftgelenk) glaubten sie mir, da kam die Gute auf die Idee, das es an dem Brustbeutel liegen könnte. Dafür müssten wir aber in eine Kabine gehen, aber sie darf nicht mit mir allein in einer Kabine sein, sie müsse eine zweite weibliche Person holen. Jede meiner Bewegungen hatten sie scharf im Blick. Ich musste schmunzeln. Ich durfte die Bluse lupfen, ein Blick auf den Brustbeutel mit seinem Druckknopf beruhigte sie und durfte wieder zu den Anderen. Alles wieder zusammen gesammelt, die Schuhe angezogen, auch diese Hürde war überstanden.
Es ist erstaunlich wie sie es schaffen, über künstlich abgesperrte Gänge mit flexiblen Pfosten und Absperrseilen Ordnung und Übersicht in die Menschenmassen zu bringen. Wie die Schafe fügte sich ein Jeder und gelangte so in das Flugzeug und zu seinen Platz.
Ein verstohlener Blick auf den Platz daneben wurde riskiert, denn schließlich verbrachte man knappe neun Stunden nebeneiander was nicht so einfach ist, wenn einer Knoblauch liebt.
Ich war zufrieden. Er hatte eine dunkle Hautfarbe und brauchte nicht den Platz für zwei. Und brauchte ich etwas aus meiner Tasche oben aus dem Stauraum, war er behilflich.
Um elf Uhr ging es in die Luft und mir fehlte das übliche mulmige Gefühl welches sich sonst immer einstellte, wenn der steile Aufstieg begann. Ich wunderte mich über mich und dachte: „ Eine Ruhe hast Du heute, was ist denn mit dir Los? So kenne ich dich nicht.“
Es ist erstaunlich. Nun ist man so alt und findet an sich Wesenszüge welche einem vollkommen fremd sind. Früher hätte ich sämtliche ‚Antennen‘ ausgefahren, um für jede Situation gewappnet zu sein.
Ich muss grinsen bei dem Gedanken und hoffe, es beobachtet mich keiner. In meinem Alter muss man aufpassen, denn kann es falsch gedeutet werden.
Ja, wie ist das nun liebe Waltraud. Wann kennst du dich endlich selbst genau? Und wird das je sein?? Oh oh,…pass auf, das nimmt noch ein schlimmes Ende mit dir. Und ich muss lachen. Ich halte die Hand vor den Mund. Es darf niemand merken dass man mit sich selbst philosophiert und über sich selbst lacht. Ich schließe die Augen, döse ein wenig und warte.
Warten auf was? Warten das einer den Gang entlang läuft? Das die neun Stunden vergehen in denen man auf einem Platz festgenagelt ist und sich nicht bewegen kann? Da können neun Stunden zu einer Ewigkeit werden.
Nun, ich werde das Mittagessen abwarten und dann eine halbe Schlaftablette nehmen um ausgeruht zu sein, wenn es nötig ist. Nach neun Stunden ist Umsteigen in Washington angesagt, und als ich mal auf die Toilette ging stellte ich fest, dass alle so schlau waren wie ich.
So vergingen die Stunden und ich war wirklich einigermaßen fit als es ans Aussteigen ging. Es hieß wir müssten unsere Koffer abholen und durch selbst durch den Zoll bringen, dann wanderte er doch automatisch in das Umsteigeflugzeug.
Alles klappte ganz gut. Die Kreuzchen auf dem Zettel, den man im Flugzeug ausfüllen musste, waren anscheinend alle auf dem richtigen Platz und nun nur noch zur Personenkontrolle.
Und da hatte ich mein Problem. Es Piepte bei mir und piepte und piepte. Ich zeigte auf mein Hüfte und sagte: „ TEP“ Sie wiederholten „TEP“ und nickten. Ich musste den Brustbeutel und die Bauchbinde mit all meinem Bargeld in eine Kiste und auf Band legen, alles verschwand hinter diesen Gummilaschen. Es waren helle Stellen in Form von Füßen auf dem dunklen Teppichboden, genau da musste ich mich drauf stellen und die Arme seitlich von mir strecken. Eine fixierte mich, eine zweite tastete mich ab vor allen Leuten ab. Und wieder war ich die Ruhe selbst musste sogar schmunzeln und dachte: „ Sucht nur“, denn wir hatten viel Zeit zum Umsteigen. Nur als sie mir dabei in aller Öffentlichkeit schon fast die Hose vom Leib gezogen hätten wurde es mir zu bunt und ich wagte eine Hand runter zu nehmen zog sie wieder hoch.
Ein freundlicher Mitreisender brachte alle meine Sachen zu mir und ich war froh als ich meine sorgsam am Leib verborgenen Barschaften wieder im Blickfeld hatte.
Sie fanden nichts, denn es war nichts zu finden. Nun stand ich allein in dem Raum, alle Mitreisenden waren verschwunden. Und nachdem ich alles wieder am Leib hatte fraget ich die zwei Frauen welche mich auseinander genommen hatten nach dem Weg und sie zeigten auf eine Rolltreppe, welche nach oben ging.
Und ich fragte mich: „ Liebe Waltraud, warum regst du dich nicht auf“? Das ist nicht normal!“
Oben am Ende der Rolltreppe gab es wirklich nur einen Weg. Ein unglaubliches System bei so viel Raum und ich stand am Eingang zum Flug ‚Kansas City‘
Natürlich wurde ich wieder gefragt wo genau ich hin wolle. „Zu meiner Schwester“ „Wo wohnt die Schwester“?
„ Das steht auf dem Visa“
„Da steht keine Telefon Nummer drauf, wie ist die Nummer?“
„ Ich werde abgeholt“
Dann erst sahen sie auf ihrer Liste nach und sagten verwundert: „ Sie steht tatsächlich drauf“ und fragten sicherheitshalber noch nach meinem Vornamen. Da er für sie unaussprechlich war musste ich ihn langsam vorsagen und verfolgten meine Aussprache mit den Buchstaben auf dem Ticket.
„ Siehst du“ denke ich, „ich bin doch richtig“! Schon wollte ich siegesbewusst gehen da merkte ich, dass der junge Mann meinen Pass noch in der Hand hielt. Ich zeigte drauf bekam ihn mit vielen Entschuldigungen zurück. Ich sah zwar, dass er noch einen weißen Din A 4 Bogen in der Hand hatte, weil es jedoch die Rückseite war, erkannte ich nicht, dass mein Visum ist. Zum Glück hatte ich mir zuhause zwei Kopien gemacht.
Sie nickten also und ließen mich durch und ich fragte mich wieder: „ Waltraud du Nervenzippel, du müsstest schon im Quadrat springen, dein Verhalten ist nicht normal“!!
Alle saßen schon drin, es war mittlerweile fünfzehn Minuten bis zum Abflug. Ein und eine halbe Stunde Zeit hatte ich zum Umsteigen und das meiste mit der Visitation verplempert, und dann, weil sie mir nicht glauben wollten das ich an einen Ort wollte von dem ich die Telefon Nummer nicht griffbereit hatte.
Der Mensch ist nichts mehr ohne seine Nummern.

Bürgerreporter:in:

Waltraud Meckel aus Offenbach

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