NACHTFALTER - ein Detektivroman von Uwe Kampmann. Eine Leseprobe. Kurze harte Sätze, wie Schläge ins Gesicht, so beschreibt der Offenbacher Autor Uwe
Der Mann hatte mir keine Zeit gelassen. Er war einfach schneller gewesen. Ich nahm an er wohnte in dem Haus. Er hatte mich angeguckt und gesagt: "Du Sacknase, hast wohl Schwierigkeiten das Loch zu finden."
Ich war cool geblieben und hatte nur gelächelt. Ich hatte die Erfahrung gemacht, das mir das am besten stand wenn jemand etwas zu mir sagte und es mit meinem Gesicht in Zusammenhang brachte. Mehr hatte er nicht gesagt. Vielmehr konnte er wohl auch in seinem Leben nicht mehr gesagt haben denn am Vormittag fand man ihn tot, eine Etage unter mir.
Die Gesichter der Beamten zeigten mir, daß meine Karten schlecht gemischt waren, spätestens dann, als einer seinen Fuß in die Türspalte steckte..
"Ihre Papiere bitte. Warum halten Sie sich hier auf und wo ist der Wohnungsinhaber ?"
Irgend etwas Unangenehmes schien auf mich zuzukommen, zumindest beschlich mich so eine Ahnung. Um die Situation aufzulockern, entschloß ich mich zunächst, "Guten Morgen", zu sagen. Es war fast Mittag, egal, hier in dieser Stadt, wundert es niemanden, man kann auch noch am frühen Nachmittag "Guten Morgen" sagen.
"Kaffee ?"
Sie schüttelten ihre Köpfe und folgten mir in die Küche.
"Beantworten Sie uns bitte einige Fragen."
Aus der hinteren Gesäßtasche zog ich meinen Ausweis hervor.
"Ziemlich alt schon ", sagte der Eine.
"Herr Hompel, wieso halten Sie sich hier im Haus auf ?"
Ich blies die Luft aus den Backen. "Das gleiche könnte ich auch fragen."
"Wollen Sie uns lieber auf das Revier begleiten ?"
Eigentlich verspürte ich dazu keine Lust. Ich wollte mir einen freien Tag gönnen.
"Leben Sie von der Sozialhilfe ?"
Die Frage traf mich wie ein Schlag in die Magentüte.
"Na los, Herr Hompel, was machen Sie ?"
Meine Stimme klang fest, sie hatte diesen eisenharten Ton der mich am Telefon immer so gefährlich erscheinen ließ. "Ich bin Investigator."
"Sie arbeiten an der Börse ?"
Ich mußte grinsen. Jetzt war ich dran. Die Beiden schienen mir nicht auf dem Laufenden zu sein. Meine Auskunft fiel knapp aus. Ich sagte nur: "Privatdetektiv." Der Ton macht die Musik. Ihre Gesichter gerieten aus dem Takt. Ich goß mir eine Tasse Kaffee ein.
"Ihre Lizenz ?"
"Liegt bei Evelyn. Ich schleppe nicht die ganze Nacht mein Büro mit mir herum."
"Sie sind beim Gewerbeamt gemeldet ?"
"Logo."
"Und wo haben Sie Ihre Agentur ?"
"Bei Evelyn."
"Aha, so bei Evelyn. Wie sieht es denn mit ´ner Waffe aus ?"
"Unterschiedlich", sagte ich, "je nach dem." Ich schlürfte meinen Kaffee. "Manchmal fahre ich Sherman Panzer und wenn es schnell gehen soll fliege ich ´ne F-16, außerdem habe ich einen Waffenschein."
"Wo ?"
"Bei Evelyn", sagte ich.
Ich merkte, die Beiden hatten mich bisher unterschätzt. Sie wurden um eine Spur freundlicher. "Wissen Sie, Herr Hompel, wir fragen, weil, unter Ihnen ist jemand umgebracht worden."
"Wollen Sie mal einen Blick auf den Toten werfen ?"
Außer meiner Großmutter hatte ich bisher noch nie einen Toten gesehen. Ich erinnerte mich, sie hatte damals rosig ausgesehen als ich mich über ihren Sarg gebeugt hatte. Ich zog mir die Schuhe an. Ich war neugierig.
"Na, wenn´s dann mal wieder sein muß." Meine Stimme konnte auch nachsichtig klingen. Wir gingen eine Etage tiefer.
Die Leiche lag im Flur, vor der Tür zum Bad. Sie war zugedeckt.
"Fassen Sie bitte nichts an. Darf ich Ihnen unseren Chef vorstellen ? Kommissar Ditsch, Herr Hompel könnte uns behilflich sein."
Der Kommissar nickte. "Kommen Sie."
Die Leiche lag seitlich verkrümmt. Der Kommissar schlug das Tuch ein Stück zur Seite. Ich musste mich tief nach unten beugen. Ich konnte nichts dafür, der Kaffee kam mir hoch und lief dem Toten über das Ohr in den Kragen. Der Kommissar riß mich nach hinten. Ich riß ihn mit. Der Beamte von der Spurensicherung sprang zur Seite. Der Polizeiarzt gab mir ein paar Magentropfen. Der Kommissar blieb ruhig. "Ein bisschen ungewohnt, wie ? Sagt Ihnen der Tote etwas ?"
"Ob er was gesagt hat ? " Ich nickte. "Du Sacknase, hast wohl Schwierigkeiten das Loch zu finden, hat er gesagt."
"Herr Hompel, nehmen Sie LSD ?"
Investigation – Zwischenkapitel ( auf mehrfachen Wunsch, was im NACHTFALTER noch geschieht, füge ich eine Textstelle hinzu.
Mir war klar, ich musste um den Mordfall zu lösen jetzt recherchieren. Ich wollte schneller als die Polizei sein. In der Ruhe liegt die Kraft, darum kochte ich mir erst einmal einen Kaffee und legte mich nachdem ich ihn getrunken hatte auf das Sofa. Ich schloss die Augen, betete für die verstorbene Seele auch wenn der, dem sie gehört hatte zu mir gesagt hatte: "Du Sacknase, hast wohl Schwierigkeiten das Loch zu finden." Beten war meine leichteste Übung. Ich bin überzeugt, es hilft sich täglich ein reines Herz zu schaffen und ich war längst zu der Überzeugung gelangt, dass es Engel gibt. Hätte es keine gegeben wäre mir wahrscheinlich Evelyn nicht begegnet und auch sonst war ich immer knapp den Dingen entgangen, die mich in Kontakt mit der Justiz hätten bringen können. Ich glaube, meine Schutzengel, ich bin sicher ich habe zwei, haben dafür gesorgt das die Polizei oft nicht in der Nähe gewesen war, wenn ich mein Leben in vollen Zügen genossen hatte. Jetzt hatte ich es mit der Vorstufe der Justiz, mit der Polizei zu tun, zwar nicht als verfolgter Übeltäter, dafür aber als unliebsame Konkurrenz. Ich überlegte was zu tun sei.
Als ersten Schritt, entschied ich mich ein Mittagsschläfchen zu halten, in der Hoffnung, dass mir die Lösung des Mordfalles im Schlaf erscheinen möge, außerdem war Evelyn in der Hochschule. Es dauerte nicht lange und mir fielen die Augen zu.
Als ich nach zwei Stunden erwachte, musste ich erst überlegen ob ich das was ich erlebt hatte, ein Traum gewesen war oder in der Wirklichkeit geschehen war. Ich kam zu dem Schluss alles was ich erlebt hatte war die Realität gewesen, der Tote und das er zu mir gesagt hatte: "Du Sacknase, hast wohl Schwierigkeiten das Loch zu finden ", und dann war da natürlich auch die Polizei gewesen. Verflixt, wäre es ein Traum gewesen, hätte ich mich darüber freuen können, wie in einem Kino geschlafen zu haben, so aber war der Film Realität.
Bevor ich irgendwie noch weiterdenken konnte, war mir Törni eingefallen. Eigentlich heißt er Johann Wolfgang Kalinowskowich. Johann Wolfgang, weil seine Mutter eine große Goetheverehrerin gewesen war und Kalinowskowich, weil das der Name seines Vaters gewesen war, der außer seinem Namen, der Familie nichts hinterlassen hatte. Ich, eigentlich wir alle in der Schule hatten ihn nur Törni genannt. Mit dreizehn Jahren hatten wir bei ihm, wenn seine Mutter das Wochenende jeweils bei ihrem aktuellen Liebhaber verbracht hatte, die ersten Wodkaparties gefeiert. Wenn der Wodka weg war, hatten wir mit Lambrusco nachgelegt. Mit fünfzehn waren wir Abstinenzler geworden und waren konsequent auf Haschisch umgestiegen. Alkoholiker hatten seit dem keinen Zugang mehr zu unseren Parties und Johann Wolfgang hatte seinen Namen Törni bekommen. Eigentlich waren wir alle Törnis gewesen denn es gab kaum einen Tag an dem wir nicht angetörnt gewesen waren.
Klar, ich musste Törni treffen. Törni kannte sich in der Szene aus. Er war immer von vielen Leuten umgeben, die meisten bezeichnete er als seine Mitarbeiter. Während ich eine abgebrochene Ausbildung als Metzgerlehrling hinter mir hatte und mich dann als Detektiv selbstständig gemacht hatte, war Törni inzwischen zu einem richtigen Boss aufgestiegen. Mit siebzehn durfte er zwar noch kein Auto fahren, das machte aber nichts, dafür hatte er schon genug Geld um sich Taxifahrten zu leisten oder einer seiner älteren Mitarbeiter fuhr ihn dorthin, wo er hinwollte.
Ich blickte auf die Uhr, Evelyn war noch nicht da und ich entschloss mich Törni aufzusuchen.
Törni war im Gegensatz zu mir kein Eckensteher oder Cafehausbesucher. Seine Fünfzimmerwohnung bot genug Raum für alles was er brauchte. Die Küche war sein Labor und Restaurant, das Zimmer ohne Fenster war die Fabrikhalle, der Raum mit dem Panoramafenster sein Salon, die Treppe hoch zum Penthaus seine Liebeslaube und dann gab es noch ein Gästezimmer das als Ausnüchterungszelle bekannt war und das hinterste Zimmer war die Lagerhalle. Drogen hatte Törni nie im Haus, damit ersparte er sich den Ärger mit der Polizei. Alles in dieser Richtung wurde mit den Brieftauben angeliefert, deren Taubenschlag in einem seitlichen, hinter Grünzeug verborgenen Teil der Penthausterrasse aufgebaut war. Mangel kannte Törni nicht. Er konnte immer guten Gewissens sagen: „ Alles was ich habe, dafür arbeite ich hart“, auch wenn es andere waren, die arbeiteten aber er hatte die Ideen und das nötige Organisationstalent. Törne war eben ein echter Boss.
Törni führte seinen häuslichen Betrieb als Denkfabrik mit Produktionsumsetzung. Für einen Außenstehenden unglaublich aber wahr, Törni machte einen großen Teil seines Umsatzes mit getragener Damenunterwäsche, ein echtes Insidergeschäft. Ich wusste was mich erwarten würde wenn ich bei ihm einlaufen würde und er wusste, wenn ich kam, brauchte er nichts zu verbergen.
Ein kurzer Anruf genügte und ich wusste, Törni erwartete meinen Besuch.
Als ich bei Törni eintraf, ich war bis in die vierte Etage mit dem Aufzug gefahren und dann zu Fuß die letzte Treppe hochgestiegen um gleich im Penthaus anzukommen. So hatten wir es verabredet. In der Etage darunter lief der Betrieb wahrscheinlich auf Hochtouren, im Penthaus dagegen war es immer ruhig und gemütlich. Kein Durcheinander, alles erlesener Luxus, neueste Elektronik, gediegene Beleuchtung, nur Originalbilder an den Wänden, darunter auch eine Zeichnung von mir, die ich Törni geschenkt hatte als er mit sechszehn von der Schule geflogen war.
Das Bild hatte ich als der lustige Pythagoras betitelt. Lustig war auch die Abschlussfeier gewesen, am nächsten Tag hatte Törni einfach da weitergemacht womit er in der Schule aufgehört hatte, nämlich Geld zu verdienen, viel Geld und das mit getragener Damenunterwäsche.
In irgendeiner Pornopostille hatte er mit elf Jahren gelesen das sich damit Geld verdienen ließ. Anfangs hatte er die Höschchen seiner Mutter aus dem Wäschekorb geholt, eingetütet und verschickt dafür aber nie Geld zugeschickt bekommen. Das hatte sich geändert als seine Mutter angefangen hatte Nachforschungen darüber anzustellen wo dauernd ihre Unterhosen blieben und die andauernden Neuanschaffungen zu einem Unkostenfaktor geworden waren.
Törni hatte sofort zugegeben was er gemacht hatte und sich bei seiner Mutter über die Erwachsenenwelt beschwert, die anscheinend nicht daran dachte, ihn für seine Beutestücke zu bezahlen.
Seine Mutter war eine nüchtern kalkulierende Frau gewesen. Die sexuelle Revolution hatte sie aktiv mitgemacht, ihr Sohn war ein Produkt dieser Zeit gewesen, und ihre Unterhosen sah sie als Fahnen der Revolution, mit denen sich Geld verdienen ließ.
Sie hatten sich darauf geeinigt, gemeinsam das Geschäft zu betreiben. Mama sorgte für das Produkt und kümmerte sich um die Buchhaltung, Törni kümmerte sich um die Verpackung und den Versand und organisierte ständig neue Kunden wobei Stammkunden nach drei Bestellungen einen zehnprozentigen Rabatt bekamen.
So hatte alles angefangen. Sex und Geld waren wie Drogen. Törni hatte zum Glück eine kluge Mutter gehabt, eine Revolutionärin die ihn gelehrt hatte, sich frei von diesen Dingen der Unterdrückung zu machen. Das machte Törni als Menschen mir sehr wertvoll. Es plagte ihn kein Geld, er besass es und ließ es für sich arbeiten und sexuell hielt er sich an die Lehre seiner Mutter, die ihm gesagt hatte: „ Hat eine Frau den Schwanz vom Mann, gehört ihr der ganze Kerl.“ Törni war sein Leben in dieser Hinsicht pragmatischer angegangen als ich, Ich hatte mich Evelyn geschenkt, Törni dagegen hatte sich anders organisiert und mir erzählt; „ Dreißig Minuten täglich stelle ich meinen Schwanz zur Verfügung, die restliche Zeit bin ich der Boss.“
Neidgefühle gegenüber Törni kannte ich nicht, dazu waren wir einfach zu eigen, jeder in seiner Art und doch zusammen jeder auch zuverlässig und in Freundschaft zugewandt.
Törni hatte gleich als ich die letzte Treppenstufe erreicht hatte, die Tür geöffnet. Wir nahmen uns in die Arme, küssten uns auf die Wangen und sagten uns: „Ei Guude, Brüderchen und wie?“
Das erinnerte uns immer an die Tage unserer Schulzeit, als wir mehr Zeit damit verbrachten hatten zu feiern, als an das Leben zu denken.
Törni zog mich an den Schultern gleich auf die Terrasse. Eine leichte Abenddämmerung lag schon in der Luft, die Temperatur war mild und zwischen den Pflanzen brannten schon die Windlichter bevor die Dunkelheit den Tag verdrängte.
„Stress ?“, fragte Törni.
„Johann Wolfgang, so etwas kennen wir doch nicht, - oder ?“ erwiderte ich. Wobei, wenn ich Törni, Johann Wolfgang nannte, er sich sofort an die Lehrer in unserer Schulzeit erinnerte und er wusste, jetzt wird es ernst.
„Ok, verstanden. Kein Stress aber dicke Luft. Was kann ich tun ? Kann ich Dir helfen ?“
„ Du kennst Sacor ?“ fragte ich.
„ Der Typ der umgelegt wurde ?“
„ Mhhh, genau den.“
„ Ich habe davon in der Zeitung gelesen.“
„ Törni, ich habe Dich gefragt ob Du Sacor kennst, was er machte als er noch lebte. Das übliche was die Bullen auch wissen wollen und wenn es geht noch etwas mehr. Ich will den Fall aufklären.“
„Und wer bezahlt Dich dafür ?“
„Puh“, jetzt konnte ich mal wieder die Luft aus vollen Backen blasen. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Ja wer bezahlte mich dafür, das ich in dem Mordfall begonnen hatte zu ermitteln.
Törni kniff sein linkes Auge zu. Er legte seinen Kopf auf seine linke Schulter und sagte mit langgezogener Stimme: „ Ohhhh Hompel, jetzt machst Du mich mal wieder komplettamente fertig. Ich ahne es, ich ahne es ....
Im Plüschstudio - NACHTFALTER - eine Leseprobe
Der Blick ihrer Augen zeigte mir, das sie der Vergangenheit entschwebt war, so als habe sie nie gelebt. Ihre Augen sagten, das sie es aufgegeben hatten ihre Zeit zu nutzen, allein ein müdes Lächeln umspielte ihre Lippen als sie mich ansah.
"Was wollen Sie ?"
Ich zuckte mit den Achsel und sagte: "Na ja, ich wollte mich mal umschauen was hier so läuft."
Der Knall warf mich zur Seite, meine Ohren schienen zu platzen, Ich warf mich flach auf den Boden, rollte mich zur Seite, sah den Mann wie einen Schatten einen Schritt über mir stehen, Ich trat zu, griff mit den Händen nach einem paar Stuhlbeinen in meiner Nähe, schleuderte den Stuhl hoch und rollte mich hinter das Sofa.
Ich hörte ein röcheln und verfluchte es keine Waffe zu haben. Dann war es still. Das gedämpfte Licht der Tiffanielampe, mehr war es nicht was ich wahrnahm. Mir ahnte das mein letzter Augenblick, das trübe Licht der Lampe sein könnte. Ich unternahm nichts und dachte nur: "Evelyn."
Es blieb ruhig, nichts geschah. Ich verhielt mich still, bewegte mich nicht und wartete. Die Zeit schien sich nicht zu bewegen. Ich entspannte mich und schrieb in Gedanken einen Liebesbrief, drei Sätze in denen alles stand, was ich für Evelyn fühlte.
Dann als es mir zu still blieb und die Zeit zu lang wurde, erhob ich mich einfach. Ich spürte keine Furcht. Ich vertraute meinem Gefühl allein zu sein, obwohl wir waren zu Dritt gewesen, die Frau, der plötzliche Schattenmann und ich. Er muss sehr schnell gewesen sein und gewusst haben, das ich ihn kaum wahrgenommen hatte. Der Stuhl den ich geworfen hatte lag im Raum. Von dem Mann konnte ich nichts sehen. Ich ging um das Sofa und sah sie ausgestreckt auf dem Boden liegen. Ohne daran zu glauben, eine Antwort zu erhalten sagte ich: "Hallo."
Es kam nicht einmal ein röcheln.
Ich ging zur Tür und schaltete die große Deckenbeleuchtung an.
Die Frau lag eingetaucht im Blut und im Schwarz ihrer Haar. Fakt und Information war, sie war tot. Nichts sehende, aufgerissenen Augen, ihr Blick weit und leer wie weisses Pergament auf dem nichts geschrieben stand.
Ich wusste nicht ob ich ihr mein Beileid aussprechen sollte. Ich dachte nur: "Hoffentlich gab es in ihren Leben auch Menschen, die einmal nett zu ihr gewesen waren, so richtig nett, ohne etwas von ihr haben zu wollen, sondern einfach nur um ihr eine Freude zu bereiten, denn sicherlich hatte sie auch Tage erlebt, als es schön war sich an einer Wiese und an Blumen zu erfreuen.
Ich blieb so eine Weile in Gedanken bei ihr, bis mir einfiel, dieser Fall fiel zwar in mein Ressort, es war aber auch ein Fall für Kommissar Ditsch. Ich musste ihn benachrichtigen. Er würde den Polizeiarzt fragen, wann der Tod eingetreten ist und da war es besser ihn jetzt anzurufen.
Im Haus war es still geblieben. Ich war mit der Toten allein bis ich Ditschs Stimme am Telefon hörte.
Ich intonierte wie Evelyn es tat, wenn sie etwas von mir wollte, von dem sie glaubte es käme für mich zur falschen Zeit, irgendetwas für sie zu erledigen. Wobei, sie sagte dann immer so ein langgezogenes Matthi. Ich unterließ es als ich mit Ditsch ins Gespräch kam, Ditschi zu sagen, Ich wollte mich nicht dem Verdacht ausgesetzt sehen, ihn sexuell stimulieren zu wollen um irgendwelche Amtsvergünstigungen zu ergattern, zum Beispiel nicht als Tatverdächtiger in Frage zu kommen.
Ohne es zu wollen, mir war klar, ich war einen Schritt weiter auf meiner Karriereleiter vorangekommen. Ditsch war nur ein amtliches Anhägsel, das juristisch benachrichtigt werden musste.
Ich blies die Luft aus meinen Backen und sagte: "Kommissar Ditsch, beeilen Sie sich mit ihrer Abteilung. Ein neuer Mord, ich bin schon am Tatort." Dann hielt ich die Luft an, ich wollte seine Antwort genießen.
"Hompel, in was für eine Scheiße ziehen Sie uns da wieder rein !", er brüllte. Wahrscheinlich hatte ich ihn aus dem Schlaf geholt.
"Wieso schon wieder?", fragte ich. "Sie haben mich doch in den Fall reingezogen. Ich vermute der Mord hier hat mit dem Mord an Socor zu tun."
" Wieso Mord ?" brüllte er zurück. " Die Diagnose stellt die Polizei."
Ich wollte es nicht sagen aber um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen machte ich es doch.
" Herr Kommissar, ich bin schneller als die Polizei. Ich war schon vor dem Mord am Tatort." Irgendwie konnte ich einen vergnüglichen Unterton nicht unterdrücken.
"Geben Sie mir die Adresse." Kalt und kurz, Kommissar Ditsch hatte sich wieder im Griff.
Ich hörte die Fahrzeuge vorfahren. Ich öffnete ein Fenster und rief als ich Ditsch aussteigen sah: " Herr Kommissar, ich kann Ihnen nicht aufmachen. Ich nehme an der Täter ist durch die Haustür geflohen. Sie dürfen keine Spuren beschädigen."
"Sollen wir vielleicht durch den Schornstein einsteigen, Sie dämlicher Schnüffler ?"
Wenn er das gemacht hätte, hätte ich ihn als Weihnachtsmann begrüßt, so wartete ich bis er mit seinem Pulk den Raum betrat.
"Wir kennen uns schon", sagte der Polizeiarzt als er an mich sah. "Soll ich Ihnen Magentropfen geben ?"
" Danke Doktor, wie in Ihrem Beruf sehe ich so etwas auch öfters."
"Hompel", Kommissar Ditsch, hörte sich sehr knurrig an, " vor vier Tagen wußte keiner das es hier einen Detektiv Hompel in der Stadt gibt."
" Doch", ich gab sofort Kontra, "die Dame vom Gewerbeamt und Evelyn und wenn Sie das nicht wussten, dann zeigt das nur wie gut verdeckt ich arbeite."
" Klar Herr Hompel, Sie sind der Größte,"
"Nee, nee Herr Kommissar, versuchen Sie nicht die Tour sich bei mir einzuschmeicheln. Ich bin nur 176 groß, ich schätze Sie haben fünf Zentimeter mehr."
"Na ja, auf jeden Fall machen Sie uns nicht arbeitslos", sagte der Doktor gütig.
"Doktor Gütig, Sie heissen nicht nur so, Sie sind es auch oder Kommissar wie sehen Sie den Fall ?"
" Danke Herr Hompel das Sie mich nach meiner Meinung fragen." Ditsch schob mich zur Seite und sagte, " schaun wir uns mal an was hier los ist."
Der Arzt hatte sich schon über die Tote gebeugt.
"Echtes Ballermannkaliber", sagte er, " ein Schuss und der hat den Brustkorb geöffnet und Sie haben nichts abbekommen und waren dabei ?" Der Arzt blickte mich an.
" Ich habe zwei Schutzengel", erwiderte ich.
"Na klar, Sie arbeiten so gut verdeckt das Sie auch zwei unsichtbare Mitarbeiter haben, Spezialagenten, die fliegen wohl neben Ihnen her wenn Sie mit Ihren Sherman Panzer unterwegs sind." Der Kommissar war ein Sarkast. "Ich glaube hier ist ein bisschen Erklärungsbedarf, ich schätze unser Detektiv plädiert auf unschuldig."
" Genau wie wenn Sie einen Verkehrsunfall aufnehmen, dann sind Sie ja auch nicht derjenige der gegen den Baum gefahren ist."
Der Tag danach. - LESEPROBE: NACHTFALTER
Die Vernehmung auf dem Revier hatte bis um drei Uhr in der Frühe gedauert. Es war noch schwarze Nacht als ich nach Hause ging. Die rasant, bedrohliche absteigende Wirtschaftslage in der Stadt hatte dazu geführt, das die Geschäftsleute nachts in ihren Schaufenstern kein Licht mehr brennen ließen. Inzwischen hatte sich anscheinend jeder daran gewöhnt, das nur noch die Straßenlampen ihr Licht in die Nacht warfen. Sie waren die Nachtwächter die Acht gaben, das ich nicht von der Nacht verschluckt wurde und mich den Heimweg finden liessen.
Es war im letzten Jahr vieles anders geworden. Das Geld war knapp geworden, es reichte nicht einmal, die vom letzten Winterfrost aufgerissenen Strassen neu zu asphaltieren. Einzig die Nachtlokale erschienen wie Glühwürmchen, die mit ihrem Licht den Straßenlaternen Gesellschaft leisteten. Gelegentlich tauchte ein Auto auf, dessen Scheinwerfer wie starre Augen näher kamen und wie fliehende Fledermäuse in der Nacht verschwanden.
Drei Uhr in der Nacht war die Zeit, in der die Nachtreptilien letzte Geschäfte tätigten und Kasse machten. Man traf sie nicht auf der Straße, erst wenn auch sie nach Hause fuhren, dann nur kurz und schnell verschwunden.
Wer um diese Zeit auf der Straße ging, war betrunken oder Heimatlos. Diese verlorenen Gestalten brauchten sich nicht zu fürchten, sie besassen nichts was man ihnen hätte nehmen können. Im Schutz dieser Verlorenen brauchte ich mich nicht zu fürchten, doch das war jetzt anders geworden. Ich musste wachsam sein, bei jeder Gestalt die mir begegnete, bei jedem Auto das an mir vorbei fuhr. Die Unsichtbarkeit des Netzes der Welt des Verbrechens hatte sich über mir ausgebreitet. Die Zeit, das ich die kleinen Fische beim Ladendiebstahl fing war vorbei. War der erste Mord noch ohne Zusammenhang mit mir passiert, so war ich mir sicher, bei dem zweiten Mord war ich in das Blickfeld der Geschäftsleute geraten, die ihren Wohlstand in der Illegalität und mit der Ausübung brutaler Gewalt erwarben. Vor den schon etablierten Verbrechern musste man sich nicht fürchten, höchstens in Acht nehmen, die Gefährlichen waren die, die neu auf den Markt drängten. hier klicken
Bürgerreporter:in:Uwe Kampmann aus Offenbach |
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