Es ist nicht einfach, radikal zu sein
Theaterjugendclub spielt Stück über blinden Aktionismus
Marie, Rosa und Ana sitzen fest. Eigentlich wollte sie den Schalter umlegen, die Scheinwerfer erlöschen lassen und die Europa-Premiere von "Lovely Juliet" platzen lassen. Schließlich ging es um nichts Geringeres, als die Welt wach zurütteln und die Welt zu verbessern. Doch bevor sie ihre spektakuläre Tat durchführen konnten, haben die Sicherheitskräfte die Drei erwischt. Nun sitzen sie fest, aber es besteht noch Hoffnung. Denn Viktorie, die vierte Verschwörerin, ist noch auf freiem Fuß und kann die Aktion zum Erfolg führen. Marie, Rosa und Ana sitzen fest und in Rückblenden erzählen sie ihre eigene Chronologien des Scheiterns
Mit den vier Themen Weltverbesserung, Sinnfrage, Suche nach dem Platz im Leben und pubertierende Liebe ist das Jugenddrama "Heute ist ein guter Tag" ein ambitioniertes Projekt. Dennoch ist Autorin Ann-Christin Focke ein authentisches Werk gelungen. Der Theaterjugendclub Nordhausen zeigt bei der Premiere im Theater unterm Dach, dass er dem gewachsen ist. In seiner Inszenierung gelingt es Ronald Winter, das Riff der Überfrachtung zu umschiffen, und es gelingt den jugendlichen Darstellern die unterschiedlichen Charaktere überzeugend herauszuarbeiten.
Es ist ein Stück, das von jedem eine Stellungnahme verlangt. Der Anfang liegt vor dem sorgt der Einstieg noch an der Eingangstür. Benedikt Böck kontrolliert als Kartenabreißer Jan die Eintrittskarten. Verena Brink, Marlen Krieger und Alina Ruß machen Promo für "Lovely Juliet", den neuen Film von Keira Knigthley, dem Alter Ego von Angelina Jolie. Das Publikum wird ins Geschehen hineingezogen. Der Einstieg münzt die räumliche Begrenzung des Studiotheaters zum emotionalen Vorteil um.
Die drei sitzen fest
Schnitt. Die drei verhinderten Heldinnen sitzen hinter Gittern und spekulieren über die Gründe ihres Scheiterns. Natürlich kann nur Verrat im Spiel sein. Es wird klar, dass das vermeintliche Team gar nicht so harmonisch ist. Die Rollenverteilung und die Risse im Kollektiv sind nicht zu übersehen. Da ist Rosa, die kühle Planerin, die sich als Reinkarnation von Rosa Luxemburg sieht und alles dem Erfolg der Aktion unterordnet, resolut von Marlen Krieger verkörpert, leise Töne sind nicht ihre Sache. Sie pocht auf das Teamarbeit und ist doch eindeutig die Platzhirschkuh. Zweifel an der Tat lässt Krieger nicht zu und begibt sich schon von Anfang in ein eigenes Gefängnis der Paranoia. "Heute ist ein guter Tag, das spüre ich", ist die Mantra, um die Selbstzweifel wegzubügeln. Die Stimme befindet sich immer an Anschlag, doch noch ist es Zeit, um zu lernen, dass sich Bühnenpräsenz nicht in Brüllen ausdrücken muss. Leider bleibt ihr ein Solo, indem sie, wie die anderen auch , im Dialog mit dem Publikum, ihre Motive erklären kann verwehrt. Aber vielleicht gibt es auch keine Motive, die erklärt werden könnten.
Fünf Charaktere
Verena Brink spielt Ana, die radikale Bürgertochter, gekleidet wie die Internationale der Autonomen. Warum sie mitmacht? Dass weiß sie nicht. Verena Brink macht aber ihre Ziellosigkeit deutlich. Sie ist mehr Getriebene als Treibende, sie ist die Radikale, weil es die anderen erwarten und sie ist Adlatus und Werkzeug für Rosa. Aber die stillen Partien bleiben ihr verwehrt.
Differenzierter agiert da Alina Ruß als Marie, die schwankende. Mal ist sie überzeugt dabei, mal weiß ise nicht so recht. Dabei ist doch nur auf der Suche nach Anerkennung. Doch bei den Überzeugungstäterinnen Ana und Rosa stößt sie nur auf Unverständnis. Es ist schon erstaunlich, wie glaubwürdig Alina Ruß diese lebensnahe Darstellung umsetzten kann. An diesem Abend hinterläßt sie den stärksten Eindruck.
Benedikt Böck bleibt als Kartenabreißer Jan nur eine Randfigur. Die jugendliche Unsicherheit auf der Suche nach dem Platz ins Leben steht ihm ins Gesicht und in die Gestik geschrieben und damit ist er der Gegenpol zu Ana und Rosa. Ambitionen hat er keine, er nimmt es so wie es kommen wird.
Die große Unbekannte ist Tine. Die Figur passt nicht in das Schwarz-Weiß-Gut-Böse-Schema von Rosa und Ana. Die anderen Akteure noch suchen, hat Tine die großen Enttäuschungen schon hinter sich und nun wird sie von Dreigestirn, das den Kontakt verweigert, wieder enttäuscht. Tine ist schon einen oder zwei Schritte weiter als die Heldinnen ohne Ziele. In diese Rolle hat sich Constanze Winter akribisch eingearbeitet, die gelungene Darstellung ist konsequent, die kühle Berechnung ist Folge der Frustration und somit wird Tine zu der Rolle mit der größten Tiefe. Somit ist ihr Bombenattentat auch nur eine erschreckende Konsequenz und logischerweise erfolgreich.
Das Stück in derSelbstdarstellung
Der Spielplan in Nordhausen
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