Unermüdlicher Kämpfer gegen Zensur in Hamburg: Rolf Schälike
Einsamer Kampf eines Gerichtreporters
http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/einsame...
Seit er selbst mal in die Mühlen der Justiz geriet, berichtet Rolf Schälike auf seiner Website über Presserechtsverfahren vor den Landgerichten - zum Missfallen vieler Kläger und Anwälte. VON RENÉ MARTENS
Auszüge:
Schälike berichtet über Presserechtsverfahren, vor allem an den Landgerichten in Hamburg und Berlin. Wenn Privatpersonen Presseberichte verbieten lassen wollen oder Medienunternehmen einander beharken, veröffentlicht Schälike seine Gerichtsnotizen kommentiert im Internet. Oft missfällt das den Beteiligten, weil sie die Dinge, die sie eigentlich aus der Welt haben wollten, nun haarklein im Netz aufbereitet finden. Und manche Anwälte machen die Veröffentlichungen wütend, weil sie ungern etwas über ihren Verhandlungsstil lesen.
Ergebnis: rund 60 Einstweilige Verfügungen.
Schälikes Website heißt www.buskeismus.de, unfreiwilliger Namensgeber ist Andreas Buske, der Vorsitzende der Hamburger Pressekammer, die im Ruf steht, gnadenlos zu sein. Marcus Köhler aus der Kanzlei Oppenländer, der unter anderem die Stuttgarter Zeitung vertritt, sagt: "In keinem anderen Rechtsbereich", mit dem er zu tun habe, werde derart scharf geurteilt wie in Hamburg im Presserecht. Ob Wirtschaftsgrößen gegen hartnäckige Kritiker vorgehen, (vermeintliche) Ex-Stasi-Mitarbeiter gegen (vermeintlich) falsche Berichte oder Prominente gegen Petitessen aus der People-Presse - im Normalfall gewinnt der Kläger. Es gebe ja, spottet Schälike, viele "Alpha-Journalisten", die glaubten, dass ein sorgfältig arbeitender Journalist nichts zu befürchten habe: "Richtiger wäre zu sagen: Wer als Journalist nicht arbeitet, hat nichts zu befürchten." Letztlich sei es möglich, gegen jeden in Deutschland erscheinenden Artikel erfolgreich zu klagen, sagt er.
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Diese Arbeit besteht fast ausschließlich aus "Buskeismus-Forschung", laut Schälike "14 Stunden am Tag". Der Website-Betreiber, der sich "die Pseudoöffentlichkeit" nennt, weil außer ihm in der Regel niemand von den Sitzungen der Pressekammern berichtet, hat sich dieses Leben ausgesucht, nachdem er 2003 selbst in die Mühlen der Pressejustiz geraten war: Weil er eine gerichtsöffentliche Äußerung eines Anwalts verbreitet hatte, die dieser später abstritt, verurteilte ihn das Hanseatische Oberlandesgericht 2005 zu einem Ordnungsgeld von 3.000 Euro, ersatzweise fünf Tage Gefängnis. Schälike wählte den Freiheitsentzug - eine Trotzreaktion, die nur durch seinen Werdegang erklärbar ist. In der DDR wurde Schälike, dessen Vater lange den Dietz-Verlag leitete, in dem die Werkausgaben von Marx und Engels erscheinen, wegen der privaten Verbreitung sieben verbotener Bücher zu sieben Jahren Haft verurteilt. Nach zehneinhalb Monaten im Stasi-Untersuchungsgefängnis Dresden kam er frei - und konnte 1985 nach Hamburg ausreisen.
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Schälike will nicht hinnehmen, dass ihm die Meinungsfreiheit beschnitten werden soll, nachdem er dies in der DDR auch nicht hatte hinnehmen wollen. Und da seine Gegner auch eher Sturköpfe sind, ist an ein bisschen Frieden zwischen den Parteien nicht zu denken. Wenn Schälike verklagt wird, suchen sich die Gegner oft andere Orte aus (Berlin, Köln, Nürnberg), um die Kosten für ihn in die Höhe zu treiben. Das ist Teil des Spiels. Schälike klagt zwar, man wolle ihn "existenziell fertigmachen", sagt aber auch: "Ich habe keine Angst, schließlich bin ich ja auch mit der Stasi fertig geworden." Die Anwälte, die ihn angreifen, seien Verfechter einer "Geheimjustiz", ihnen sei die Transparenz seiner Website zuwider.
Weil Anwälte im Verborgenen Macht ausüben, hält Schälike deren Rolle für vergleichbar mit der "der Stasimitarbeiter in der DDR-Diktatur". Solche Einschätzungen resultieren unter anderem aus seinem Ärger darüber, dass er über einige seiner Verfahren nicht berichten darf. Es gibt einstweilige Verfügungen, die ihm verbieten, ihn betreffende einstweilige Verfügungen ins Netz zu stellen. Auf entsprechende Verbote reagiert Schälike, indem er auf eine Seite verlinkt, auf der anstatt des vom User erwarteten Schriftstücks eine Abwandlung des Kinderpornografie-Stoppschildes zu finden ist: "Achtung! Geheimjustiz! Ihr Internet-Browser versucht gerade, Kontakt zu einer Website herzustellen, die in Zusammenhang mit der Verbreitung von Wahrheit, Kritik oder politischer Bildung steht." In einem Fall dürfe er nicht einmal das Landgericht nennen, vor dem das Verfahren stattgefunden habe, weil dies Rückschlüsse auf die Identität eines beteiligten Anwalts zulasse, sagt er. Man findet diese Fälle auf der Buskeismus-Seite unter "Schöne Entscheidungen". Wer die Rubrik liest, versteht ein bisschen besser, warum Schälike viel von Geheimjustiz redet.
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Schälike hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Republik über solche Begebenheiten aus Absurdistan auf dem Laufenden zu halten. Sollte es die Situation erfordern, würde er auch wieder ins Gefängnis gehen: "Das ist nicht jedermanns Sache, aber für mich ist das Erholung. Dann muss ich nicht 14 Stunden arbeiten."
Wir wünschen Herrn Schälicke weiter viel Erfolg und Durchhaltevermögen !
Hallo Jochen
Habe es gelesen, habe die TAZ abonniert. Ist schon der Hammer.