„Knusper knusper Knäuschen“ Ausstellung über die Weihnachtsbäckerei im Rieser Bauernmuseum
Das Weihnachtsfest ist untrennbar mit dem Backen verbunden. Bis ins späte 19. Jahrhundert hing am Christbaum essbarer Schmuck. Neben Äpfeln und Nüssen war dies meist farbig verziertes Gebäck. Die Kinder, für die Süßigkeiten nicht wie heute zum Alltag gehörten, freuten sich darauf, den Baum an Dreikönig plündern zu dürfen. Zucker war teuer und machte das Backwerk zur kostbaren Leckerei. Das Rieser Bauernmuseum Maihingen des Bezirks Schwaben widmet sich nun diesem Thema.
Die Besucher betreten die Ausstellung quasi durch die Tür eines Lebkuchenhauses. Ihr Blick fällt auf eine Backszene: In einer Küche aus den 30er Jahren steht der Tisch mit bereit gelegten Backutensilien, daneben ein wuchtiger Herd. Auf Broschüren machte das Überlandwerk Vorschläge für Weihnachtsbäckerei, die sich für die neuen Elektroherde eignete. Für Gasherde gab es eigene Rezepthefte.
Lebkuchen sind an Weihnachten nicht wegzudenken. Die Lebkuchenbäckerei hat ihren Ursprung in den mittelalterlichen Klöstern. Bald entstand mit dem Lebzelter oder Lebküchner ein eigener Berufszweig für das nicht nur zur Weihnachtszeit beliebte Gebäck. Vor allem Städte an wichtigen Handelsstraßen, wie Nürnberg, Ulm oder Basel, haben eine lange Lebkuchengeschichte. Denn für die Herstellung benötigte man neben reichlich Honig auch viele exotische Gewürze aus fremden Ländern. In Nürnberg schufen die Lebküchner mit feinen Zutaten wie Nüssen oder Mandeln eine eigene Tradition. Ein großes Plakat der ältesten Lebküchnerei Nürnbergs verweist darauf. Im 19. Jahrhundert ersetzten bunte Lebkuchenbilder die bildlichen Darstellungen, die einst mit Modeln eingedrückt wurden.
Die Springerle erhielten durch aufwendig geschnitzte Model eine besonders kunstvolle Form, wie die Ausstellung zeigt. Das Backen und Verschenken dieser süßen Bilder beschränkte sich ursprünglich nicht auf Weihnachten, sondern war auch zu anderen kirchlichen Festen oder besonderen Anlässen üblich. Entsprechend vielfältig sind die Motive der Model. Sie reichen von biblischen Szenen bis hin zu profanen Themen. Ins Auge fallen edle Damen in Gewändern der unterschiedlichen Epochen, daneben stolze Reiter. Eine Stadtanschicht Nördlingens kam als Leihgabe des Nördlinger Stadtmuseums in die Ausstellung, ebenso Model, die von dem berühmten Künstler Albrecht Adam (1786-1862) gestochen wurden. Auf anderen Modeln lassen Kinder Drachen steigen, Frauen sitzen am Spinnrad, ein Bauer pflügt mit Pferdegespann, ein Hufschmied beschlägt ein Pferd. Auch Spielkarten oder eine ABC-Tafel ließen sich mit Modeln ausformen. Eine großformatige Reproduktion eines Stiches um 1835 zeigt zwei mit Springerle behängte Bäume als Hintergrund einer Weihnachtsszene.
Baumschmuck aus Tragant hat sich sehr selten erhalten. Tragant ist eine mit Puderzucker vermischte Harzmasse, die sehr exakt formbar ist. Tragantmodel dienten ursprünglich zum Gestalten höfischer Tafelaufsätze.
Bei der häuslichen Plätzchenbäckerei dürfen Waagen, Nussmühlen und Teigrädchen natürlich nicht fehlen. Dr. Oetker erleichtert seit 1899 mit der Entwicklung des Backpulvers Backin die Arbeit, liefert die passenden Rezepte und sorgt mit einer Vielzahl von Produkten für gutes Gelingen. Auch hier fasziniert die Vielzahl von Ausstechern mit ungewöhnlichen Motiven: Neben Engeln treten auch ein Eichhörnchen, eine Tabakpfeife, Stiefel, Häschen, Pferde, ein Hirsch und sogar eine Wurst auf. Reichsadler, Zeppelin und Eisernes Kreuz sind Zeichen des Nationalstolzes im Ersten Weltkrieg. Ein voller Einkaufswagen verweist auf die modernen Alternativen zum Selberbacken.
Professionelles Arbeitsgerät aus Konditoreien zielte darauf ab, möglichst schnell viel Gebäck zu produzieren, etwa mit einer Ausrollmaschine oder einer auf dem Blech fahrbaren Plätzchenspritze. Mit Metallformen für Schokoladefiguren ließ sich außer Weihnachtsmann und Nikolausstiefel auch ein Schlitten mit drei Zwergen gießen. In geschnittenen Steinen wurde Marzipan geformt.
In einer Puppen-Backstube wird eifrig Teig geknetet, geschnitten und der Ofen geschürt. Mädchen wurden an ihre künftigen Aufgaben herangeführt: In einer großformatigen Puppenküche hängt eine Fülle von Kuchen- und Puddingformen aus Messing an den Wänden, der Herd nimmt den größten Platz ein.
Die Ausstellung im Rieser Bauernmuseum Maihingen (Kreis Donau-Ries) läuft vom 6. Dezember 2006 bis zum 11. Februar 2007. Geöffnet ist samstags, sonntags, dienstags bis donnerstags von 13 bis 17 Uhr, während der Weihnachtsferien (25.12.-7.1.) täglich. Heiligabend und Silvester bleibt geschlossen. Gruppen und Schulklassen können telefonisch andere Zeiten vereinbaren (Tel. 09087/920 717 0).
Die Weihnachtsausstellung wird von einem reichhaltigen Programm für Erwachsene und Kinder begleitet: An Nachmittagen dürfen Kinder Christbaumschmuck aus Tragant (9.12.), Schneeplätzchen (16.12.) oder Papierreliefs (3.1.) ausformen. Am Sonntag, 17.12., backen Erwachsene Nervenkekse nach dem Rezept der Hildegard von Bingen und bereiten Holunderglühwein zu. Am Sonntag, 28.1., geht es um die verschiedenen Möglichkeiten, bei denen Model zum Einsatz kommen können. (Alles nach telefonischer Voranmeldung unter 09087/920 717 0). Am letzten Tag der Ausstellung, dem 11.2., wird der mit essbarem Schmuck behängte Christbaum geplündert und das Lebkuchenhaus zerlegt.
Bürgerreporter:in:Ruth Kilian aus Nördlingen |
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