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Weihnachtlich?

Draußen war es bitterkalt, so um die sechs Grad Minus, der Wind pfiff und drängte Schneeschauer durch die Gassen der kleinen Stadt. Man sah kaum noch einen Menschen auf der Straße und wer trotzdem unterwegs sein musste, hatte sicher einen triftigen Grund dafür.
Die Fenster waren geschmückt, weihnachtlich, und die „Stille Nacht, Heilige Nacht …“ schwebte wie ein drängender Hintergrund allgegenwärtig durch die Dunkelheit. Das mochte wohl aus den beleuchteten Fenstern kommen, welche von Geborgenheit und Zuversicht zeugten. Dem aufmerksamen Beobachter musste aber auch ein besonders großes und festlich geschmücktes Fenster auffallen. Es hätte ein Gaststättenfenster sein können. Leises Gemurmel zeugte von der Anwesenheit vieler Menschen und die weihnachtlichen Klänge ließen eine Feier erahnen. Drinnen saßen etwa sechzig bis siebzig Leute. Die Tische waren reichlich mit weihnachtlichem Naschwerk, Obst und kleinen Geschenken beladen und jeder der Anwesenden hatte ein Punschglas vor sich zu stehen. In der Ecke des Raumes stand ein liebevoll geschmückter Weihnachtsbaum und auch hier wurde der akustische Hintergrund von weihnachtlichen Klängen geprägt.

Die „Tafel“ hatte zur weihnachtlichen Zusammenkunft geladen.
Die Spenden der Bäcker dieser Stadt waren überreichlich ausgefallen, die Obsthändler und Fleischer standen dem nicht nach und die Weingüter der Umgebung stellten kostenlos ausreichend Rotwein für einen festlichen Trunk zur Verfügung. Es fiel auf, dass trotz des Festes der Liebe und des Lichts keine rechte Freude aufkommen wollte. Die Unterhaltungen waren leise, viele hingen ihren Gedanken nach und man konnte hier und da ein verheimlichte Träne in den Augen sehen. Die Stimmung war gedrückt, denn viele wussten nicht, wo sie hingehen sollten, wenn dieser Abend zu Ende war.
Es sind die vergessenen Bürger einer deutschen Stadt, einer Stadt, die ansonsten von sich sagte, wohlhabend zu sein. Durch das soziale Netz gefallen und keine Kraft mehr sich wieder zu erholen wurden sie durch Alter, Krankheit und einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik zu Sozialfällen, zu Menschen zweiter Klasse, die am Rande des Existenzminimums vegetierten. Da hilft ihnen auch nicht der Artikel 1 des Grundgesetzes in dem höhnisch verankert ist das die Würde des Menschen unantastbar sei.

So auch der Hannes ..., dreißig Jahre hatte er bei der Reichsbahn gearbeitet, bei Wind und Wetter rangiert, ist nie ernsthaft krank gewesen bis, ja bis der Unfall passierte, er schwer behindert und plötzlich unbrauchbar wurde. Für eine Rente war er nicht kaputt genug. Oder Lieschen ..., früher Verkäuferin beim Konsum, mit siebenundfünfzig Jahren nun zu alt um noch dem Service der heutigen Zeit gerecht zu werden und damit hoffnungslos auf Arbeit. So könnte man von jedem der Anwesenden eine eigene Geschichte schreiben, aber wen interessiert das schon. Da sind ja noch die anderen Fenster, Fenster die Geborgenheit und Zuversicht ausstrahlen und diese Fenster sagen: „Lasst sie draußen wo sie sind. Jeder hat mit sich zu tun, was geht uns das Leid Anderer an“. Und aus diesen Fenstern tönt es besonders laut „Stille Nacht, Heilige Nacht…….“

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