methodistische Jahresendpredigt
Und nun ihr, die ihr sagt: „Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen“ und wißt nicht, was morgen sein wird. Was ist euer Leben? Ein Rauch seid ihr, der eine kleine Zeit bleibt und dann verschwindet. Dagegen sollt ihr sagen: „Wenn der Herr will, werden wir bleiben und dies und das tun.“ (Jakobus 4, 13 – 15).
Danach folgen noch einige Ermahnungen, nicht übermütig zu werden.
Im Neuen Testament werden fünf verschiedene Männer mit dem Namen „Jakobus“ genannt. Einer von ihnen ist wahrscheinlich der leibliche Bruder von Jesus. Die Überlieferung sagt, daß er erst nach Jesu Auferstehung erkannte, daß dieser Jesus, mit dem er zusammen aufgewachsen war, tatsächlich der Messias ist. Danach engagierte sich Jakobus in den ersten christlichen Gemeinden in Jerusalem und wurde bald ihr Führer. Ihm verdanken wir wahrscheinlich diesen Brief, den er für verschiedene judenchristliche Gemeinden schrieb.
Man hat den Jakobus-Brief oft mit den Paulus-Briefen verglichen, und da schnitt Jakobus immer ziemlich schlecht ab. Er spricht beispielsweise von der Vergänglichkeit des Menschen ähnlich wie wir es aus verschiedenen alttestamentlichen Schriften kennen. Aber das Neue, das mit Jesus in die Welt gekommen ist, läßt er außen vor. Die Auferstehung Jesu und unsere Hoffnung auf ein ewiges Leben in Jesu Gegenwart wird in diesem Brief gar nicht erwähnt.
Jakobus verfolgte allerdings ganz andere Ziele als Paulus. Paulus mußte als Missionar den neu gegründeten christlichen Gemeinden erst einmal die Grundlagen des christlichen Glaubens beibringen, danach erst die Konsequenzen, die sich für Christen daraus ergeben. Jakobus dagegen geht es weniger um Glaubensinhalte als um den Glaubensvollzug. Bei den ersten christlichen Gemeinden in Jerusalem konnte er das Glaubensfundament, das Paulus erst legen mußte, voraussetzen, und deshalb war es Jakobus an erster Stelle wichtig, daß Christen sich in ihrem Leben und in ihrem nichtchristlichen Umfeld tatsächlich in Wort und Tat als Christen bewähren.
Wahrscheinlich machte er als Gemeindeleiter immer wieder die Erfahrung, wie oft Theorie und Praxis auseinanderklaffen und wie leichtsinnig und oberflächlich Menschen oft mit ihrem Leben umgehen. Deshalb ist sein Brief voller praktischer Ermahnungen. Manches könnte direkt aus der Feder unseres methodistischen Kirchenvaters John Wesley stammen.
In unserem Text wendet sich Jakobus an eine Gruppe von Kaufleuten, bei denen Handel und Gewinn im Mittelpunkt stehen. Sie sind für ihn ein Beispiel für falsche Selbstsicherheit, vielleicht auch für rücksichtsloses, eigenmächtiges Planen. Sie werden daran erinnert, daß die Zeit, über die sie zu verfügen meinen, nicht in ihrer Hand steht.
Man kann sich darüber ärgern; denn schließlich gibt es Sachzwänge, an denen wir nicht vorbeikommen. Der neue Terminkalender, der in den nächsten Tagen erst anfängt, ist bei vielen schon bedrohlich voll. Trotzdem sind diese Terminkalender eine unentbehrliche Hilfe, damit man sich aufeinander verlassen kann und nichts Wichtiges vergißt, und sie enthalten ja nicht nur unvermeidliche Termine, sondern auch solche, auf die wir uns schon heute freuen. Terminkalender helfen uns bei einer sinnvollen Planung unserer Zeit, und ist mit Sicherheit nicht gegen Gottes Willen.
Unser Predigttext ist oft mißverstanden worden, als müsse man vor alle Aktivitäten zunächst ein großes Fragezeichen setzen. Wer kann wissen, was Gott will und was morgen sein wird? Zu Skepsis bis hin zu Fatalismus soll unser Predigttext jedoch nicht führen. Mir fielen spontan mindestens 6 Punkte ein, die ich gerne weitergeben möchte.
1. Wir sind keiner Willkür oder irgendwelchen Zufällen ausgeliefert, sondern haben einen Herrn im Himmel, der Herr über Leben und Tod ist und dem wir uns bedingungslos anvertrauen können. Dietrich Bonhoeffer hat das in seinem bekannten Neujahrsgedicht an seine Freunde kurz vor seinem gewaltsamen Tod beeindruckend zum Ausdruck gebracht. Er schreibt ihnen, daß er sich von guten Mächten wunderbar geborgen fühlt und getrost in das neue Jahr geht, egal, was es bringen mag. Er durchlebt diese schwere Zeit im Gefängnis in der Gewißheit, daß Gott ihn an keinem Tag alleine läßt.
2. Wir haben es nicht nötig, unsere Sterblichkeit zu verdrängen, sondern lernen, mit unseren Grenzen zu leben. Das ist ein großer Vorzug gegenüber allen, die Jesus Christus nicht kennen.
3. Mit diesem Glauben können wir viel freier und unbeschwerter in die Zukunft gehen. Er bewahrt uns aber auch davor, überheblich zu werden.
4. Wir müssen nicht um jeden Preis die großen „Macher“ sein, die alles voll im Griff haben; denn Gott spricht: „Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“ (Josus 1,5)
5. Wir lernen es, Prioritäten zu setzen, auch in unserem ganz persönlichen Leben. Es ist nicht alles gleich wichtig. Am Ende eines Jahres kann es durchaus hilfreich sein, einmal innezuhalten und darüber nachzudenken: Was steht in unserem augenblicklichen Leben im Mittelpunkt? Welchen Ballast können wir im alten Jahr zurücklassen oder im neuen Jahr so schnell wie möglich abwerferden?
Und ganz konkret geht es in unserem Text um eine Frage, die wir gern verdrängen. Wir würden wir unser Leben gestalten, wenn wir wüßten, daß wir das nächste Jahresende nicht mehr erleben würden?
6. Das führt mich schließlich zu Punkt 6 meiner Überlegungen. Dankbarkeit gegenüber Gott, weil meine Zeit in seinen Händen liegt. Das Wort „Dankbarkeit“ kommt zwar in unserem Text nicht vor, denn er ist ja an erster Stelle als Mahnschreiben gedacht. Aber wenn wir diese Mahnungen ernst nehmen und bei unserer Arbeit immer wieder nach Gottes Willen fragen, dann können wir erfahren, daß an die Stelle von Pessimismus Platz für Lob und Dank tritt.
Was uns Jakobus auf seine Weise sagen will, bringt Paulus in seinem Brief an die Kolosser klar zum Ausdruck: „Alles, war ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn.“
Dieser obige Text ist nicht auf meinem persönlichen geistig-geistlichen Mist gewachsen. Er stammt aus der Predigt, die Gisela Thimm aus Bonn zum Jahreswechsel 2018 / 2019 in der methodistischen Zions-Gemeinde in Mülheim gehalten hat. Der Text ist deswegen in kursiv gehalten, um ihn als Zitat zu kennzeichnen; ich habe mich dabei auf diejenigen Textstellen konzentriert, die mir persönlich wichtig und bedeutsam sind. Die Predigt als solche ist deutlich umfangreicher.
Bürgerreporter:in:Andreas Rüdig aus Duisburg |
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