Mühlheimerin wird vom Kickers-Fan zur Helferin für Leukämiekranken
Fast genau neun Jahre ist es her, dass Tanja Panico an einem Sonntag im April die Offenbacher Kickers spielen sehen wollte. Am Biberer Berg kam die Mühlheimerin beim Info-Stand der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands ältester Stammzellspenderdatei, vorbei: „Vielleicht einem Leukämiepatienten helfen? Da habe ich nicht lange überlegt und mich einfach registriert“, erinnert sich die 37-Jährige. Heute ist es soweit: Durch eine Stammzellspende gibt sie einem an Leukämie erkrankten Menschen, die Chance auf Leben – ihrem fremden, genetischen Zwilling.
„Als ich jetzt hörte, dass ich jemandem helfen kann, schossen mir Tränen in die Augen. Für mich stand sofort fest, dass ich spende“, erzählt die zweifach Mutter. Leukämie ist nur eine der bösartigen Erkrankungen, die eine Übertragung gesunder Blutstammzellen erfordern können. Mit einer solchen Spende bekommt der Patient ein neues blutbildendes System – seine einzige Chance auf Leben, wenn Chemotherapie oder Bestrahlungen nicht geholfen haben. Dies ist aber nur möglich, wenn es Menschen wie Tanja Panico gibt, die sich typisieren lassen – sprich: als Stammzellspender einer Spenderdatei erfasst sind. Denn um Stammzellen transplantieren zu können, müssen die Gewebemerkmale von Spender und Patient übereinstimmen.
Die Stefan-Morsch-Stiftung leistet seit fast 30 Jahren Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel ist es, Menschen über die Chancen der Stammzellspender zu informieren. Bundesweit sind täglich Teams unterwegs, um junge Menschen als Stammzellspender zu gewinnen. 2007 riefen Familie und Freunde eines leukämiekranken Jungen aus der Region, mit der Stiftung zur Registrierung als möglicher Spender auf. Bei mehreren Terminen ließen sich fast 3000 Menschen als potenzielle Lebensretter registrieren. Die Altenpflegerin war eine von ihnen.
In den Knochenmark- und Stammzellspenderdateien wie der Stefan-Morsch-Stiftung sind derzeit weltweit mehr als 25 Millionen Menschen registriert – trotzdem ist es für jeden Patienten ein Glücksfall wenn sich passender Spender findet.
Die 37-Jährige ist so ein Glücksfall. Jeden Tag ist sie im Raum Mühlheim im Auftrag der Metzgerei Preis unterwegs, um Mittagessen auszufahren. „Vor allem Senioren bestellen diesen Dienst. Je nach Bedarf helfe ich Pflegebedürftigen auch beim Essen.“ Vor einigen Monaten bekam sie dann einen Brief der Stefan-Morsch-Stiftung: Sie kam als Spenderin für einen Patienten in Frage, ob sie bereit wäre, zu helfen. Da hat Panico nicht lange überlegt: „Ich hab mich sehr gefreut, dass ich vielleicht helfen kann. Meine Familie fand das eine super Sache, auch wenn sie sich auch Sorgen um mich gemacht haben.“ Auch von Arbeitgeberseite wird ihr Engagement unterstützt: „Meine Chefin findet es toll, dass es heute diese Möglichkeit gibt.“
Bevor Tanja Panico Stammzellen spenden durfte, wurde sie umfassend aufgeklärt und gründlich untersucht. Dann beginnt die entscheidende Phase vor der Transplantation. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird. Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – entnehmen die Mediziner Knochenmark aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde.
Zu diesem Zeitpunkt erfahren weder Tanja Panico, noch der Patient, wer der andere ist. Bis zum Ablauf von zwei Jahren bleiben sie anonym. Erst danach besteht die Möglichkeit, je nach Gesetzeslage des Landes, in dem der Patient lebt, dass Spender und Patient einander kennenlernen können. Häufig denkt Panico an den unbekannten, der ihre Hilfe braucht. „Ich frage mich oft, wie er sich fühlt und hoffe, dass er den Lebensmut nicht verliert. Ich spreche viel mit meinen Kindern und Freunden darüber und hoffe, dass er oder sie weiterleben kann.“
Die 37-Jährige hat mittels der Apherese Stammzellen gespendet: „Das lange, ruhige Sitzen war anstrengend. Aber die Mitarbeiterinnen haben mich gut umsorgt und alles hat super funktioniert. Immer wieder!“
Emil Morsch, Vorstandsvorsitzender der Stefan-Morsch-Stiftung, erklärt: „Das Beispiel von Tanja Panico zeigt: Eine solche Typisierungsaktion hat immer nachhaltige Wirkung – vielleicht wird schon in wenigen Wochen oder Monaten ein Spender, der sich heute hat typisieren lassen, einem Menschen Hoffnung auf Leben schenken können. In jedem Fall aber bietet die Typisierung die Chance, dass nach Jahren, aber auch noch Jahrzehnte später Leben gerettet werden kann. Zugleich wird durch einen solchen Aufruf diese weitestgehend unbeachtete Form der Lebendspende in der Öffentlichkeit thematisiert.“
Antworten auf die häufigsten Fragen rund um das Thema Stammzellspende:
Wie und wo kann man sich typisieren lassen?
Die aktuellen Termine für die Typisierungsaktionen der Stefan-Morsch-Stiftung findet man auf der Homepage. Zudem gibt es dort auch die Möglichkeit, sich online registrieren zu lassen. Über den Button „Online-Registrierung“ auf der Startseite kann man, die Einverständniserklärung ausfüllen und sich ein Entnahmeset zuschicken lassen. In dem Päckchen ist das entsprechende Material, um sich bei seinem Hausarzt eine kleine Blutprobe entnehmen zu lassen oder einen Abstrich der Mundschleimhaut durchzuführen. Dieses Päckchen wird einfach an die Stefan-Morsch-Stiftung zurückgesendet.
Jeder gesunde Erwachsene zwischen 18 und 40 Jahren kann kostenlos als Stammzellspender registriert werden. Freiwillige die älter sind als 40 Jahre und Frauen mit mehr als zwei Schwangerschaften sollten sich vorab auf der Internetseite der Stefan-Morsch-Stiftung (www.stefan-morsch-stiftung.de) informieren. Dort lassen sich auch weitere Ausschlusskriterien nachlesen. Info: Stefan-Morsch-Stiftung, gebührenfreie Hotline (08 00 - 766 77 24)
Soll man sich in mehreren Stammzellspenderdateien aufnehmen lassen?
Wer bereits typisiert ist, sollte sich nicht noch einmal registrieren lassen. In Deutschland gibt es insgesamt 30 Spenderdateien. Alle diese Spenderdateien und auch die Stefan-Morsch-Stiftung speisen ihre Daten in das deutsche Zentralregister der ZKRD in Ulm ein. Dort sind sie für weltweite Suchanfragen abrufbar. Deshalb genügt es, wenn Sie einmal in einer Datei registriert wurden. Um im Ernstfall einen passenden Spender ausfindig zu machen, sind wir darauf angewiesen, dass die Kontaktdaten auf dem aktuellen Stand sind.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient einen passenden Spender findet?
Die Wahrscheinlichkeit, für einen Patienten einen kompatiblen Stammzellspender zu finden, liegt in der Größenordnung von 1:10.000 und 1:1.000.000 und ist abhängig von den für eine Transplantation relevanten Gewebemerkmalen (HLA-Werten) des Patienten. Je genauer die Übereinstimmung zwischen den Merkmalen dieses DNA-Teilstückes des Spenders und denen des Patienten ist, umso größer sind die Erfolgsaussichten für eine Stammzelltransplantation.
Wie kommt das Transplantat vom Spender zum Patienten?
Nach Entnahme der Stammzellen beim Spender ist Schnelligkeit und Sorgfalt gefragt: Innerhalb von 72 Stunden muss das Transplantat beim Patienten eintreffen, denn nur solange sind die Zellen haltbar. Daher wird den speziell zertifizierten Stammzellkurieren eine wichtige Aufgabe zuteil. Sie bringen das Transplantat von der Entnahmestation in die Transplantationsklinik, wo der Patient auf die lebenswichtige Stammzellspende wartet. In einigen Fällen müssen die Stammzellkuriere viele tausend Kilometer zurücklegen, wenn zum Beispiel ein deutscher Spender einem Leukämiekranken in Kapstadt (Südafrika) die Chance auf Heilung gibt. Die Stefan-Morsch-Stiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine schnelle und reibungslose Übermittlung des Transplantats sicherzustellen.
Sollten Sie noch Fragen haben – die Stefan-Morsch-Stiftung ist unter der gebührenfreien Hotline 08 00 - 766 77 24 oder über info@stefan-morsch-stiftung.de erreichbar. Auf der Homepage www.stefan-morsch-stiftung.de oder via Facebook kann man sich ebenfalls informieren.
Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die gemeinnützige Stiftung seit 1986 Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. So werden täglich Stammzell- oder Knochenmarkspender aus der stiftungseigenen Spenderdatei von mehr als 400 000 potentiellen Lebensrettern weltweit vermittelt. Die Stiftung ist Mitglied der Stiftung Knochenmark- und Stammzellspende Deutschland (SKD).
Bürgerreporter:in:Annika Zimmer aus Birkenfeld |
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