Das Hängematten-Camp

Von zwei bis zwölf ist alles vertreten, was auch das Zeug für einen Helden von Kummerow gehabt hätte. Rund um Zelte, VW-Busse mit Dachzelt und Rundum-Markise hängen von Baum zu Baum die Hängematten der Bande. Über allem weht die schwarze Seeräuberflagge. Eine beigefarbene Hündin namens Elsa reicht dem Kleinsten bis zur Schulter. Sie ist geduldig dabei, lässt sich knuddeln und liegt entspannt auf dem Steg. Dort findet in den ersten Strahlen der Morgensonne ein Camping-Kinder-Treffen statt. Derweil führt ein Blesshuhn seine Jungen aus.
„Gehst du aufs Gymnasium?“, fragt die kleine Blonde im roten T-Shirt.
„Ja!“
„Und? Bist du gut?“
Entrüstet: „Nein!“, antwortet die Große in den engen Jeans und dem flatterigen Oberteil.
„Warum?“. Die Kleine lässt nicht locker.
„In Englisch habe ich eine 4. Nur in Mathe eine Zwei plus“, liefert die Große ihre Begründung und plätschert mit den Füßen im Wasser, wie die Gleichaltrige neben ihr; sie lächelt nur.

Elsa liegt ausgestreckt auf den Stegbrettern und wehrt sich nicht als der schweigsame Junge sie umarmt und seinen Kopf an sie drückt.
„Ich liebe sie. Sie ist so süß“, sagt er bei der Umarmung und knuddelt ihre Stummelohren. Elsa lässt es geschehen und klopft mit dem Schwanz auf die Stegbretter wie ein Ringer, der sich geschlagen gibt.

In der Hängematte vor einem Zelt liegt ein kleiner Pirat. Seine Wangen sind ausgebeult von gefangenen Gummibärchen. Daneben sitzt eine junge Frau und liest spannende Geschichten vor. Die Hängematte schwingt im lauen Wind hin und her.

„Nehmt die Füße hoch. Sonst kann das Wasserhuhn nicht zu seinen Jungen im Schilf!“, kommandiert die Kleine im roten T-Shirt. Vor dem Steg schwimmt das Blesshuhn aufgeregt auf und ab. Die Jungen piepsten im Schilf, das gleich hinter dem Steg beginnt. Die vier Füße gehen hoch, und das Huhn eilt unter den Steg. Elsa klopft mit dem Schwanz auf die Bretter, die Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen.

Sommerlich warm ist die Sonne bereits. Die Birken und Erlen tragen hellgrüne Blätter. Von den Kiefern regnet es gelegentlich runde Zapfen. In der Nacht hat ein Waschbär den Müllsack, der hinten am Bulli hängt, geleert und neu sortiert.

Zwei Meter über dem Boden, quasi im zweiten Stock hängt sie zwischen zwei Kiefernstämmen, darunter noch eine im ersten Stock und unten die Hängematte im Erdgeschoss. Alle drei sind belegt. Ganz oben das Mädchen, aber jetzt schwarz gekleidet. Die blonden Haare reichen bis zu den Schultern. Sie sitzt in luftiger Höhe, lässt die Beine baumeln, auf den Oberschenkeln die Ellenbogen gestützt und das Kinn in den offenen Händen. Herab schaut sie auf das Leben dort unten, das sich um eine Feuerschale versammelt hat. Aus einem dicken Buch werden Geschichten vorgelesen. Der Tag hat erst begonnen. In der Nacht hatten Regen und Sturm das Regiment übernommen, aber das Hängematten-Camp lag in tiefem Schlaf.

Morgen ist Himmelfahrt, was auch für Väter samt Anhang wie eine Aufforderung zum Ausschwärmen ist. Und so hat sich um die Hängematten der Platz gefüllt, der sich C 24 im 1000-Seen-Land nennt. Alte Sanitätsfahrzeuge und ein ausrangiertes Feuerwehrauto bilden mit weiteren Bussen eine neue Wagenburg.

Sie streifen umher, eine Bierflasche in der Hand, Männlein wie Weiblein. Immer noch kommen Neuankömmlinge und suchen ihren idealen Platz. Die Hängematte im zweiten Stock ist wieder bezogen und wird zur wilden Schaukel. Keine Helikoptereltern gebieten ängstlichen Einhalt – gut so! Über dem Tippi zieht vom Ofen eine Rauchfahne. Die weiteren Hängematten sind auch belegt. Es schaukelt überall in den Abend. Winkt die junge Frau mit dem Jährling auf der Hüfte oder verscheucht sie die Mücken? Ein knallroter T 2 Bulli ist eingetroffen, Reserverad vorne zwischen den runden Scheinwerfern, die wie lächelnde Augen anmuten.

Copyright Gerhard Falk, 2017

Bürgerreporter:in:

Gerhard Falk aus Dautphetal

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