Vor zehn Jahren typisiert, heute die Chance ein Leben zu retten
Neben ihrer Arbeit beim Gemeindeverband Katholischer Kirchengemeinden in Meschede (Hochsauerlandkreis) bringt die 30-Jährige Tanja Thiele als Fitnesstrainerin andere dreimal pro Woche ins Schwitzen. Jetzt hat die Medebacherin noch ein anderes Ziel: Vor rund zehn Jahren hat sie sich bei der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands ältester Stammzellspenderdatei, als potenzielle Lebensretterin registrieren lassen. Das war Schritt eins auf dem Weg zur Lebensretterin. Schritt zwei kam jetzt: Zufällig ist Tanja Thiele die genetisch passende Spenderin für einen an Leukämie erkrankten Menschen: „Für mich war klar, dass ich helfe.“
Im Sommer 2004 registrierte sich Tanja Thiele in Hallenberg-Hesborn bei einem DRK-Blutspendetermin, wo auch die Stefan-Morsch-Stiftung vor Ort war. Typisierung lautet der Fachbegriff. Damals ließ sich die 30-Jährige während der Blutspende einen Fingerhut voll Blut zusätzlich abnehmen. Seitdem sind ihre Gewebemerkmale für weltweite Suchanfragen gespeichert. Nahezu täglich sind Teams der gemeinnützigen Stiftung bundesweit unterwegs, um über das Thema Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke aufzuklären – auch in Kooperation mit dem DRK Blutspendedienst West. Es geht darum, Menschen zu sensibilisieren, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen.
Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland etwa 11 000 Menschen an bösartigen Blutkrankheiten wie etwa der Leukämie. Jeder zweite Patient ist ein Kind oder Jugendlicher. Je nach Leukämieart variieren die Heilungsaussichten. Oft reicht die Behandlung mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung nicht aus. Dann ist die Übertragung gesunder Blutstammzellen die einzige Hoffnung auf Leben. Eine solche Transplantation ist aber nur möglich, wenn sich ein passender Stammzell- bzw. Knochenmarkspender zur Verfügung stellt, der die gleichen genetischen Merkmale hat, wie der Patient.
Neun Jahre seit ihrer Registrierung vergehen, in denen Tanja Thiele ihr Hobby Sport zum Nebenberuf macht und sich als Trainerin ausbilden lässt. Mittlerweile gibt sie im Sportstudio Pro Body in Korbach Kurse zu Step-Aerobic und Ganzkörpertraining. Wenn sie nach Hause kommt, warten schon Merlin und Cleo, ihre beiden Katzen auf sie.
Im Juli 2013 meldet sich die Stefan-Morsch-Stiftung bei der Sportlerin: Sie kommt als Spenderin für einen an Leukämie erkrankten Menschen in Frage, lautet die Nachricht. „Ich war schon überrascht. Nach fast zehn Jahren hatte ich nicht mehr damit gerechnet. Ich wusste sofort: Das machst du“, erzählt sie. Nach einer erneuten Blutuntersuchung war wenige Wochen später klar, dass neben ihr noch ein Spender passt – und für diesen entschieden sich die Ärzte der Transplantationsklinik. Doch es kam nicht zur Spende. Die Gründe dafür kennt Tanja Thiele nicht. Ein Jahr später, im Winter 2014 wird sie wieder von der Stiftung kontaktier: Diesmal wird es ernst mit der Spende.
Doch bevor sie spenden darf, muss sie zur Voruntersuchung. Dort wird zu ihrer Sicherheit abgeklärt, ob sie ganz gesund ist. Und sie wird komplett über die Chancen und Risiken, aber auch über den Ablauf der Spende aufgeklärt.
Mit der Übertragung von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird. Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – punktieren die Ärzte unter Vollnarkose den Beckenknochen des Spenders – niemals das Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde.
Die Sportlerin hat sich mittels Apherese Blutstammzellen entnehmen lassen. Das bedeutete, dass sie sich ein paar Tage vorher spritzen musste. „Das war kein Problem, ich hab es einfach gemacht“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Nach der Stammzellentnahme wirbt sie für die Typisierungstermine, die die Stefan-Morsch-Stiftung in den kommenden Wochen im Hochsauerlandkreis anbietet:
Mittwoch, 21. Januar, 16.30 bis 20.30 Uhr, Meschede Nord, Berufskolleg, Dünnefeldweg 5
Donnerstag, 29. Januar, 17 bis 21 Uhr, Marsberg-Niedermarsberg, Realschule, Lillers Str.
Donnerstag, 29. Januar, 16.30 bis 21 Uhr, Bestwig OT Velmede, Schützenhalle, Bundesstr.
Dienstag, 3. Februar, 16 bis 20 Uhr, Arnsberg-Hüsten, Petrus Haus Kirchplatz 2
Dienstag, 17. Februar, 16 bis 20.30 Uhr, Meschede-Freienohl, Hauptschule, Im Ohl
Häufige Fragen zu Typisierung und Stammzellspende
Was ist Leukämie?
„Leukämie“ ist der Oberbegriff für eine ganze Gruppe von Erkrankungen des blutbildenden Systems. Das Blut setzt sich aus Zellen (Blutkörperchen) und einer Flüssigkeit, dem Blutplasma, zusammen. Bei den Blutkörperchen werden dabei drei Arten unterschieden: die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), die weißen Blutkörperchen (Leukozyten) und die Blutplättchen (Thrombozyten). Alle Blutzellen haben abhängig von ihrer Funktion eine begrenzte Lebensdauer. Im Knochenmark entstehen daher aus so genannten Blutstammzellen durch Zellteilung oder Reifungsschritte ständig neue Blutzellen, die dann in den Blutkreislauf übertreten. Bei einer Leukämie kommt es zu einer starken Vermehrung von weißen Blutkörperchen, insbesondere der noch funktionsuntüchtigen, jugendlichen Vorstufen. Diese Leukämiezellen verdrängen die normale Blutbildung im Knochenmark. Das stört den normalen Ablauf der Blutbildung und führt zu einem Mangel aller Arten gesunder Blutzellen. Dabei führt die Verminderung roter Blutkörperchen zu Blässe und Leistungsschwäche und die Verminderung der Blutplättchen zu vielen blauen Flecken oder schwer stillbaren Blutungen (Nasenbluten). Das Fehlen gesunder weißer Blutkörperchen führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen.
Abhängig von der Art der weißen Blutkörperchen aus denen die Leukämiezellen hervorgehen, unterscheiden die Mediziner zwischen myeloischen und lymphatischen Leukämien. Beide Leukämiearten können jeweils eine akute oder chronische Verlaufsform annehmen. Akute Leukämien entwickeln sich sehr rasch und ohne Behandlung tritt hier innerhalb weniger Wochen ein lebensbedrohlicher Zustand ein. Im Gegensatz dazu sind chronische Leukämien schleichende Erkrankungen, bei denen der Patient über Monate und Jahre symptomarm bleiben kann.
Ab welchem Alter kann man sich typisieren lassen?
Jeder gesunde Erwachsene ab 18 Jahren kann sich als Stammzellspender registrieren lassen. Mit dem Einverständnis der Eltern kann man sich bereits ab 16 Jahren typisieren lassen. Die Eltern sollten dann die Einverständniserklärung mit unterschreiben. Für die Spendersuche wird man erst mit Erreichen der Volljährigkeit freigeschaltet. Bevor das geschieht, wird der Spender von der Stefan-Morsch-Stiftung noch einmal angeschrieben, um die Einverständniserklärung zu bestätigen.
Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient einen passenden Spender findet?
Die Wahrscheinlichkeit, für einen Patienten einen kompatiblen Stammzellspender zu finden, liegt in der Größenordnung von 1:10.000 und 1:1.000.000 und ist abhängig von den für eine Transplantation relevanten Gewebemerkmalen (HLA-Werten) des Patienten. Je genauer die Übereinstimmung zwischen den Merkmalen dieses DNA-Teilstückes des Spenders und denen des Patienten ist, umso größer sind die Erfolgsaussichten für eine Stammzelltransplantation.
Sollten Sie noch Fragen haben – die Stefan-Morsch-Stiftung ist unter der gebührenfreien Hotline 08 00 - 766 77 24 oder über info@stefan-morsch-stiftung.de erreichbar. Auf der Homepage www.stefan-morsch-stiftung.de oder via Facebook kann man sich ebenfalls informieren.
Die Stefan-Morsch-Stiftung mit Sitz in Birkenfeld ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die gemeinnützige Stiftung seit 1986 Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. So werden täglich Stammzell- oder Knochenmarkspender aus der stiftungseigenen Spenderdatei von mehr als 400 000 potentiellen Lebensrettern weltweit vermittelt. Die Stiftung ist Mitglied der Stiftung Knochenmark- und Stammzellspende Deutschland (SKD).
Bürgerreporter:in:Annika Zimmer aus Birkenfeld |
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