Bewegende Buchpräsentation von Leo Hiemer im Marktoberdorfer Rathaussaal
Der Allgäuer Historiker und Kultregisseur Leo Hiemer hat seinem cineastischen Meisterwerk Leni … muß fort nach weiteren aufwendigen Recherchen nun auch die Buchform Gabi (1937 – 1943) geboren im Allgäu ermordet in Auschwitz angefügt.
Im, mit über 100 Personen gut besuchten Marktoberdorfer Rathaussaal fand am 23. Mai 2019, 18.00 im Rahmen einer ersten Lesung dessen Präsentation statt.
Metropol-Verlag, Berlin. 420 S., € 24.-, ISBN 978-3-86331-455-2. E-Book: 978-3-86331-904-5 € 19.-.
Marktoberdorf war nach einer Gedenkveranstaltung vor zwei Jahren zum 70. Geburtstag von Gabi Schwarz erneut gut gewählter Ort für diese Präsentation, denn er ist nicht nur Geburtsort von Gabriele Schwarz, sondern auch Protagonisten des Geschehens waren hier ansässig.
Erster Bürgermeister Dr. Wolfgang Hell zeigte sich bei seiner Begrüßungsrede vom Buch sehr berührt und hat mit seinem Stadtrat nicht unerheblichen Anteil an dessen Gelingen, nachdem ein Produktionskostenzuschuss geleistet wurde.
Auch weitere gemeinsame Aktion und dabei insbesonders Aufklärungsarbeit an Schulen sind eingeplant.
Die Notwendigkeit zeigte sich selbst an der jungen Moderatorin des Abends, die als Rathausmitarbeiterin mehrfach davon sprach, dass Gabi Schwarz in Auschwitz gestorben sei. In Auschwitz jedoch ist Niemand gestorben: die Toten wurden allesamt brutalst ermordet!
Leo Hiemer stattete zunächst liebevollen Dank bei seiner Ehefrau ab, ohne deren Verständnis und Unterstützung dieses Buch nie Realität geworden wäre.
Alsdann gab es, der Saal lauschte in beklemmend stiller Atmosphäre, die durch musikalische Umrahmung jugendlicher Gitarrentalente der örtlichen Musikschule erträglicher wurde, eine Bogenspannung von 1943 dem Zeitpunkt der Nazi-Gräuel über 1993 der Produktion des Filmes Leni … muß fort zu den Ereignissen der Gegenwart und der jetzigen Buchpräsentation, also über gerade einmal 76, bzw. 26 Jahre.
Sie konnte bewegender nicht sein, ließ so manchen Kloss im Hals der BesucherInnen stecken, trieb Tränen in so mache ihrer Augen.
Weil nicht Alles rechtens ist, was Recht ist!
Bereits am 21. März 2012 startete der studierte Historiker aus dem Ergebnis seiner realen Spurensuchen bei der VHS Kaufbeuren eine Vortragstour, wie sie auch weiterhin für Schulen, Pfarrgemeinden, Vereine oder wie auch immer aufgeschlossene Gruppierung buchbar ist.
Der Einladungen an Leo Hiemer kann es nicht genug geben, sein Verdienst um Aufarbeitung dieser dunklen Phase deutscher Geschichte als Bollwerk gegen Wiederholungen jedwelcher Coleur kann nicht hoch genug eingestuft und gewürdigt werden!
Es darf Niemanden geben, welcher sich diese Sachverhalte nicht vergegenwärtigt hat.
Der Tod und die Qualen von Millionen Menschen fußt auf eine Handvoll Seiten Papier den "Nürnberger Gesetzen", erlassen beim Nürnberger Parteitag der NSDAP im Jahre 1935.
Doch dass das Unheil von Gabi nicht mehr aufzuhalten ist, fußt auf der Tatsache, dass die Nazimaschinerie auch im letzten Winkel Deutschlands wie geschmiert läuft.
Denunzianten, Mitläufer, Bürokraten, Obrigkeitshörige gibt es überall. Und Priester und Nonnen sind nicht tapferer als Andere – ausgerechnet am Heiligabend übermittelt der Bürgermeister die Nachricht, welche mit dem Tod in Auschwitz das Leben eines nur 5 jährigen Mädchen beendet.
Ja: ein Allgäuer Paradies war es wohl, wo Gabriele Schwarz bei ihren Pflegeeltern in Stiefenhofen aufwuchs. Ihre Mutter Lotte hatte nach einigen, beruflichen, wie privaten Lebensbrüchen – von der Heirat eines katholischen Offiziers bis zur geplanten Auswanderung nach Amerika – Viel unternommen um für sich und ihre Tochter ein Entgehen aus dem jüdischen Schicksal zu ermöglichen.
Selbst Michael Kardinal Faulhaber setzte sich über eine Reihe von Kriterien hinweg und half pragmatisch.
Es sind nicht die vielfach gewohnten und oft allzu oft – wie auch jetzt zum Flüchtlingselend – als überdrüssig empfundenen Bilder des Holocaustschreckens, sondern das sensible stille Nachspüren eines bewegenden Einzelschicksales, was diese Arbeit ausmacht.
Alles war seinerzeit zu wenig gegen den vorauseilenden Obrigkeitsgehorsam Vieler. So beklemmt es sehr, in Zeiten der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, sowie der Flüchtlingsfragen, erleben zu müssen, dass die Bayerische Hypobank sich eigeninitiativ bemüßigt sah, sofort nach der Todesnachricht von Mutter Lotte eine Behördenanfrage nach dem Fortgang der Unterhaltszahlungen von Tochter Gabi zu stellen und so deren Aufenthaltsort preis zu geben. Das Todesurteil!
Fragezeichen machen betroffen, auch und gerade in Bezug auf die eben drohenden Wiederholungsgefahren
Sowohl der auf breiter Linie versagende Verfassungsschutz, als zahllose andere in unserem Lande zu erlebende Negativaspekte machen Nazibewusstsein wohl erneut nötiger, denn je.
Und Leo Hiemer spricht Klartext, nennt die positiven Namen mit Rückgrat, wie den Beherbergungsbetrieb Sepp, der direkt gegenüber dem Bahnhof gelegen, entgegen allen Verboten auch Juden Quartier bietet, jedoch auch die feigen Mitläufer und stoischen Befehlsausüber wie das Landratsamt Oberallgäu.
Folgt man Berichten aus Flüchtlingshelferkreisen, hat sich gerade dort so gut wie Nichts geändert
Leo Hiemer selbst wird sehr deutlich: der Punkt im Fall Gabi, dem katholisch getauften angeblichen Judenkind in Stiefenhofen ist ja, dass Gabi dem gepriesenen Idealbild eines arischen Kindes nicht viel näher hätte sein können – deshalb auch das Titelbild mit Dirndl und Tirolerhut. Sie war blond, blauäugig, katholisch getauft und erzogen. Aufgrund einer Sonderbestimmung der Nürnberger Gesetze wurde sie als Volljüdin gebrandmarkt und deshalb und zwar trotz ihrer getauften Mutter, ihrer eigenen Taufe und katholische Erziehung sowie ihres arischen Erscheinungsbildes, also trotz Alledem ausgesondert, deportiert, ermordet und beraubt. Nicht einmal den Mord an einem kleinen arisch aussehenden Mädchen konnte Jemand aufhalten. Angesichts dieser Geschichte müsste eigentlich Jedem klar werden, dass Rassismus und Judenverfolgung wahnhaft waren. Aber der Wahn war zu stark und zu weit verbreitet und die Angst zu groß.
Umso größer die Geste von Esther Bejarano, ausgelöst von einem Thema, welches mir sehr am Herzen liegt. Am 21. März 2019, zum Internationaler Tag gegen Rassismus, hat die bis in ihr hohes Alter ungebrochen engagierte jüdische Auschwitzüberlebende mit Barbara (Maryam) Naziri (Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin mit iranischen Wurzeln) Richtung weisendes Zeichen gesetzt, mit ihrem Appell: “Gleiche Chancen für Roma und Sinti sind eine Säule der Menschlichkeit!
Rund 500.000 Roma – so die offiziellen Zahlen, Insider sprechen aufgrund fehlender Registrierungen sogar von einer Dunkelziffer 1. 0 bis 1.5 Mio.! – aus ganz Europa wurden von den Nationalsozialisten in 11 europäischen Ländern dahin geschlachtet.
Das entspricht mindestens einem Viertel ihrer Gesamtbevölkerung. Die entmenschte Rassifizierung der Roma und anderer Minderheiten war der erste Schritt, um diesen abscheulichen Verbrechen den Weg zu ebnen.
Heute müssen wir die Notwendigkeit erkennen, uns in Erinnerung an ihre historische Verfolgung den Herausforderungen zu stellen, vor denen sie heute noch stehen und die zu oft übersehen werden. Die Augen davor zu schließen, ist eine Menschenrechtsverletzung, ein Verbrechen an der Menschlichkeit. Sinti und Roma sind nach siebeneinhalb Jahrzehnten täglich mit Diskriminierung, Gewalt, Hass und Rassismus konfrontiert.
Und Viele haben immer noch keinen Zugang zu Grundnotwendigkeiten wie menschenwürdige Wohnungen, Bildung und Gesundheitsfürsorge.
Noch heute sind in Deutschland und seinen Nachbarländern die Roma vergessene Opfer des Holocaust. Zudem hat seit Kriegsende der Rassismus, der nach den Gräueln des Nationalsozialismus niemals ausgelöscht war und im Verborgenen weiter wirkte, ständig zugenommen.
Nun zeigt er sich sowohl in Politik, als auch in unserer Gesellschaft, ja, schlimmer: Er ist sogar “gesellschaftsfähig“ geworden. Darum gilt es, dass wir uns heutzutage an unsere gemeinsamen europäischen Werte erinnern müssen, um somit Gleichheit und Nichtdiskriminierung kraftvoll und leidenschaftlich zu verteidigen. Es ist unsere Pflicht, die der Deutschen und aller EU-Mitgliedstaaten, wirksame Maßnahmen zur Erinnerung an historische Gräueltaten sicherzustellen, für den Schutz historischer Stätten zu sorgen und zu erhalten, sowie Bildung und Forschung in diesem Bereich zu fördern. Und es ist die Pflicht eines jeden von uns, unsere Mitbürger mit Würde und Respekt zu behandeln, insbesondere bei den Verletzlichsten in unserer Gesellschaft.
Eine größere Sache steht bzgl. Sinti und Roma an, um einen von Rassismus getriebenen Behörden-/Justiz-/Politskandal der Gegenwart aufzuklären, bei dem alle Kontrollmechanismen versagten. Wir wünschen Erich Neumann allen nur erdenklichen Erfolg und breiteste allseitige Unterstützung, um der so geschundenen Ethnie insgesamt Reputation und Wiedergutmachung zu ermöglichen.“
Wir gehen – und das ist eine meiner stärksten Antriebe – in eine Zeit ohne Zeitzeugen, weshalb es alleroberstes Gebot sein muss, den Holocaust nicht nur – wie im von Dr. Hell verlesen Grußwort von Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, leider der Fall – alleine mit den Verbrechen an den Juden in Verbindung zu bringen, sondern allen andern Betroffenen, wie Euthanasieopfer oder verfolgte Minderheiten der Sinti, Roma und Jenischen ebenfalls Gedächtnis zu schaffen!
Das Vergessen wäre/ist eine Wiederholung der Gräuel: mit Bewusstsein erfolgt fast noch schlimmer, als die NS-Zeit!
Angesichts des gegenwärtig mit unvorstellbarer Gesichtsvergessenheit, wie Verantwortungslosigkeit neu um sich greifenden Extremismus, Hass, Nationalismus und Rassismus ist das unmissverständliche Augenmerk so bitter nötig, wie nie.
Dass zudem sowohl in Teilen der Bevölkerung dahingehend unverblümt artikuliert wird, wie auch Personen, welche sich so äußern, sogar im Deutschen Bundestag sitzen, muss ein unüberhörbar wie unübersehbares Warnsignal an uns alle sein und bleiben!
Mein Respekt vor den ebenso konsequenten wie kontinuierlichen Leistungen von Leo Hiemer führte mich zu dieser Lesung und seine Intentionen sind die meinen. Dabei wird es der, von Esther Bejarano angedeutete Sachverhalt sein, der mich die nächsten Jahre beschäftigt.
Stets jedoch gilt: nicht die Ethnie oder Religion darf Parameter sein, sondern ausschließlich die Tatsache, dass jegliches Unrecht gegen alle Menschen zu unterbleiben hat und wir Alle zusammen niemals locker lassen dürfen, diesen Anspruch auch zu realisieren!
Erich Neumann, freier investigativer Journalist
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Medienunternehmer im Gesundheits- und Justizbereich
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© Bild: www.cmp-medien.de CC – Leo Hiemer bei seiner bewegenden Lesung
© Bild: www.cmp-medien.de CC – BesucherInnen im Marktoberdorfer Rathaussaal, im Vordergrund die Gitarristinnen der Musikschule
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© Bild: www.cmp-medien.de CC – … zur begleitenden Ausstellung …
© Bild: www.cmp-medien.de CC – … bei Aufklärungsveranstaltungen
© Bild: www.cmp-medien.de CC – jüdische Auschwitzüberlebende Esther Bejarano und Journalist Erich Neumann
© Bild: www.cmp-medien.de CC – Leo Hiemer mit Ehefrau beim Signieren seiner Bücher
Bürgerreporter:in:Erich Neumann aus Kempten |
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