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Niemand hat konkrete Probleme wirklich ernst genommen

Die andere Hälfte der Geschichte - Wie Zwickauer Autobauer ihr Leben in der DDR gewürdigt sehen wollen“ lautet die Überschrift eines Artikels, der heute (8.12.) in der sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“ (ND) erscheint. Bei der Lektüre des Artikels erinnerte ich mich an mehr als eine Diskussion hier auf myheimat.

Immer wieder wird in Kommentaren zu politischen Themen auf myheimat ein Satz aus dem bundesrepublikanischen Kalten Krieg aufgewärmt. Damals wurde Kritikern der gesellschaftlichen Zustände in der Bundesrepublik empfohlen „Geht doch nach drüben!“ Da es kein „drüben“ mehr gibt, wird heute gesagt: „Ihr wollt die DDR, den SED-Staat zurück“.

Viele Menschen aus den alten Ländern lassen an der DDR kein gutes Haar. Sie vergessen dabei, dass die übergroße Mehrheit der Menschen in der DDR - wie überall auf der Welt - nichts anderes wollte, als ein gutes Leben zu führen. Und: Diese (Besser-) Wessis haben keine Ahnung von den Widrigkeiten im Alltag der DDR, mit denen Menschen zu kämpfen hatten – und denen sie dennoch trotzten. So heißt es in dem Artikel:

„Wenn Scholz heute die Zeitung aufschlägt oder den Fernseher anschaltet, liest und hört er davon freilich wenig. Der Rentner, dessen Berufslaufbahn bei Sachsenring vor 63 Jahren begann und der zuletzt für die strategische Entwicklung des Betriebs mit seinen 12 000 Beschäftigten und vielen Zweigwerken verantwortlich war, wirft vielen Medien eine »asymmetrische Berichterstattung« vor. Manches werde »überhöht positiv« dargestellt, anderes überhöht negativ. »Unsere Vergangenheit«, sagt er, also das Berufsleben seiner Kollegen und die Früchte ihrer Arbeit, falle in letztere Kategorie. Und das, sagt er unter beifälligem Gemurmel der Umsitzenden, »ärgert mich«.“

Petra Köpping (SPD), seit 2014 Ministerin für Integration und Gleichstellung in Sachsen, erzählt, dass sie in Dresden bei Pegida-Demonstrationen mit Teilnehmern redete und dabei auf Menschen traf, die hochgradig verbittert darüber waren, dass sie auch ein Vierteljahrhundert nach der Einheit nicht mit den Landsleuten im Westen gleichgestellt sind. Während die Politik über die Integration von Flüchtlingen redete, hätten diese gefordert: »Integriert erst einmal uns!«

In einer Rede zum politischen Reformationstag am 31. Oktober 2016 in Leipzig sagte Petra Köpping unter anderem:

"Wenn ich durch Sachsen fahre, über Flüchtlings‐ und Integrationspolitik rede und mit vielerlei Kritik konfrontiert werde, dann stelle ich meinem Gegenüber immer eine Gegenfrage:

„Wer SIND sie denn eigentlich?“ Dann wird schnell nicht mehr über Flüchtlinge geredet, sondern über die eigene Lebensgeschichte. Denn bei diesen Menschen, die reden wollen, zeigt sich schnell, dass ihnen in der Vergangenheit nicht zugehört wurde.

Niemand hat konkrete Probleme wirklich ernst genommen. Niemand hat die Lebensgeschichten gewürdigt. Niemand hat zugehört. Das ist bei vielen Menschen eine Kränkung, die bis heute wirkt. Was wäre denn heute noch einmal neu zu betrachten und zu bewerten, um die Menschen besser zu verstehen? Um die Wende und ihre Brüche und Umbrüche nicht nur wirtschaftlich, ökologisch und politisch zu beschreiben, sondern auch die gesellschaftliche, die soziologische, ja die individuelle Dimension zu verstehen?"

Am Ende ihrer Rede sagt sie:

"Und ich wiederhole mich und die vielfachen Aussagen der Menschen, mit denen ich ins Gespräch gekommen bin, noch einmal: beide Punkte ‐ die allgemeine Verbesserung der Lebens‐ lage im Osten und die Heftigkeit des Umbruchs – beide Punkte sind den Menschen bewusst, doch sie können das Gefühl der Ungerechtigkeit trotzdem nicht kleiner machen.

Lasst uns diesen Menschen die Möglichkeit geben, die ehemaligen Orte ihrer Arbeit und ihres Lebens durch Erzählungen lebendig zu machen; die Verletzungen und Demütigungen dieser Zeit festzuhalten und davon zu berichten. Und lasst uns dabei den Menschen zuallererst einfach nur zuhören! Wir wollen damit keinen Gegenentwurf zur durchaus erfolgreichen Entwicklung unseres Freistaates erstellen, sondern wir wollen das Bild dieser Entwicklung vervollständigen! Es geht mir um beide Seiten der Medaille!"

Erich Kästner sagte einst:

»Wer das, was schlecht war, vergisst, wird dumm«, aber auch: »Wer das, was gut war, vergisst, wird böse

Vielleicht regen diese Zeilen an, eingefahrene Denkmuster zu überdenken.


Die Rede von Frau Köpping hier nachlesen.

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4 Kommentare

Andreas, so machen es andere auch. Über den Dingen stehen.

Hm?

*dass die übergroße Mehrheit der Menschen in der DDR - wie überall auf der Welt - nichts anderes wollte, als ein gutes Leben zu führen.*

Es tut mir leid, aber ich habe noch nie jemanden im Westen gehört, der etwas Anderes annimmt. Wird aber Anderes unterstellt, dann geht das an der Ursache der Probleme vorbei. Man sollte nicht versuchen, die Menschen in den Neuen Bundesländern mit Kinkerlitzchen abzuspeisen sondern besser dem Unmut mancher auf den Grund gehen.

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