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Mai 1954: Marburger Hochzeit mit Hindernissen – eine wahre Geschichte.

Heinrich und Elisabeth planten eine Doppelhochzeit zusammen mit Heinrichs Schwester Karin und deren Verlobten Peter, Elisabeths Bruder. Doch sie hatten ihren Plan ohne Eltern und Schwiegereltern gemacht, denn Heinrichs Familie war protestantisch und die Schwiegereltern katholisch, und keine der beiden Familien wollte eine Trauung in der anderen Konfession akzeptieren. Doch trotz ausgesprochener Boykottdrohungen seitens der beiden beteiligten Familien wurde der Termin auf einen Samstag im Wonnemonat Mai des Jahres 1954 in der St. Michaelis Kapelle gegenüber der Elisabethkirche zu Marburg festgesetzt. Elisabeth hatte sich selbst ein schwarzes Kostüm genäht. Dazu lieh sie sich eine weiße Bluse von einer Bekannten. Auch Heinrich lieh sich einen schwarzen Anzug von einem verheirateten Freund.

Am Morgen der Hochzeit klauten die Jungs noch schnell ein paar Blumen im städtischen „Schülerpark“ und auf ging es zur Doppelhochzeit im „Michelchen“, der kleinen Kapelle. Mangels Anwesenheit anderer Familienmitglieder oder Freunden übernahm jeweils ein Paar die Funktion der Trauzeugen für das andere Paar. Doch dann stellte der evangelische Pfarrer entsetzt fest, dass Heinrich und seine Schwester gar nicht konfirmiert waren. In den Wirren der Kriegsjahre hatten beide lediglich eine Art Fahnenweihe erhalten. Also wurde zunächst eine Konfirmationszeremonie für die beiden vom Nationalsozialismus geschädigten Geschwister und daran anschließend die doppelte Trauung durchgeführt. Schließlich verließen zwei frisch getraute Paare glücklich strahlend die Kapelle.

Heinrichs Oma, die in der Nähe von Hamburg wohnte, hatte als Hochzeitsessen eine Gans nach Marburg geschickt, die Peters Tante Liesel als Hochzeitsmahl zubereiten sollte. Von einer öffentlichen Telefonzelle rief Peter seine Tante an, um ihr mitzuteilen, dass die beiden Brautpaare in einer halben Stunde zum Hochzeitsschmaus kommen würden. Erschrocken teilte ihm Peters Tante mit, dass man den gesamten gestrigen Freitag zusammen mit der gebratenen Gans vergebens auf die beiden Paare gewartet habe. Am Abend habe dann die enttäuscht wartende Familie die fertige Gans verspeist. Somit war das geplante Hochzeitsessen ausgefallen.

Was soll’s? Es war ein herrlicher Frühlingstag. Ein gemietetes Auto war an der nahe gelegenen Elisabeth Kirche geparkt und die vier beschlossen, hinaus ins Grüne zu fahren. Sie fuhren gemächlich durch die Stadt. Heinrich, der den Wagen fuhr, musste an einer Straßeneinmündung halten, um die Vorfahrt zu achten und suchte die Handbremse wie gewohnt rechter Hand. Doch bei diesem PKW befand sie sich links unten als Fußpedal, und so rollte der Wagen ungebremst in die Hauptstrasse hinein, wo er in ein vorbei fahrendes Auto krachte. Der Fahrer des beschädigten Wagens war sehr wütend, weil er ein funkel-nagel-neues Auto fuhr. Ein herbei gerufener Polizist nahm den Unfall auf und fragte, warum die Vier an einem gewöhnlichen Samstag so chic angezogen waren. Na ja, man hatte eben gerade geheiratet, woraufhin der Polizist lakonisch bemerkte, dass man wohl keinen Polterabend gehabt und diesen jetzt nach geholt hätte. Wie Recht er hatte!

Doch die Vier ließen sich nicht den schönen Tag verderben. Sie gingen zu Fuß zum Bahnhof und beschlossen, mit dem Zug nach Frankfurt zu fahren, um dort den herrlichen Frühlingstag im Palmengarten zu genießen. Dort im Palmenhaus machten sie Hochzeitsfotos. Später, wenn sie die Fotos ihrer „Hochzeitsreise“ Bekannten und Freunden zeigten, fragten diese erstaunt, in welchem südlichen Lande die Fotos unter den Palmen wohl gemacht worden waren. Klar, ganz weit im Süden von Marburg - im Frankfurter Palmengarten.

Anschließend bummelten die frisch Vermählten durch Frankfurt und gingen in einem Restaurant essen. Als sie spät abends den Hauptbahnhof erreichten, ging leider kein Zug mehr nach Marburg. So beschloss man, in Frankfurt in einem Hotel zu übernachten. An der Rezeption eines Hotels im Bahnhofsviertel verlangten sie zwei Doppelzimmer. Der Angestellte in der Rezeption schaute sie misstrauisch an und fragte, ob sie denn verheiratet seien. Er verlangte entsprechende Nachweise, weil die vier Personalausweise unterschiedliche Nachnamen aufwiesen. Doch da sie erst heute geheiratet hatten, konnten die Vier keine Papiere vorlegen.
Daraufhin sagte der Portier: „Also wir sind hier ein anständiges Hotel und kein Puff. Gehen sie doch woanders hin!“

Die Vier protestierten heftig und beteuerten noch einmal, dass sie wirklich heute geheiratet hatten.
Sie jammerten und klagten, dass sie doch nicht auf der Straße schlafen könnten. Schließlich gab ihnen der engagierte Sittenwächter ein Doppelzimmer im Parterre für die Damen und ein Doppelzimmer im 3. Stock für die Herren.

Trotz des Familienboykotts, des ausgefallenen Hochzeitsschmauses, des Unfalls, der kurzen Hochzeitsreise und der getrennt verbrachten Hochzeitsnacht hielten beide Ehen bis heute.
Alle Namen sind geändert.

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11 Kommentare

Sehr richtig, denn es gab ja immer noch den kaiserlichen Kuppelei- § 180 StGB.

war mit der Sache Pfarrer Bücking befasst?

Nein, sein Vorgänger. Mehr darf ich nicht verraten.

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