Der Tod fährt mit der Bahn

Wer mir noch einmal erzählt, wir Deutschen lesen zu wenig, dem rate ich künftig, einfach einmal wieder mit der Eisenbahn zu reisen. Schnell wird er begreifen, dieses Volk ist nicht nur ein fahrendes, nein auch ein lesendes. Denn kaum sind sie eingestiegen und haben einen Sitzplatz gefunden, wird in der Tasche gewühlt. Männlein wie Weiblein, ganz gleich ob jung oder alt fördern in den meisten Fällen ein Buch ans Tageslicht und schlagen es sofort auf.

Ruhe kehrt wieder ein, nur die Bahngeräusche sind zu hören, gelegentlich von einem Husten unterbrochen. Der Lesestoff scheint spannend zu sein. Kein Wunder, beim Umschauen lese ich Titel wie “Mittsommer Mord“, „Und jeder tötet, was er liebt“ ‚ direkt neben mir ein „Wintermord“ oder “Die Zahlen der Toten“ und noch einige mehr. Die Dame gegenüber wird immer blasser – den Grund dafür hält sie in der Hand. Ich mag nicht mehr weiterlesen, denn ich habe das Gefühl, nur noch von grausam zugerichteten Toten umgeben zu sein.

An der nächsten Station steigt ein junger Mann zu, Baseball-Cap nach hinten gedreht. Er sitzt genau in meinem Blickfeld als auch er sein Buch aufklappt. Der Titel irritiert mich allerdings völlig:“ Alter Sack, was nun?“ Was mag in einem alten Sack wohl vor sich gehen, denke ich. Zuhause schaue ich direkt mal beim Internet-Buchhändler nach. Aha, ein Survival-Guide für die Lebensmitte, wenn das Bauchgefühl zunimmt und das Hemd nicht mehr zugeht. Und was man mit seiner Restlebenszeit noch so anfängt. Morgen gehe ich direkt mal wieder ins Fitness-Studio…

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Töpfer aus Marburg

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