Neujahr 2017 in Syrien – Ende des Bürgerkriegs in Sicht?

Schulklassen aus Aleppo vor dem Aufstieg zur Zitadelle. Wie viele von den Schülern werden den Krieg überlebt haben?
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In Syrien tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg, in dem für die Gutmenschen die Rollen klar verteilt sind: auf der einen Seite „Rebellen“, welche in Syrien die Demokratie und Freiheit einführen wollen und auf der anderen Seite ein Despot, der unbedingt beseitigt werden soll.

In der Presse kann man immer wieder lesen: auf diejenigen, die für die Demokratie und Freiheit kämpfen, wurden Bomben geworfen, Kinder und Frauen wurden getötet oder diese regelrecht hingerichtet. Die Kriegshandlungen der anderen Seite führten zu „mutmaßlichen“ Verlusten. Die Presse bei uns steht linientreu auf Seiten der Aufständischen. Die eine Seite mordet und metzelt nieder. Bei den Angriffen der Aufständischen wird das Wort „mutmaßlich“ eingestreut. Die Truppen von Assad könnten es ja auch selbst gewesen sein, welche auf ihrer Seite Frauen und Kinder getötet haben. Einem einmal ausgemachten Despoten ist alles zuzutrauen
...

Woher kommt diese Einseitigkeit?

Es kam die Zeit, als Gutmenschen und Volldemokraten bei uns den „Arabischen Frühling“ erfanden. Gutmenschentum sollte auch in anderen Ländern eingeführt werden. Man dachte, was mit dem Export von Erdöl und Erdnüssen funktioniert, kann auch mit der in zweihundert Jahren erworbenen „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gelingen. Bar jeder Kenntnis von Verhältnissen in anderen Staaten und deren Geschichte ging man ans Werk.

Gefunden wurden so genannte Despoten. In Syrien war es Assad. Vater Assad war autoritärer Herrscher. Seit 1971 im Amt warf er 1982 einen Aufstand der Moslembrüder (und Gegner der Schiiten) in Hama nieder mit vielen Tausenden Toten. Sohn Basha al-Assad (ab 1994) wird ein langsamer Wandel nachgesagt. Z. B.: Die Zahl der Universitäten stieg an. Das Leben in dem Land mit vielen verschiedenen Religionen und Stämmen war geregelt. Und auch das: Immerhin leben zudem seit Jahrzehnten fast 300.000 vertriebene Palästinenser in einem eigenen Stadtteil von Damaskus. Assad ging mit Macht gegen Angriffe auf den Staat vor. Allerdings steht hierbei der Assad-Staat nicht alleine. Wie sieht es im Nachbarstaat Israel aus?

Doch ein Nahost-Staat wie Syrien unter Assad kommt den Gutmenschen in Mitteleuropa gerade Recht zu ihrer Selbstverwirklichung. Wenn man es genau ansieht, sind es Stammtischparolen, die in Realität umgesetzt werden.

Menschen hierzulande, die nur das Gute wollen, finden in Syrien Leute, die gewillt sind, „Demokratie und Freiheit“, eben das Gute, in Syrien einzuführen. In der völlig irrigen Auffassung, dass diese in wenigen Wochen Assad aus dem Land hinwegfegen würden, gab und gibt man diesen angeblichen Freiheitskämpfern (wer weiß denn, was die wirklich wollen, außer an die Macht?) viel Geld und viele Waffen, modernste Waffen sogar.

Aber diese Gutmenschen, die überall Demokratie und Freiheit ausbreiten wollen, waren völlig ahnungslos über die wahren Verhältnisse in Syrien. Aus dem sofortigen Überlaufen der Syrer zu den neuen, vom Westen ausgerüsteten Aufständischen wurde nichts. Hätte man doch die Basari vorher gefragt. Aber diejenigen, die in Deutschland (und anderswo) Weltpolitik machen wollten, hatten sich die Welt offenbar nie vorher angesehen oder sich Erkundigungen eingeholt.

Mehrere Jahre Krieg

Die Angriffe auf Assad weiteten sich zu einem Bürgerkrieg aus. Nun griffen auch andere zu den Waffen und wollten an die Macht. Was dabei herauskommt, ist deutlich geworden (hätte man sich aber vorher denken können). Im produzierten Bürgerkrieg sind bis heute bis zu 500.000 Syrer getötet worden. Städte und Dörfer verwüstet, Millionen Flüchtlinge. Man kann Zahlen aus Kriegsgebieten nicht trauen. Und natürlich auch nicht den Zahlen, die von Journalisten zur Veröffentlichung für uns ausgesucht werden, von Journalisten, die für eine Seite Partei ergriffen haben.

Nun redet man seit Neujahr 2017 von Waffenstillstand und eventuell kommenden Friedensverhandlungen. Aber die Geschichte lehrt: Solange es noch in Städten und Dörfern etwas zu erobern gibt, was nicht völlig zerstört ist, wird weiter gekämpft werden. Wie war es in Beirut? Der Bürgerkrieg fand erst nach zehn Jahren ein Ende - als jedes Gebäude zerstört war, kein Stein mehr ordentlich auf dem anderen stand.

Und noch immer ist die Schuldzuweisung in der heimischen Presse eindeutig auf Seiten der „Rebellen“. Dies befördert keinen guten Start für Friedensverhandlungen so sie kommen werden. Noch immer wird man das Ziel verfolgen, Assad abzulösen. Dann hat man seinen Erfolg. Die Toten, Verletzten, Flüchtlinge, Zerstörungen, die für diesen Erfolg zu beklagen sind, werden dann zweitrangig sein.

Es wird deutlich, dass die Gutmenschen bei uns nichts gelernt haben und nichts lernen wollen. Ihnen wird wohl niemals das Licht der Einsicht aufgehen, dass ihr Einsatz für Kämpfer aus Syrien, die vorgeben, „Demokratie und Freiheit“ für Syrien zu bringen, zu Tod und Elend geführt hat. In Realität sind die Kriegstreiber verantwortlich für 500.000 Tote, weit mehr Verletzte, Millionen Flüchtlinge, die alles verloren haben sowie zerbombte Städte und Dörfer, verantwortlich für ein zerstörtes Land.

Da sammelt man doch hier bei uns lieber für Flüchtlinge gute Gaben und will jetzt Gelder (Steuergelder) spenden für den Wiederaufbau Aleppos. Wer aber hat dafür gesorgt, dass dort Krieg ausbrach und unsägliches Leid, vor allem für die arme Bevölkerung eintrat? Man war im Denken nicht so weit, dass jeder angezettelte Krieg zuerst die Armen in der Bevölkerung trifft.

Wahrscheinlich ist es in bestimmten Kreisen noch nicht einmal erlaubt, diese Fragen zu stellen.

Wer einmal dieses Land im Frieden besucht und die unendlich vielen Kulturschätze und das quirlige Leben beispielsweise in Damaskus oder Aleppo erlebt hat, muss auch diese Frage stellen:

Warum wurde verhindert, dass statt des Krieges um Aleppo vielleicht die Rolling Stones vor mehr als 500.000 Besuchern in einem Konzert unterhalb der Zitadelle aufgetreten wären (wie in Havanna)? Das wäre mit einer kontinuierlichen Entwicklung unter Assad nicht nur denkbar, sondern auch durchaus realistisch gewesen. Aber die gutgläubigen Deutschen (und andere Europäer) haben es anders gewollt.

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Es gibt viele gute Gründe, das Wort "Gutmensch" abzuschaffen.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Gimbel aus Marburg

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