JobCenter: Kein Anruf unter keiner Nummer!

Eingang zum Jobcenter Koeln-Sued.
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Der Kunde ist König! So tönte es einst aus deutschen Ämtern, als "Bittsteller" zu "Kunden" mutierten. Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt war das Zauberwort. Was ist davon geblieben: Ein schaler Geschmack und das Gefühl auf den Arm genommen worden zu sein. Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in dieser Woche macht aus dem Gefühl eine Gewissheit. Kunden bleiben Bittsteller und Jobcenter bleiben allem modischen Schnick-Schnack zum Trotz ördinäre bürokratische Ämter.

Denn: Jobcenter (JC) müssen nicht die dienstlichen Telefonnummern ihrer Mitarbeiter herausgeben. Das hat das BVerwG am Donnerstag, 20. Oktober 2016, in Leipzig zu den Jobcentern Köln (Az.: 7 C 20.15), Nürnberg-Stadt (Az.: 7 C 23.15), Berlin Mitte (Az.: 7 C 27.15) und Berlin Treptow-Köpenick (Az.: 7 C 28.15) entschieden.

In allen vier Jobcentern sind die Bediensteten von den Arbeitslosen nicht direkt erreichbar. Alle Anrufe werden über eine zentrale Service-Nummer weitergeleitet. Unter Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz hatten die Kläger die Herausgabe sämtlicher Durchwahlnummern beantragt. Die Jobcenter lehnten dies jeweils ab.

Bundesverwaltungsgericht verwirft Herausgabe von Telefonlisten

Veröffentlichung stellt eine "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" dar

Einem Anspruch auf Informationszugang zu den dienstlichen Telefonnummern der Bediensteten von Jobcentern können sowohl die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Behörde als auch der Schutz der personenbezogenen Daten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entgegenstehen, so das BVerwG im O-Ton.

Harald Thomé, Gründungsmitglied des Erwerbslosen- und Sozialhilfevereins Tacheles e.V. in Wuppertal und einer der profundesten Kenner der Materie SGB II und JobCenter, hatte in der Vergangenheit von einer Reihe Jobcenterleitern höchstpersönlich die Telefonlisten übersandt bekommen, dabei wurde ihm sinngemäß erklärt, dass sie die Veröffentlichung begrüßen, da es sich um „existenzsichernde Leistungen handelt und die Bürger einfach den unmittelbaren Zugang zu der Behörde benötigen, nur so können wir sachgerecht unseren gesetzlichen Auftrag umsetzen“ schrieb mal ein JC Leiter.

Die telefonische Erreichbarkeit eines JC würde also die Funktionsfähigkeit gefährden, sagt das BVerwG. Das ist ja wohl eine Frage der Definition von Funktionsfähigkeit. "Funktionsfähig" im Sinne von abschreckend, abblockend durch Nichterreichbarkeit ist dann sicher gegeben. Einige JC‘s, die sich nicht hinter Callcentern verstecken, haben feste Telefonzeiten und da klappt es mit der Erreichbarkeit und die Arbeitsfähigkeit der JC‘s ist durchaus gegeben.

In der Argumentation des BVerwG sind die JC Mitarbeiter durch Bekanntwerden ihrer (dienstlichen!) Telefonnummer ungeschützt. Ungeschützt vor was? Welches Bild vom Hilfeempfänger steckt dahinter? Wenn man der Argumentation des Gerichts folgen würde, müsste aber sofort jeder JC –Mitarbeitername unkenntlich gemacht werden und eine PaP Nummer (Persönlicher Ansprechpartner im Sinne des § 14 Abs. 3 SGB II in der Fassung ab 1.8.2016 (!)) vergeben werden.

Harald Thomé sagt: "Also mir fällt da nichts mehr zu ein zu einer solchen fast schon kranken und obrigkeitshörigen Argumentation in diesem Urteil. Ich kann mir nur wünschen, dass die Kläger den Vorgang auch noch bis zum Ende bringen und zum BVerfG gehen. Aus meiner Sicht ist es ein Skandalurteil, welches eigentlich keinen Bestand haben darf in einem demokratischen Staat, aber realistischer weise leider vermutlich haben wird."

• Pressemitteilung des BVerwG hier lesen.
Ein Artikel im Spiegel dazu
Ein Artikel in Heise dazu

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) formulierte einst: „Daneben weist die Informationsfreiheit eine individualrechtliche, aus Art. 1 Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitete Komponente auf.... Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie ....“ (BVerfGE 21, 81)

Jetzt wird das Bundesverfassungsgericht beim Wort zu nehmen sein, ob es dieses Recht auch bei Jobcenter Telefonlisten sieht oder ob das Individualrecht vor der behaupteten Staatsräson zurückzustehen hat.

Eingang zum Jobcenter Koeln-Sued.
Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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