Erbschaftssteuer: Geldadel gerecht besteuern!
Im Schatten von Brexit und Fußballeuropameisterschaft verabschiedete der Bundestag am Freitag auf den letzten Drücker eine Novelle des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechtes. Die Novelle soll eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) erfüllen, das die bisherigen Regelungen mehrfach als verfassungswidrig (zuletzt 12/2014) einstufte. Die Frist für die Umsetzung endet am 30. Juni 2016.
Wer allerdings glaubte, die Erben von Betriebsvermögeh würden wesentlich stärker als bisher zur Kasse gebeten, irrte gründlich. Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien - auch die neuerdings wieder mehr von sozialer Gerechtigkeit redende SPD - sind vor der Lobby der Unternehmensverbände eingeknickt.
Für Superreiche gibt es nach wie vor ein gigantisches Steuer-Schlupfloch. Reiche Firmen-Erben zahlen weiterhin kaum Erbschaftssteuer. Da die Erbschaftssteuer von den Ländern vereinnahmt wird, muss der Bundesrat zustimmen. Seine Zustimmung ist fraglich. Die Länderfinanzminister hatten auf höhere Einnahmen gehofft. Ob die Novelle den Anforderungen ces BVerfG genügt, steht ebenfalls in den Sternen. Ein neues Vefahren in Karlsruhe ist wahrscheinlich.
"Erbschaftssteuerreform ist eine Kapitulation vor der Macht steinreicher Firmenerben"
Rede von Sahra Wagenknecht in der Debatte des Bundestages am 24.06.2016 zur Erbschaftssteuer
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Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss wirklich noch einmal sagen: Ich finde es ungeheuerlich,
(Volker Kauder (CDU/CSU): Jawohl!)
dass Sie ein derart grundlegendes und möglicherweise erneut verfassungswidriges Gesetz hier im Eilverfahren und noch dazu heute im Schatten einer solchen Abstimmung wie der in Großbritannien gestern durchpeitschen wollen.
(Christine Lambrecht (SPD): Wo ist denn hier Schatten? - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ich habe es vorhergesagt!)
Ich finde, das ist völlig unangemessen und genau die Politik, die die Leute abstößt. Machen Sie so weiter, dann machen Sie alles kaputt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Natürlich geht es bei der Erbschaftsteuer um die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Zwei Ökonomen der italienischen Notenbank haben kürzlich die Liste der Steuerzahler der Stadt Florenz aus dem Jahr 2011 mit der aus dem Jahr 1427 verglichen. Das erstaunliche Ergebnis war: Die reichsten und einflussreichsten Familien der Stadt waren immer noch die gleichen wie vor fast 600 Jahren. Die gleichen Studien gibt es auch für Großbritannien. Auch für Deutschland lassen sich solche Kontinuitäten mindestens bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. An der Spitze der Einkommens- und Vermögenspyramide hatten wir nie eine Leistungsgesellschaft. Da hatten und haben wir eine Erbengesellschaft mit langen, generationenübergreifenden Familiendynastien, die sich von dem alten Feudaladel nur dadurch unterscheiden, dass ihre Vermögen noch um einiges größer sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um genau diese Vermögen geht es überwiegend, wenn wir über Betriebsvermögen reden. Über 90 Prozent des Betriebsvermögens in Deutschland befindet sich in den Händen der reichsten 10 Prozent aller Familien. Den Löwenanteil haben die reichsten 1 Prozent. Ein gutes Zehntel aus jeder Generation erbt mehr, als die untere Hälfte der Bevölkerung im ganzen langen Arbeitsleben verdienen kann. Das heißt, wer reich geboren wird, bleibt reich. Wer arm geboren wird, der hat mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Armut zu sterben. Das sind die gesellschaftlichen Realitäten in Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wir finden das unerträglich.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als der Liberalismus noch eine lebendige Strömung in der Tradition der Aufklärung war, gehörte der Kampf gegen erbliche Vorrechte zum liberalen Markenkern. Der große Liberale John Stuart Mill forderte explizit, „eine stark belastende Steuer auf jede Erbschaft“ zu legen, die einen moderaten Betrag übersteigt. Auch der Ordoliberale Alexander Rüstow attackierte das, was er das „feudal-plutokratische“ Erbrecht nannte, das nach seiner Auffassung die Marktwirtschaft zur „Plutokratie, zur Reichtumsherrschaft“ verkommen lässt. Ich finde es wirklich traurig, dass solche Traditionen in der heutigen Union keine Heimat und nicht den geringsten Rückhalt mehr haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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Nö...