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Das ökonomische kleine 1x1 - Oder: Was läuft falsch in Deutschland und Europa? (Episode II)

Marburg, Oktober 2013

Das Fazit von Robert Misik in Episode I lautete: Die Wirtschaftspolitik von Angela Merkel funktioniert nicht. Sie kann weder theoretisch funktionieren, noch in der Praxis. Und eine Wirtschaftspolitik bei der in Griechenland eine Arbeitslosigkeit von fast 30 Prozent und eine Jugendarbeitslosigkeit weit jenseits der 50 Prozent heraus kommt, tja, die kann man wohl mit Fug und Recht als gescheitert bezeichnen.

Aber was ist das eigentlich „Wirtschaft“? Wie funktioniert „Wirtschaft“? Und kann dieser Prozess politisch gesteuert werden? Oder nicht? Was ist Geld? Wo kommt das her? Wer macht es? Geld regiert die Welt – aber wer regiert das Geld? Was sind Schulden? Fragen über Fragen. Und diese Fragen, will ich versuchen nach und nach zu beantworten.

Was ist „Wirtschaft“?

So lange auf dieser Erde, wie im Schlaraffenland, keine gebratenen Tauben durch die Luft fliegen, müssen die Menschen etwas tun, um sich zu kleiden, zu ernähren, um Wohnungen zu bauen, kurz um ihr Überleben zu sichern und ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Da Menschen soziale Wesen sind, organisieren sie die Bedürfnisbefriedigung gemeinsam, mal in kleineren Gruppen, wie die Horde in der Steinzeit, mal in größeren Gruppen, wie die Mitarbeiter_innen von Volkswagen.

Umstritten ist bei den Gesellschaftswissenschaftlern, ob diese Tätigkeiten der Bedürfnisbefriedigung über alle Zeiten hinweg, sozusagen überhistorisch, als „wirtschaften“ bezeichnet werden können. Ich persönlich neige der Ansicht zu, dass diejenigen richtig liegen, die sich gegen einen überhistorischen Begriff von „Wirtschaft“ wenden.

Meine Begründung: Die Aufteilung der menschlichen Existenz in verschiedene Lebensbereiche wie „Arbeit“, „Privat“, „Freizeit“ usw. ist ganz sicherlich ein Produkt der Neuzeit und der Moderne. Und ein Produkt der Neuzeit und der Moderne ist auch der Mensch als Individuum, als Subjekt, mit allen Vor- und Nachteilen von individueller Freiheit.

Ammenmärchen

Die VWLer erzählen die Geschichte der Wirtschaft so: Im Zuge der Spezialisierung haben die Menschen Überschüsse von Produkten getauscht, zur Vereinfachung des Tausches das Geld erfunden und dies war schon immer und zu allen Zeiten so, der Faustkeilbesitzer in der Steinzeit war der erste Kapitalist. Blöd nur, dass die Ethnologen, das sind die Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen wie die Menschheit geworden ist, wie sie ist, dass die Ethnologen keinerlei Beweise für diese Theorie gefunden haben (zum Beispiel David Gräber, Schulden - Die ersten 5000 Jahre).

Und heute? Haben Sie schon einmal versucht durch Tauschen so richtig reich zu werden? Oder wann sind Sie das letzte Mal mit Ihren Überschüssen auf den Markt gegangen und haben dafür die Dinge eingetauscht, die sie brauchen? Sind Sie deshalb kein Unternehmer, weil Ihnen das Talent zum Tauschen fehlt? Oder was fehlt Ihnen, um sich selbstständig zu machen?

Erster Wahrnehmungsfehler

In unserer Ökonomie wird nicht getauscht. Es wird gekauft und verkauft. Und Kauf und Verkauf finden in einem Akt statt! Es ist eine Idendität! Das ist zwar so trivial wie 2+2=4 ist, Aber dennoch wird in der Diskussion über ökonomische Sachverhalte diese Trivialität immer wieder außer acht gelassen.

Und die Tatsache, dass gekauft und verkauft wird, hat erhebliche Auswirkungen. Denn in unserer ökonomischen Ordnung – egal wie man sie bewertet – produzieren ökonomische Einheiten Waren und Dienstleistungen für einen Markt. Zwischen Produktion und Verkauf vergeht Zeit, manchmal viel Zeit.

Weil die Erlöse am Markt zeitlich später liegen, muss die Produktion vorfinanziert werden. Das heißt die Maschinen, die Rohstoffe und die Arbeitskräfte müssen gekauft werden, bevor die Waren und Dienstleistungen am Markt verkauft werden können. Und diese Vorfinanzierung wird in aller Regel durch Kredit gewährleistet.

Auf Deutsch und in aller Klarheit: In unserer Wirtschaftsordnung ist der Kredit die Voraussetzung für alles Wirtschaften. Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel. Und ein Kredit ist ein ökonomisches (soziales) Verhältnis zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner. Oder ein sachliches Verhältnis zwischen einem Guthaben und einer Verbindlichkeit (Schulden).

Hier zur Episode III.

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4 Kommentare

Also ich habe Ökonomie anders gelernt.

Erst die Entstehung des Überschusses, d.h. es wird mehr produziert als verbraucht ließ Handel zu. Die Anhäufung dieses Überschusses ist nichts verwerflich, solange alle davon Nutzen haben. Wenn aber diese Überschüsse in wenigen Händen konzentriert werden, an denen nicht mehr die Gemeinschaft teil hat, dann haben wir das - was wir auch heute bemängeln - Ausbeutung und Ungerechtigkeit.

Der Mehrwert ist nur die Differenz zwischen Produkionskosten und Verkaufserlös.

Kaufen und verkaufen ist Tausch! Tausch gegen ein allgemein anerkannten Gegenwert, das "liebe" Geld. Jeder weiß, das die Münzen und Papierscheine an sich kaum etwas wert sind. Erst die allgemeine Anerkennung ihres Wertes machen sie wertvoll. Negativbeispiel die Hyperinflation in Deutschland 1923. Da bekam man für eine Schubkarre von Geld kaum noch ein Brot.
Und Geld hat den Vorteil man kann es stückeln, was bei eine Kuh nicht so eifach geht. Außerdem ist Geld dauerhafter und langlebiger gegenüber Eiern und Brot.

Warum konnten unsere frühen Vorfahren keine Schulden machen? Weil kein Schuldschein, Wechsel oder Pfandbrief auf Tontafeln überliefert worden ist?
Nicht ganz einleuchtend. Man stelle sich vor. Zwei gehen auf die Jagd. Der eine hat Glück, der andere nicht. Also geteilt, unter der Bedingung, beim nächsten mal - bei mehr Glück - den Anteil zurückzugeben. Schon steht der eine in der Schuld des anderen.

> "Man stelle sich vor. Zwei gehen auf die Jagd. Der eine hat Glück, der andere nicht. Also geteilt, unter der Bedingung, beim nächsten mal - bei mehr Glück - den Anteil zurückzugeben. Schon steht der eine in der Schuld des anderen."

! ;)

Sorry, aber ich war diese Woche im Krankenhaus. Konnte daher nicht schreiben.

»Also ich habe Ökonomie anders gelernt.«

Na ja, das muss ja nichts heißen. Bis heute werden die angehenden VWLer mit der hübschen Geschichte vom Tauschhandel und dem sich daraus entwickelnden Geld suboptimal informiert.

»Warum konnten unsere frühen Vorfahren keine Schulden machen? Weil kein Schuldschein, Wechsel oder Pfandbrief auf Tontafeln überliefert worden ist?«

Ich habe nicht gesagt, dass unsere Vorfahren keine Schulden machten. Im Gegenteil. In der Geschichte der Menschheit gab es erst die Schulden, dann das Geld (Gelt), als Opfer, als Sühne. Als Esatz für Menschen- und Tieropfer. Sagen zumindest die Ethnologen und die müssten es eigentlich wissen.

Das moderne Geld beruht auf Eigentum, das verpfändbar in Form von Schuldtiteln in Umlauf gebracht wird, wie Gunnar Heinsohn und Otto Steiger in ihrem Buch „Eigentum, Zins und Geld“ ziemlich überzeugend darlegen. Eine Kurzform findet sich auch in dem Text von Paul C. Martin "Der Kapitalismus - ein System, das funktioniert". Wobei ich viele Ansichten von Paul C. Martin nicht teile, aber in dem Kapitel über Geld liegt er richtig.

Die Episode III der obigen Reihe befasst sich mit dem Thema "modernes Geld", Wer macht es, wie kommt es "auf die Welt", verschwindet es wieder, wenn ja, wie? Das sind die Fragen, die ich in dem nächsten Beitrag - hoffentlich - überzeugend beantworten kann.

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