Bundesverfassungsgericht: EZB darf Staatsanleihen kaufen
Karlsruhe hat gesprochen: Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Im Sommer 2012 sprach Mario Draghi, der Präsident der EZB, die legendären Worte: Die EZB werde „alles Notwendige tun“ (Whatever it takes) um den Euro zu erhalten. In der Folge legte die EZB im September 2012 das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) auf, mit dem der Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt angekündigt wurde.
11.000 Bürger_innen klagten gegen OMT-Programm
Dieses Programm stieß aus ganz unterschiedlichen Gründen in der Bundesrepublik auf erheblichen Widerspruch. Die einen sahen das Beteiligungsrecht des Bundestages und das Haushaltsrecht verletzt (Fraktion DIE LINKE im Bundestag), andere sahen die Kompetenzen der EZB überschritten (Peter Gauweiler, CSU) und wieder andere wie Prof. Dr. Starbatty (damals AfD, heute ALFA) ging selbst die indirekte Staatsfinanzierung durch das OMT-Programm gegen den Strich. Sie alle trafen sich in Karlsruhe. Mehr als 11.000 Bürger_innen und Organisationen erhoben Klagen.
EuGH billigt Vorgehen der EZB
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kam 2014 zu dem Schluss, dass die EZB ihre Kompetenzen - eigentlich - überschritten habe, leitete die Causa allerdings an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Begutachtung weiter. Dieser sollte klären, ob die EZB gegen europäisches Recht verstoße. Der EuGH befand: EZB handelt rechtmäßig. Damit lag der Ball wieder im Feld des BVerfG. Die Spannung stieg: Was wird das BVerfG tun? Wird es sein Urteil von 2014 bestätigen? Und damit dem EuGH widersprechen und einen institutionellen Krach in der Europäischen Union riskieren?
Heute verkündete das BVerfG: „Der Grundsatzbeschluss über das OMT-Programm bewegt sich in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung nicht „offensichtlich“ außerhalb der der Europäischen Zentralbank zugewiesenen Kompetenzen. Zudem birgt das OMT-Programm in der durch den Gerichtshof vorgenommenen Auslegung kein verfassungsrechtlich relevantes Risiko für das Budgetrecht des Deutschen Bundestages.“ Den vollständigen Wortlaut der Pressemitteilung Nr. 34/2016 vom 21. Juni 2016 des BVerfG hier nachlesen. Aufstand abgeblasen.
OMT-Programm nie umgesetzt
Pikant am Rand: Das OMT-Programm wurde nie umgesetzt. Allerdings senkte inzwischen die EZB die kurzfristigen Zinsen in den negativen Bereich und pumpt über Quantitative Easing (QE) genannte Operationen jeden Monat zusätzliche Liquidität in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Interbankenmarkt. Die europäische Konjunktur kommt trotzdem nicht aus dem Quark (siehe hier ) und die Deflation bei den Erzeugerpreisen ist inzwischen europaweit messbar.
Europa verharrt in Deflation und Stagnation
Daran wird sich vermutlich auch nichts ändern, so lange die Bundesregierung an „Schwarzer Null“ und „Schuldenbremse“ festhält. Wie verwirrt müssen eigentlich diejenigen sein, die sich weigern, Investitionen über Kredite zu finanzieren, wenn die Kredite nicht nur nichts kosten, sondern sogar Geld abwerfen? Der Zinssatz für zehnjährige Bundesanleihen ist erstmals in der Geschichte negativ.
Heiner Flassbeck schreibt in seinem Konjunkturbericht vom 21. Juni: »Deutschland muss seine Schuldenbremse vergessen und in die Vollen gehen, damit Europa noch eine klitzekleine Chance hat. Man sieht jetzt in aller Klarheit, wie absurd die Einführung der Schuldenbremse gewesen ist. Obwohl es keine akut große Krise gibt, die als Ausnahmetatbestand für mehr Schulden dienen könnte, obwohl die Geldpolitik alles tut, was sie kann, gibt es nur einen Weg, die europäische Wachstumsschwäche zu überwinden und eine ganz große Krise abzuwenden. Aber dieser Weg ist durch die deutsche Schuldenbremse unsinnigerweise total blockiert.«
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
*...der Wahlspruch des großen Florentiners:
Segui il tuo corso, e lascia dir le genti! (Gehe deinen Weg, und laß die Leute reden!)*
Helmut Kohl übersetzte es volkstümlicher: "Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter."
*...daraus folgen Einkommen und Ersparnisse.*
Da Du das offensichtlich auf den Staatshaushalt beziehst, wovon ich zunächst einmal noch gar nicht geschrieben habe, siehst Du also einen Unterschied zwischen allen Dreien: (1) privaten Haushalten und (2) dem Staatsetat sowie (3) dem Haushalt von Wirtschaftsunternehmen - alle funktionierten nach eigenen Regeln. Wobei der Staat (immer soweit er eine eigene Währung ausgibt) nach Belieben Geld drucken lassen kann - egal wieviel Wert seine Währung dann noch hat?
Letzteres haben ja dann wohl gewisse Mittelmeeranrainer wirklich ernst genommen, bis hin zur Fast-Wertlosigkeit ihres Geldes. Nun, da sie einem Währungsverbund angehören, aber nach alter Manier weitermachen wollen, bricht alles zusammen. Griechenland lässt grüßen! Es zeigt sich sehr deutlich, was passiert, wenn man auf einmal kein "Geld [mehr] schöpfen" kann und von seinen Illusionen, dass Geld erschaffbar wäre, Abschied nehmen muss.