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Arbeitsvolumen seit 20 Jahren konstant

Marburg, Mitte Mai 2015

Vor einigen Tagen habe ich hier Tabellen der Deutschen Bundesbank veröffentlicht. Diese Tabellen zeigen, dass in der Bundesrepublik Deutchland von einem konjunkturellen "Aufschwung" oder gar einem "Boom" nicht die Rede sein kann.

Die Grafiken der Deutschen Bundesbank zur Produktion im verarbeitenden Gewerbe weisen seit 2011 keine nenneswerte Steigerung aus. Die Graphen verlaufen flach wie ein Brett.

Es stellt sich die Frage, wie diese Daten zu den Zahlen des Arbeitsmarktes passen, die doch Monat für Monat immer "glänzender" werden. Auch wenn in der Vergangenheit an der Statistik hin und wieder "gefeilt" wurde, um sie hübscher aussehen zu lassen, alleine damit sind die guten Zahlen vom Arbeitsmarkt nicht zu erklären.

Wer die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Jutta Krellmann (MdB DIE LINKE) und der Fraktion DIE LINKE im Bundestag gelesen hat, kann diese Diskrepanz der Daten gut erklären. Die Kleine Anfrage und die Antwort der Bundesrgierung „Die Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses in den einzelnen Bundesländern“ (Drs. 18/4277) können Sie hier im Original nachlesen.

Arbeitsvolumen seit 20 Jahren konstant

Es gibt in 2014 genau so viel Arbeit wie vor 20 Jahren. Das Arbeitsvolumen und die Zahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten sind von 1994 bis 2014 nahezu gleich geblieben. Die Zahl der Normalarbeitnehmerinnen und Normalarbeitnehmer ist aber zurückgegangen, während die atypische Beschäftigung deutlich zugenommen hat.

Der Anteil der Normalarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer an den Kernerwerbstätigen ist im Zeitraum von 1993 bis 2013 von 76,8 auf 67,5 Prozent gesunken, der Anteil der atypisch Beschäftigten von 13,1 auf 21,4 Prozent angestiegen. Die Zahl der atypisch Beschäftigten ist von 4,4 auf 7,6 Millionen um mehr als 70 Prozent angewachsen.

Insbesondere bei der Leiharbeit (Plus 300 Prozent) und bei den geringfügig Beschäftigten (Plus 277 Prozent) ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, aber auch die Zahl der befristet Beschäftigten ist von 1,8 auf 2,5 Millionen gewachsen.

Der Zuwachs bei den abhängig Beschäftigten (von 30,3 Millionen auf 31,7 Millionen) ist auf die Zunahme von Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit mehr als 20 Wochenstunden ist von 1,7 auf 2,9 Millionen gewachsen (9,1 Prozent der abhängig Beschäftigten), was einem Zuwachs um 70 Prozent entspricht. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 20 Wochenstunden ist von 2,8 auf 5 Millionen angestiegen (15,7 Prozent der abhängig Beschäftigten), das bedeutet ein Plus um 80 Prozent. Zusammen waren im Jahr 2013 24,8 Prozent der abhängig Beschäftigten, also jede und jeder Vierte, in Teilzeit angestellt.

Zu beachten ist, dass Teilzeitbeschäftigte mit mehr als 20 Wochenstunden zu den Normalarbeitnehmerinnen und -nehmern zählen. Der Blick auf die sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten zeigt, dass hier ein deutlicher Rückgang zu erkennen ist: ihre Zahl ist von 1995 bis 2014 um 10 Prozent auf 22,09 Millionen gesunken. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 87,7 auf 73,2 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gesunken. Im Westen ist dabei mit 5 Prozent ein deutlich geringerer Rückgang zu verzeichnen als im Osten mit 28 Prozent.

O-Ton Jutta Krellmann:

„Nun ist es amtlich: 20 Jahre Reformen am Arbeitsmarkt haben für mehr Beschäftigung gar nichts gebracht. Alles nur Gequatsche von den jeweiligen Regierungen. Es gibt heute genau so viel Arbeit wie 1994 nur mehr Menschen teilen sich den gleichen Umfang. Aber zu deutlich schlechteren Bedingungen.

Heute leiden Beschäftigte unter erzwungener Teilzeit, Minijobs, Befristungen, Leiharbeit. Reguläre Vollzeit-Jobs kennen junge Leute nur noch aus Erzählungen. Wir müssen mit dieser Entwicklung brechen und gute Arbeit reorganisieren: Arbeit muss sicher sein, tariflich bezahlt und Mitgestaltung bieten.“

    Die Ergebnisse im Einzelnen

  • Entwicklung von Kernerwerbstätigen und NormalarbeitnehmerInnen von 1993-2013: Während die Zahl der Kernerwerbstätigen von 33,76 Millionen auf 35,63 Millionen gestiegen ist, ist die Zahl der NormalarbeitnehmerInnen von 25,92 auf 24,06 gesunken. Das entspricht einem Rückgang um 7,2 Prozent. Der Anteil der NormalarbeitnehmerInnen an den Kernerwerbstätigen ist von 76,8 auf 67,5 Prozent gesunken (vgl. Antwort auf Frage 1 und 2).
  • In den westlichen Bundesländern ist der Anteil der NormalarbeitnehmerInnen von 75,8 auf 66,8 Prozent gesunken, im Osten von 80,5 auf 70,5 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 1 und 2).
  • Die Zahl der atypisch Beschäftigten ist im Zeitraum von 1993 bis 2013 von 4,4 Millionen auf 7,6 Millionen angestiegen. Dies entspricht einem Zuwachs von 72,2 Prozent. Der Anteil der atypisch Beschäftigten an den Kernerwerbstätigen insgesamt ist von 13,1 auf 21,4 Prozent gewachsen (vgl. Antwort auf Frage 3 und 4).
  • Im Westen ist der Anteil der atypisch Beschäftigten von 13,4 Prozent auf 22,3 Prozent angestiegen, im Osten von 12 auf 17,9 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 3 und 4).
  • Die Zahl der LeiharbeitnehmerInnen ist von 212.000 im Jahr 1995 auf 838.000 im Jahr 2013 angestiegen. Das ist ein Zuwachs um fast 300 Prozent (vgl. Antwort auf Frage 5).
  • Abhängig Beschäftigte gab es im Jahr 1993 30,3 Millionen und im Jahr 2013 31,7 Millionen, davon waren 1993 1,7 Millionen teilzeitbeschäftigt mit mehr als 20 Wochenstunden, im Jahr 2013 waren es dann schon 2,9 Millionen mit einer langen Teilzeit (der Anteil an den abhängig Beschäftigten ist von 5,6 auf 9,1 Prozent angestiegen). Das entspricht einem Zuwachs um 70 Prozent. Zu berücksichtigen ist, dass Teilzeitbeschäftigte mit mehr als 20 Wochenstunden zu den NormalarbeitnehmerInnen zählen (vgl. Antwort auf Frage 8 in Tabelle 8).
  • Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 20 Wochenstunden ist von 1993 bis 2013 von 2,8 auf 5 Millionen angestiegen, was einem Zuwachs um 80 Prozent entspricht. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten mit weniger als 20 Wochenstunden an den abhängig Beschäftigten insgesamt ist von 9,1 auf 15,7 Prozent gestiegen (vgl. Antwort auf Frage 8 in Tabelle 8).
  • Rechnet man die Anteile der Teilzeitbeschäftigten mit mehr als 20 Wochenstunden und mit eniger als 20 Wochenstunden zusammen, ergibt sich ein Anteil von 24,8 Prozent Teilzeitbeschäftigten insgesamt. Das bedeutet jede und jeder Vierte abhängig Beschäftigte war in 2013 teilzeitbeschäftigt (vgl. Antwort auf Frage 8 in Tabelle 8).
  • Die Zahl der befristet Beschäftigten ist von 1993 bis 2013 von 1,8 auf 2,5 Millionen angestiegen, der Anteil von 5,9 auf 8 Prozent der abhängig Beschäftigten (vgl. Antwort auf Frage 6 in Tabelle 8).
  • Die Zahl der geringfügig Beschäftigten ist von 649.000 auf 2,44 Millionen angestiegen, was einem Zuwachs um 277 Prozent entspricht. Der Anteil der geringfügig Beschäftigten ist von 2,1 auf 7,7 Prozent der abhängig Beschäftigten angewachsen (vgl. Antwort auf Frage 7 in Tabelle 8).
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten ist in Deutschland von 1995 bis 2014 von 24,66 Millionen auf 22,09 Millionen zurückgegangen, was einem Rückgang um 10 Prozent entspricht. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 87,7 auf 73,2 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gesunken (vgl. Antwort auf Frage 9).
  • Im Westen ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten von 1995 bis 2014 von 18,99 auf 18,02 Millionen zurückgegangen (ein Rückgang um 5 Prozent), während die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt von 21,76 auf 24,49 Millionen angestiegen ist. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 87,3 auf 73,6 Prozent der Beschäftigten zurückgegangen (vgl. Antwort auf Frage 9).
  • Im Osten ist sowohl die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt (von 6,35 auf 5,68 Millionen) als auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (von 5,67 auf 4,07 Millionen) gesunken. Der Rückgang bei der Zahl der Vollzeitbeschäftigten entspricht einem Rückgang um 28 Prozent. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist von 89,2 auf 71,6 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten gesunken (vgl. Antwort auf Frage 9).
  • Die Arbeitszeit je Erwerbstätigem ist von 1994 bis 2014 um insgesamt 10,8 Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zur Anzahl der Erwerbstätigen ist die Anzahl der Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten relativ konstant geblieben, was auf die wachsende Zahl von Teilzeitbeschäftigten zurückzuführen ist. Im Jahr 1994 lag das Arbeitsvolumen der Erwerbstätigen bei 58,1 Milliarden Stunden und im Jahr 2014 bei 58,47 Milliarden Stunden, die Erwerbstätigen in Vollzeitäquivalenten lagen 1994 bei 33,1 Millionen und 2014 bei 33,28 Millionen. Bei beidem ist demnach kaum Veränderung zu beobachten (vgl. Antwort auf Frage 11).
  • Betrachtet man den Zeitraum von 2008 bis 2014 ist das Arbeitsvolumen in den alten Bundesländern um 1,4 Prozent gewachsen, in den neuen um 1 Prozent gesunken (vgl. Antwort auf Frage 11).

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11 Kommentare

Du weißt genau, dass ich nicht zu den "Verehrern der Arbeit" gehöre. Menschen brauchen keine Arbeitsplätze sondern Lebensplätze.

Aber in unserer Wirtschaftsordnung führt der Rückgang von bezahlter Arbeit in die Krise. Individuell, wenn Du arbeitslos bist und in den Fängen der Hartz-IV-Verwaltung steckst. Und auf der gesellschaftlichen Ebene führt ein Rückgang der Kaufkraft zu Überproduktion bzw. Unterkonsumption.

Und auf der theoretischen Ebene:

„Das Kapital ist selbst der prozessierende Widerspruch [dadurch], daß es die Arbeitszeit auf ein Minimum zu reduzieren sucht, während es andrerseits die Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums setzt.“

Von diesem Widerspruch meint Marx in den Grundrissen immerhin, er sei geeignet, die bornierte Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise „in die Luft zu sprengen“ (ebd.: 594).

Noch ein Nachtrag:

»Kapital und Arbeit bilden keinen antagonistischen Gegensatz, sie sind vielmehr der Verwertungsblock der Kapitalakkumulation. Wer gegen das Kapital ist, muss gegen die Arbeit sein. Die praktizierte Arbeitsreligion ist ein autoaggressives und autodestruktives Szenario, in dem wir gefangen und befangen sind. Abrichtung zur Arbeit war und ist eines der erklärten Ziele der abendländischen Modernisierung.«

Von der Streifzüge-Redaktion. Den ganzen Artikel: "Repariert nicht was Euch kaputt macht" hier nachlesen.

> "Du weißt genau, dass ich nicht zu den "Verehrern der Arbeit" gehöre. Menschen brauchen keine Arbeitsplätze sondern Lebensplätze."

Eben.

> "Aber in unserer Wirtschaftsordnung führt der Rückgang von bezahlter Arbeit in die Krise. Individuell, wenn Du arbeitslos bist und in den Fängen der Hartz-IV-Verwaltung steckst. Und auf der gesellschaftlichen Ebene führt ein Rückgang der Kaufkraft zu Überproduktion bzw. Unterkonsumption."

Den Umgang mit Arbeitslosen oder Wenigarbeitern kann man verbessern.
Grad bei den Arbeitslosen wäre es z.B. ganz einfach mit dem bedingungslosen grundeinkommen zu bewerkstelligen. Dieses würde sich nebenbei auch positiv auf die Lage der Menschen am Arbeitsmarkt auswirken - was die Angebote verbessert.

> "Die praktizierte Arbeitsreligion ist ein autoaggressives und autodestruktives Szenario, in dem wir gefangen und befangen sind. Abrichtung zur Arbeit war und ist eines der erklärten Ziele der abendländischen Modernisierung"

Ja, bring die Leute erstmal davon ab.

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