Verleihung Hessisches Volkskunstsiegel
Hessisches Volkskunstsiegel an Vertreter des Töpferhandwerkes verliehen.
„Der erste Töpfer; war Gott der Schöpfer“ oder „Die Schüssel ist von Erd und Ton; du Menschenkind bist auch davon.“ Diese zwei Verse sind Beispiele für das Selbstverständnis der Töpferhandwerkskunst die im Landkreis Marburg-Biedenkopf noch von wenigen Töpfern in den verschiedensten Techniken der Herstellung und Bemalung ausgeübt wird. Marburg und Dreihausen waren konkurrierende Zentren der Herstellung von Töpferwaren. Landrat Robert Fischbach und die 1. Vorsitzende der „Hessische Volkskunstgilde“Anneliese Schömann hoben den Stellenwert des heimischen Töpferhandwerkes hervor, dessen Produkte weit über die Landkreisgrenzen verkauft wurden und noch heute verkauft werden. Das vom Landkreis Marburg-Biedenkopf gestiftete „Hessisches Volkskunstsiegel“ würdige die Arbeit der Volkskunstschaffenden, die zum Erhalt alter Volkskunst und altem Brauchtum beitragen.
In diesem Jahr wurden die Töpferei Schneider aus Marburg, die Töpferei Owczarek aus Stadtallendorf. Sowie die Töpferinnen Emily Guilume aus Stausebach und Eva Kleiner aus Schwabendorf ausgezeichnet. Die Laudatoren Eckhard Hofmann und Jürgen Homberger begründeten die Preisverleihung wie folgt:
Das im Jahre 1809 gegründete Marburger Töpferhaus Schneider befindet sich heute noch in Familienbesitz. Töpfermeister Manfred Schneider blieb bis zum heutigen Tag der Herstellung von Gebrauchsgeschirr und Zierkeramik, versehen mit Engobemalerei, verbunden. Die typischen Farben für das Marburger Geschirr sind braun, rotbraun, grün und blau. Die Auflegetechnik perfektionierte die Töpferei Schneider über Generationen. Filigrane Dekore und Ornamente werden aus Ton geformt und anschließend vorsichtig auf dem Gefäß drapiert und erhalten daher ihr charakteristisches und plastisches Erscheinungsbild der Ornamente. Darüber hinaus ist es der Firma Schneider gelungen, auf die Wünsche und Ansprüche der zahlreichen Touristen aus aller Welt einzugehen und mit den entsprechenden Souvenirs zu versorgen. Uns allen ist das Synonym der Einwohner Marburgs , die„Marburger Dipperchen“ vertraut. Sie wurden im Laufe der Zeit über alle Grenzen hinaus weltweit bekannt. Von ehemals ca. 40 namhaft bekannten Töpfern in Marburg, hat es das Töpferhaus Schneider als Einziges seiner Art bis in die Gegenwart geschafft, diese traditionelle Handwerkskunst fortzuführen.
Die Stadtallendorfer Töpferei Owczarek kann auf eine über 3 Generationen gehende Töpfertradition in Hessen zurückschauen. Ihr Großvater, der aus dem Sudetenland stammte, übernahm im Jahr 1946 die Töpferei Dörrbecker in Treysa. Seine Tochter Helga Böhm erlernte das Handwerk dann in Marburg bei der bekannten Töpferin Elisabeth Schäfer, wo sie auch ihren späteren Mann Konrad kennenlernte. Mit Ihm gründete sie dann im Jahr 1964 die heute noch bestehende Töpferei in Stadtallendorf. Nach Ausbildung und Ablegung der Meisterprüfung übernahm die heutige Inhaberin Jutta Owczarek im Jahre 1993 zusammen mit Ehemann Thomas Dunschen, den elterlichen Betrieb. Hier fertigen sie ganz traditionell handgetöpferte Geschirre und Zierkeramik, welche mit überlieferter Schlickermalerei dekoriert wird. Ebenso ist die Kunsttöpferei fester Bestandteil des heutigen Warensortiments. Durch Präsenz auf der internationalen Frankfurter Messe haben sie Kunden im In- und Ausland für sich gewinnen können. Auch bei traditionellen Kunst- und Handwerkermärkten sind sie ebenfalls anzutreffen um einem breiten Publikum ihre Töpferkunst nahe zu bringen.
Töpferin Emily Guillaume aus Stausebach stammt aus dem sächsischen Aue und kam über ihre Ausbildungen zur Keramikerin bei der Töpferei Grünert sowie der Töpferei Wirth aus Rauischholzhausen in unsere Region. Töpfer Clemens Wirth vermittelte ihr so die Liebe zur Herstellung des traditionellen Dreihäuser Steinzeugs, welches sie bis heute in ihrer eigenen Werkstatt in Stausebach herstellt. Fortwährend betreibt sie Formen- und Materialstudien zur Tradition des Dreihäuser Steinzeugs und zur europäischen Keramiktradition. Die von Frau Guillaume angefertigten Stücke werden mit der für Dreihausen typischen Lehm-Glasur versehen. Dieser Lehm wird aus Gruben in Stausebach zu Tage gefördert. Nach dessen Bearbeitung wird die Glasur weitgehend selbst hergestellt. Das angebotene Sortiment basiert auf dem Formen- und Dekorgut der Keramiken des 14. - 19. Jahrhunderts aus Dreihausen. Neben der bereits beschriebenen Produktpalette beschreitet Frau Guillaume für unsere Region neue Wege. Sie bietet auch individuell angefertigte Grabkeramiken sowie Urnen an.
Töpferin Eva Kleiner übernahm im Jahr 2010 die Traditions-Töpferei Wirth aus Rauischholzhausen, die Örtlichkeiten und zog auf einen ausgebauten Stall eines Bauernhofes in Schwabendorf. Hier fertigt sie nun zusammen mit einer Kollegin, handgedrehtes Steinzeuggeschirr. Dieses wird dann mit einer Feldspatglasur versehen, die in den Farben braun, schwarz, grün und kobaltblau ausfallen kann. Die in Schwabendorf entstehenden Produkte sind breit gefächert. So findet der Kunde vom Kaffeegeschirr über Kannen und Krüge auch Schalen, Schüsseln und andere nützliche Dinge. In den Sommermonaten ist die Töpferei Wirth im ganzen Bundesgebiet auf etablierten Töpfermärkten anzutreffen. In der Advents- und Weihnachtszeit präsentieren sie sich ebenfalls im heimischen Raum, aber auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Dies war auch der Grund, warum Frau Kleiner heute nicht persönlich das Ehrensiegel in Empfang nehmen konnte.
Foto: Preisträger, Preisverleiher und Laudatoren. Von.links.: Eckhard Hofmann, Anneliese Schömann, Manfred Schneider, Thomas Dunschen, Jutta Owzarek, Emily Guillaume, Landrat Robert Fischbach, Jürgen Homberger.
Text und Foto: Bernhard Hermann
Herrmann, in Homberg /Ohm gab es auch eine kleine Töpferei die Töpferei Seidel, leider hat er schon zugemacht.