Schwälmer Motive auf die Gasthaustür gemalt - Im Malerdorf Willingshausen
Eine halbe Autostunde von Marburg, nur 5 Kilometer von Neustadt entfernt, liegt in einem wunderschönen Tal das Malerdorf Willingshausen. Herzlich werden wir nicht nur auf einer Tafel am Ortseingang, sondern auch auf einem Bild von einem Schwälmer Trachtenmädchen mit ausgebreiteten Händen im Malerstübchen begrüßt.
Ludwig Emil Grimm, der jüngere malende Bruder der Märchensammler Wilhelm und Jacob Grimm, arbeitete ebenso wie der berühmte Maler Carl Bantzer, dessen eindrucksvolle Bilder wie "Die Schwälmer Hochzeit" oder "Das Abendmahl" im Marburger Museum zu bewundern sind, regelmäßig in der Malerkolonie in Willingshausen. Durch ihn erlangte Willingshausen einen großen Ruf als Studienplatz. Einige Bantzer-Schüler blieben dem sommerlichen Studienplatz jahrzehntelang treu.
Das bäuerliche Leben im Alltag, die herrliche Landschaft, manche ausdrucksvollen Charakterköpfe bei Festen, beim Tischgebet, in der Kirche oder bei der Feldarbeit bestimmten die Willingshäuser Malerei. So entwickelte sich das Schwälmer Dorf bereits im 19. Jahrhundert zu einer der ältesten Künstlerkolonien Europas. Die Bevölkerung hatte stets ein gutes Verhältnis zu den Malern. Sicher beruhte dies auf Gegenseitigkeit; denn durch Modellstehen und der Bereitschaft, Übernachtungen anzubieten, wurden zusätzliche Verdienste ermöglicht.
Im alten Haase-Hof des damaligen Gasthauses trafen sich die Maler nach getaner Arbeit in fröhlicher Runde zu lockeren Gesprächen mit den Dorfbauern. So kam man auch irgendwann - vielleicht in einer Bierlaune - auf die Idee, die Tür des Gastzimmers mit Schwälmer Motiven und Idyllen zu bemalen. Die Tür ist heute im Malerstübchen ausgestellt. Dörfliches Geschehen, wie Gänsehüten, spielende Kinder im Bollerwagen, Trachtenkinder beim Beobachten der Maler, ja selbst das Gasthaus "Haase" wird durch einen eine Pfeife rauchenden Hasen dargestellt. Diese Tür wurde so zu einem Vermächtnis der Künstlerkolonie an die einfachen Menschen im Bauerndorf.
Kurse für Freizeitmalen knüpfen auch heute noch an die einstige Tradition der Malerkolonie. Stipendianten werden eingeladen, im alten Hirtenhaus zu übernachten und dabei neue künstlerische Impulse ins Dorf zu setzen. Das Hirtenhaus, ein früherer Sozialbau für den Dorfhirten aus dem 17. Jahrhundert, wird von Malerstipendianten oft als kleines Museum empfunden; denn die alte Kücheneinrichtung, die "gürre Stubb" (Wohnzimmer), die kleinen Schlafräume, niedrige Türen und steile, schmale Treppen dokumentieren, wie die Menschen im Dorf lebten.