MARBURGS ELISABETH-MÜHLE IST EINE GANZ BESONDERE MÜHLE (TEIL 2)
Teneriffa. Nach 60 Jahren komme ich wieder in die Elisabeth-Mühle, um meinen ehemaligen Spielkameraden Wilhelm Lotz, der das Familienerbe hegt und pflegt, zu besuchen. An Stelle seines schon im Jahre 1953 verstorbenen Vaters Julius erzählt mir jetzt Wilhelm viele kaum bekannte Geschichten aus der Vergangenheit der Mühle.
Wilhelm erwartet mich am großen Portal des Mühlengebäudes, dessen steinerne Einfassung mit rätselhaften Zahlen und Symbolen geschmückt ist. Wir betreten die Mühle und ich staune nicht schlecht, als Wilhelm mir zunächst einen dicken, dunklen, alten Pfahl zeigt, der einstmals im Flußbett zur Befestigung des Mühlgrabens diente. Er trägt die eingeschnitzte Jahreszahl 1181. Damals war die Mühle Teil eines herrschaftlichen Wirtschaftshofes des Königsgeschlechtes der Staufer, der auch ein mächtiges Steingebäude als Wohnsitz, eine kleine eigene Kapelle und Nebengebäude für das Gesinde einschloss. In der Mühle, die zu jener Zeit Elwins-Mühle hieß, wurden auch die Getreidevorräte des Deutschen Ritterordens gemahlen.
Der Deutsche Ritterorden ging aus einem 1190 im Heiligen Land gegründeten Hospital hervor. Dort führten die Ritter der christlichen Völker des Abendlandes strategisch, religiös und wirtschaftlich motivierte Kriege, die sich gegen die muslimischen Staaten im Nahen Osten richteten. Eine der bedeutendsten vom Orden übernommenen karitativen Einrichtungen war das von der Ländgräfin Elisabeth von Thüringen 1228 in Marburg gegründete Hospital. Es wurde nach ihrem Tod im Jahre 1231 an die Ballei Marburg des Deutschen Ritterordens angegliedert, weitergeführt und ausgebaut.
Die Elwins-Mühle “beim Franziskus-Hospital”, die zum Besitz der Landgräfin Elisabeth gehörte, wurde nach deren Tod von ihrem Sohn Herrmann dem Deutschen Orden am 6. Nov. 1234 geschenkt. In einem päpstlichen Dokument vom 4. Juni 1235 wurde dies bestätigt. Die Tochter der Heiligen Elisabeth, Sophie von Brabant, erwähnte in ihrem Schreiben vom 25. Mai 1250 ebenfalls die Mühle, als sie dem Hospital während der Dauer ihrer Abwesenheit die Fischereirechte in der Lahn “zwischen der Elwins-Mühle und der Mühle oberhalb der Steinbrücke” (Herrenmühle) übertrug.
200 Jahre später tauschte der Hessische Landgraf 1496 sämliche Mühlen vom Deutschen Ritterorden zurück. Allein die St.Elisabeth-Mühle (so nannte man sie inzwischen) mit ihrem Schlag- und Schleifwerk verblieb im Besitz des Ordens. Zu Ostern 1530 brannte die Mühle fast komplett ab und der Hoch- und Deutschmeister des Ordens mit Sitz in Bad Mergentheim von 1543-66 Wolfgang Schutzbar, genannt Milchling, ließ das Mühlengebäude für den Orden neu errichten. Über dem großen Portal, das vermutlich vom berühmten hessischen Bildhauer Ludwig Juppe geschaffen wurde, hat sich der Milchling symbolisch als nackter Mann mit einem zu zwei Zöpfen geflochtenen Bart verewigen lassen. Noch heute hält er in seiner linken Hand das Kleeblattwappen des Landkomturs und in seiner Rechten das Kreuz des Deutschen Ordens. Im steinernen Türrahmen können wir die Einmeißelungen der Müller, damals “Beständer” genannt, sehen. Besonders beachtenswert die schön gemalte Hausnummer 812. Alle Häuser in Marburg wurden seinerzeit auf Grund des Hessischen Brandschutzgesetzes strikt durchnummeriert.
Fortsetzung folgt.
Siehe auch: http://www.myheimat.de/marburg/kultur/marburgs-eli...
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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