HOCHZEIT AUF SPANISCH (KASTILIEN)

ANPROBE
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Andere Länder – andere Sitten. Letztes Wochenende hatten wir Gelegenheit, die spanische Hochzeit unserer Tochter mit zu erleben – und wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus! Geheiratet wurde in einer gemieteten und selbst dekorierten romantischen Kapelle (Ermita de la Virgen de la Cabeza) auf dem Lande außerhalb Madrids in einem verträumten Örtchen namens Pozuelo del Rey (Brunnen des Königs).
Dazu in einem kommenden Beitrag mehr.

In Spanien kostet eine Hochzeit zwischen 100 und 200 EUR pro Gast. Eingeladen werden zwischen 50 und 500 Gäste. Die Kosten werden zunächst von den beiden Elternpaaren übernommen. Brautführer (Padrino) ist der Vater der Braut. Bräutigamführer (Madrina) ist die Mutter des Bräutigams. Der Pfarrer übernimmt den gesamten Papierkrieg, so dass es später nur noch einen inoffiziellen Standesamtstermin als reinen Behördengang gibt.

Es gibt keinen Polterabend. Ganz im Gegenteil: Braut und Bräutigam schlafen zum letzten Male getrennt (auch wenn sie das vorher nicht taten) bei den jeweiligen Eltern.
Der Bräutigam darf das Brautkleid vor der Hochzeit nicht sehen. Er betritt zuerst mit seiner Mutter die Kirche, um vor dem Altar die Braut zu erwarten (und zu besichtigen). Der Brautvater fährt mit einem geschmückten PKW (oder Kutsche) mit seiner Tochter zur Kirche. Dabei ist darauf zu achten, den Bräutigam und die Eingeladenen möglichst lange warten zu lassen. Der Vater führt seine Tochter bis vor den Altar und übergibt sie an den dort wartenden Bräutigam. Das Brautpaar sitzt, eingerahmt von den „Padrinos“, auf einer Bank vor dem Altar.

Ist die (langweilige) katholische Zeremonie endlich vollzogen, unterschreiben die Brautführer und zwei Trauzeugen auf der Kanzel den Heiratsvertrag. Sodann verlassen Braut und Bräutigam als letzte die Kirche, denn vor der Tür werden sie von der Feiergemeinde mit Reisbomben und Feuerwerksknallern lautstark begrüßt. Von deutschen Barbaren heimlich an das Brautauto gebundene Blechbüchsen sieht man als unnötige Belästigung und schneidet sie kurzerhand Stirne runzelnd ab. Sodann verschwindet das Brautpaar mit dem Profi-Fotografen in irgendeinem Park und die Feiergemeinde begibt sich per PKW-Karawane mit lautem Gehupe zum Festsaalgebäude. Dort gibt es einen Aperitif mit feinen Kanapees, von der Krabbe bis zum Kaviar, bis das Brautpaar nach knapp zwei Stunden endlich eintrifft. Auf geht’s in den festlich geschmückten Speisesaal. Dort wird am Eingang zunächst ein symbolisches Band von den Brautleuten zerschnitten.

Das Brautpaar setzt sich an eine festlich geschmückte Tafel auf einer Bühne. Rechts der Braut ihre Eltern. Links des Bräutigams Eltern. Das „gemeine Volk“ sitzt unten im Saal. Zum Champagner begrüßt der Bräutigam die Gäste mit ein paar warmen Worten, und sowohl der Vater der Braut als auch der Vater des Bräutigams halten eine Rede.

Es wird ein prächtiges Fünf-Gänge-Menu serviert: „Tapas“ von verschiedenen Schinken- und Wurstsorten; Langusten und Langostinos in Top-Qualität bis zum abwinken. Es folgt vor dem Hauptgang ein Zitronenparfait, gefolgt von einer geschmorten Lammkeule, die so perfekt zubereitet ist, dass das Fleisch locker vom Knochen abfällt. Dazu leichte Bratkartoffeln und Salat. Dann kommt die Hochzeitstorte. Braut und Bräutigam schneiden sie gemeinsam mit einem fein ziselierten Schwert aus Toledo an und lassen den Partner von der Schwertspitze kosten (wohl eine erste Vertrauensübung). Die Torte schmeckt genauso süß wie sie aussieht. Außerdem gibt es noch Eistörtchen nebst Kaffee und Likör. Während des Essens wird das Brautpaar immer wieder lautstark aus dem Saal aufgefordert, sich zu küssen „Que se besen! Que se besen!“

Schließlich begeben sich „die drei Männer“ von der Tribüne hinab in den Saal und verschenken dicke Kanarische Zigarren an alle Männer plus eine Flasche Rotwein, die den Namen der Brautleute trägt. Gleichzeitig kassieren sie pro Gast „das Hochzeitsgeschenk“, das nur aus Bargeld (min. 100 EUR pro Person) besteht. Braut und Mütter schenken den Damen im Saal Seidenschals und Blumengestecke aus Tüllstoff. Außerdem verteilt die Braut eine selbst gemachte Broschüre mit kleinen individuellen Charakterisierungen der anwesenden Gäste, was zu herrlichem Frohsinn führt, weil kaum jemand gut dabei weg kommt.

Ist die Stimmung genug angeheizt, so ist der offizielle Teil der Hochzeit beendet, und man begibt sich in die Diskothek im Erdgeschoss, wo das Brautpaar mit einem holprigen Wiener Walzer den Tanzabend eröffnet. Es ist inzwischen Mitternacht und die eigentliche, lockere Party beginnt. Das bedeutet Pasodobles, Sevillanas, Flamenco, Samba, Mambo, Salsa, House und Reggaetón bis zum Umfallen. Alle Getränke gehen zu Lasten der Brautleute, was bei einigen Gästen seltsame Folgen hat:
„Que viva España!”
Siehe auch: http://www.facebook.com/home.php?#!/album.php?aid=7262&id=100001738500228

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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