BIG BROTHERS HERRENHAUS
Teneriffa. Burgen und Schlösser faszinieren mich, so lange ich zurück denken kann. Schon als Kind versuchte ich in meiner Heimatstadt Marburg in jedes Loch zu kriechen, das irgendwie als Gang oder Kasematte zum Marburger Schloss erschien. Später dann auf Sonntagsausflügen an den Rhein oder Urlaubsreisen durch Europa ließ ich möglichst keine Burg oder Schloss zwecks Besichtigung aus – sei es in Schottland, an der Loire, in Kastilien oder Ungarn. Wenn ich es mir leisten konnte, übernachtete ich auch gerne in diesen alten Gemäuern, obwohl es damals noch nicht so viele Hotels in Burgen und Schlössern gab, wie dies heute der Fall ist.
Auf den grünen Inseln des Vereinigten Königreiches gibt es nicht nur unzählige Burgen und Schlösser. Vielmehr reicht dort die romantische Palette von Landsitzen, Guts- und Herrenhäusern bis zu Liebes- und Jagdschlösschen der Aristokratie. Oft sind diese Gebäude oder Ruinen von Sagen und Gespenstergeschichten umweht, die dem Interessierten eine zusätzliche Faszination bieten. Aus gutem Grunde – wie der geneigte Leser hier noch erfahren wird – möchte ich heute mein „Lieblings-Hideaway“ auf der Isle of Wight, vor den Hafentoren von Southampton, vorstellen: ARRETON MANOR.
Im berühmten „Domesday Book“ und im Testament von König Alfred, dem Großen, fand dieser Landsitz 885 n.Ch. bereits Erwähnung. Dann wurde das Haus mit seinem angegliederten Landgut von den Äbten der Quarr Abtei über 400 Jahre lang bewirtschaftet. Als dann König Heinrich der VIII. alle katholischen Abteien auflösen ließ, kam das Herrenhaus sowie der Flecken und seine Bewohner in den Besitz der Krone, wurde an Lord Culpeper (Thomas II., Gouverneur der Isle of Wight) veräußert, der ihn an seine Tochter, Lady Katherine, verheiratet mit Lord Fairfax, vererbte. Im Besitz dieser Familie blieb es über die folgenden Jahrhunderte. Königin Mary II. (1662–1694) und auch Königin Victoria (1819-1901) besuchten öfters diesen idyllischen Landsitz im lieblichsten und fruchtbarsten Teil der Insel Wight, den „Arreton Downs“. Queen Victoria pflanzte sogar eine Konifere im angegliederten Park.
In den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts schrieb ein junger englischer Musikproduzent die Titelmelodie zu der berühmt/berüchtigten TV-Serie „Big Brother“. Das war so gut wie ein Sechser im Lotto. Vom Erlös der sprudelnden Tantiemen kaufte er für sich und seine junge Familie das schöne Arreton Manor. Seine Frau eröffnete dort eine Teestube für entspannte Nachmittage, und im Haus wurden für Übernachtungsgäste die „Culpeper Suite“ und das “Adrintone Bedchamber” eingerichtet. Den Gästen steht auch die Nutzung des ehemaligen „Court-Rooms“ für die Einnahme des englischen Frühstücks und weiterem Aufenthalt zu Verfügung. Dort steht auch der „Warden-Chair“, ein mit Leder bezogener Sessel mit „Dach“, den der Torwärter seinerzeit bei jedem Wetter benutzen konnte. An der Rückwand des Offenen Kamins ist eine große Eisenplatte mit dem Wappen Englands befestigt.
Ein riesiger Park mit altem Baumbestand und lauschigen Ecken plus Irrgarten lockt ebenso zum flanieren, wie der herrliche Rosengarten mit seiner sommerlichen Blütenpracht. Dass die Isle of Wight selbst eines der beliebtesten und berühmtesten Ausflugs- und Urlaubsziele im Vereinigten Königreich ist, bedarf keiner besonderen Erwähnung.
Eine Woche lang genossen wir die komfortable „Culpeper Suite“ und die gediegene, fast aristokratische Gastfreundschaft in Arreton Manors schützenden Gemäuern, die so viel zu erzählen haben. Wir erfuhren uns die Insel mit ihren Sehenswürdigkeiten und erwanderten die nähere Umgebung mit ihren verträumten Dörfern. Das Hausgespenst, ein kleines Mädchen, das irgendwann einmal vor langer Zeit zum Fenster hinaus stürzte, sahen wir nur im Park als Statue. Doch mein Forscherdrang kam auch nicht zu kurz, denn über einen geheimen Fluchtweg hinter einem falschen Wandpanel erreichten wir einen versteckten Raum irgendwo in den Tiefen des Hauses. Und täglich schritten wir durch das niemals umgebaute Hausportal, durch welches hunderte oder tausende von Celebrities der vergangenen Jahrhunderte schritten. Nachahmung wird wärmstens empfohlen. Siehe auch:
http://www.arretonmanor.co.uk/index.html
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
5 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.