Wer nicht angelt kann keinen Fisch fangen! (1. Teil) - Lustige (und wahre!!!) Erlebnisse beim Angeln in Schweden

Wer nicht angelt kann keinen Fisch fangen!

Selbstverständlich? Keineswegs! Es gibt unendlich viele Gründe nicht zu angeln:
Es ist zu kalt – zu warm, der Luftdruck fällt – oder steigt, es ist zu früh – zu spät (am Tag), es ist zu früh – zu spät (im Jahr), es regnet – regnet nicht, die Sonne scheint – oder nicht, es ist windig – windstill. Es ist Frühling – Sommer – Herbst – Winter. Das Ufer ist zu nass, zu steil, zu flach, zu bewachsen, zu kahl. Es gibt zuviel Schilf oder zu wenig. Das Wasser ist zu tief, zu flach, zu steinig oder zu wenig steinig. Der Wind kommt von Norden, Westen, Osten, Süden oder überhaupt nicht....
Das sind bei weitem nicht alle möglichen Gründe – oder sollte man besser sagen: Ausreden?
Zum Beispiel gibt es grundsätzlich für einen Angler kein Wetter – wie auch für den Fisch. Natürlich ist es möglich, daß der Fisch seinen Standplatz in Abhängigkeit von Wassertemperatur und Windrichtung ändert. In der ersten Novemberwoche hatten wir einen permanent andauernden Sturm aus Süden, der warme kontinentale Luft nach Schweden brachte. Während dieser Zeit habe ich an fünf Tagen jeweils zwischen zwölf und vierzehn Uhr insgesamt 6 Hechte gefangen. Dies vom Ufer an einer nördlich gelegenen Stelle, wo der See etwa zwei Meter tief und nur zehn Meter breit ist. Warum? Weil die Fische mit dem warmen Wind in das hier ebenfalls wärmere Wasser gezogen sind. Nachbar Ingemar versuchte – als ich ihm täglich meinen Fang zeigte – es schließlich auch: Mit dem Boot an seinen Lieblingsstellen, den tiefsten des Sees. Natürlich ohne Erfolg.

Eine Schubkarre voll Angelwissenschaft

Jedesmal, wenn ein anderer Deutscher für zwei bis drei Wochen in sein Ferienhaus kommt, versucht er auch sein Angelglück. Nur, er ist Profi (Mitglied im Anglerverein, Ausrüstung im Wert eines Mittelklassewagens, Outdooroutfit, etc.) und als solcher benötigt man nunmal eine Masse Ausrüstung – in Worten: Eine ganze, hochbeladene Schubkarre voll! Zwei Hände voll Ruten, Kisten, Köfferchen und obenauf das Echolot. Die hundert Meter zum Wasser sind jedenfalls ziemlich schweißtreibend. Dann wird umgeladen. Wasserspiegel und Oberkante des 2,50 Meter Bootes nähern sich bedenklich… Dann kommt das Echolot zum Einsatz, Richtung peilen, sämtliche Halter mit Ruten bestücken und immer dem Fisch hinterher. Die weiteren Aktivitäten beinhalten alles erdenkliche, mit einer Ausnahme: einen Fisch ins Boot holen! Und das bis heute in keinem einzigen Fall!
Was ist unverzichtbar an Ausrüstung? Falsch… auch falsch! Eine bestückte Angel, ein großer Käscher und ein geschärftes Messer. Das wars. Okay, ein Ersatzblinker, -wobbler oder Spinner in der Hosentasche macht Sinn – natürlich nur wenn er gut verpackt ist… Eine Reihe von Problemen/Versuchungen erledigen sich dadurch automatisch – und das Wandern zum Angelplatz macht viel mehr Spaß! Ausprobieren! (Hier fällt mir noch eine Ausrede ein, die ich anfangs vergessen habe: Der Angelplatz ist nicht mit dem Auto erreichbar!)

Fick du fisk?

…ist schwedisch und bedeutet soviel wie “Was gefangen?” Im Hjälten (das ist der Name des Sees, an dessen Ufer wir wohnen) gibt’s keine Fische! so die einheimischen Schweden. Warum nicht, versteht man, wenn man ihnen beim Angeln zusieht. Da sind die drei jungen Männer, die stehend (alle zusammen in einem Boot) ihre Angeln auswerfen, lautstark die Gründe ihres Pechs diskutieren und dabei noch mit dem Mobiltelefon arbeiten (Tatsache!)
Dann gibt es den Titanic-Kapitän. Nicht weil er untergeht, sondern weil er augenscheinlich stets auf der Jagd nach dem blauen Band ist. Mit Höchstfahrt geht’s zum auserkorenen Platz, dort wird fünf Minuten geangelt, dann mit Speed zur nächsten Stelle, usw. Weil es aber keine Fische im Hjälten gibt, geht’s dann auch genauso schnell wieder nach Hause!

Fick du fisk – zweiter Teil, oder: Null Fische, 60 DM Kosten, zwei frustrierende und letztendlich ein tröstendes Erlebnis

Zweimal habe ich an einem Forellenteich eines Vereins geangelt. Wohl wunderschön im Wald gelegen, aber halt ein künstlicher Teich mit Besatzfischen. Die Tageskarte kostete 30 DM – (dafür gibt’s im Laden einen ordentlichen Fisch mit freier Auswahl). Um es vorweg zu nehmen: Das Fazit dieser beider Tage: Null Fische, 60 DM Kosten, zwei frustrierende und ein „Es hätte noch schlimmer kommen können“-Erlebnis.
Frust 1: Am ersten Tag kam gegen Mittag der Kleinbus eines Heimes für Schwererziehbare mit einer Handvoll Knaben - alle circa 16, 17 Jahre alt. Lautstark verteilten sie sich rund um den See, prügelten sich ein bisschen warm und begannen dann mit der Forellenjagd. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon etwa vier Stunden vergeblich mein Glück mit Blinker und Krabben versucht. In Abständen von vielleicht zehn Minuten konnte man jetzt den folgenden Dialog hören: „Fick du fisk?“ „Nej, fick du fisk?“ „Nej!“ Problem dabei war nur, daß sich die Gesprächspartner jeweils an zwei verschiedenen Seiten des Sees aufhielten! Plötzlich, nicht weit von mir, Jubelgeschrei eines finster aussehenden Jünglings. Er hatte etwas am Haken! Wie wild kurbelte er an seiner Rolle, nur: Das typische Surren verriet, daß die Bremse auf Minimum oder weniger eingestellt war... Nach einigen Minuten - der erfolgreiche Angler kurbelte immer noch - kam einer der Betreuer herbei gespurtet. Seine Rufe „Dreh die Bremse fest!“ waren nicht auf fruchtbaren Boden gefallen. Gelandet wurde schließlich eine mächtige Forelle, der es dann mit vereinten Kräften an den Kragen ging. Ich glaube, auch großformatigere Tiere - wobei ich an Kuh oder ähnliches denke - hätten die Behandlung nicht überlebt.
Frust 2: Am nächsten Tag - irgendwie hatte mich der Ehrgeiz gepackt, etwas, was ich beim Angeln normalerweise überhaupt nicht kenne, aber „Wenn dieser unbedarfte Anfänger...“, nun, am nächsten Tag schließlich - nach erfolglosen Bemühungen während des Vormittags - kam wiederum ein Fahrzeug, diesmal ein Deutscher mit seinem etwa 12jährigen Sohn. Der Vater, schnieke, cool, platzierte sein Klappstühlchen, bestückte die Angel mit einem Wurm- oder Madentier und warf elegant aus. Ebenso sein Sohn. Der Senior war eben im Begriff sich hinzusetzen: Biss! Eine prächtige Forelle wechselte den Besitzer! Während der Vater noch mit dem nächsten Wurm fingerte - Biss beim Sohn! Um es abzukürzen: Nach präzise zwanzig Minuten fuhren die beiden mit vier dicken Forellen im Gepäck wieder ab, vermutlich zum Mittagessen... (Vermutlich hatte er seiner Frau eine Stunde zuvor gesagt „Wir fahren eben mal ein paar Fische holen. Wieviel Leute sind wir zum Mittagessen? Vier? OK!“)
Nicht unerwähnt bleiben soll aber mein anfangs erwähntes „Erfolgserlebnis“. Zu Beginn des zweiten Tages ging ich zu einem der Stege wie üblich mit minimaler Gerätschaft: In der einen Hand eine Rute, in der anderen einen Eimer mit der Teleskopangel, einer Zweiliterflasche Cola und einer Tüte Krabben (Das Messer und der „Fischklopfer“ waren in der Hosentasche). Ich legte die Rute ab, stellte den Eimer hin und wollte als erstes einen Schluck trinken. Nur störte das Entnehmen der Colaflasche die Gleichgewichtsverhältnisse im Eimer so dramatisch, daß dieser kippte und meine schöne Teleskopangel mit leisem Platsch im Wasser verschwand! Wenn man weiß, daß an diesem (künstlichen) See die Uferkante senkrecht auf etwa sechs Meter Tiefe abfällt, wird man meine Gefühle nachempfinden können... Nun, das „Erfolgserlebnis“ bestand letztendlich darin, daß ich nach etwa einer halben Stunde die eine Angel an der anderen hatte, was denn auch der letzte Biss des Tages bleiben sollte...

Bürgerreporter:in:

Lothar Hofmann aus Marburg

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