Waschbärgeschichten / Teil I Wie kommt eine Marburger Familie zu Waschbären?
Meine Kinder wünschten sich einen Hund. In der Wohnung wollte ich keinen Hund haben und im Zwinger im Garten, hätte es Ärger mit den Nachbarn gegeben, weil dort ein Hund aus langer Weile ständig bellt. Eine Lösung fanden wir bei einem Besuch im Wildpark bei Herzhausen am Edersee, als wir dort Waschbären in einem Zwinger antrafen, die lautlos nach Futter bettelten und den Kindern gleich die ganze Zwiebacktüte durch den Maschendraht aus der Hand nahmen. – Der Förster versprach uns, vom nächsten Wurf ein Jungtier abzugeben, was aber nicht in Erfüllung ging, weil das Muttertier die Jungen aufgefressen hatte. So hatten wir genug Zeit einen luxuriösen Käfig mit Springbrunnen, Steinburg, zwei abgeholzten Obst-bäumen, einem hohlen Baumstamm, „Waschbärklo“ mit Kanal-anschluss, Bodenplatten und elektrischer Beleuchtung zu bau-en. - Dafür habe ich als Bürokrat Elektroschweißen an Hand eines Buches im Selbststudium gelernt. ( s. unten stehendes Bild).
Lernen mussten wir auch, wovon sich Waschbären ernähren und wie sie möglichst artgerecht gehalten werden. Dabei hat uns die Dissertationschrift von Oberforstmeister Dr. Kampmann in der heute nicht mehr existierenden Försterei Bredelar und Veröffentlichungen von Prof. Grzimek (nicht Grzimeks Tierleben) geholfen. - Wenn auch die eigentlichen Waschbärgeschichten über unsere Waschbären aus meiner Sicht interessanter sind, sollen zunächst nachtstehend einige allgemeine Ausführungen über Waschbären (teilweise in Stichworten) folgen:
Heimat:
Nordamerika (südllches Kanada bis Mexiko, im Süden lebt eine Unterart der Waschbärfamilie, die nach ihrer Hauptnahrung Krabbenwaschbären genannt wird.)
Nahrung:
Allesfresser (pflanzlich und tierische Nahrung) vom Wurm, Schnecke, Käfer bis Jungtiere und Vogeleier. Pflanzen: Mais und sonstige Getreidearten, Beeren, überreifes Obst. - Der Waschbär sucht seine Nahrung auch gern im seichten Wasser und verlässt sich dabei ausschließlich auf seinen hochgradig ausgebildeten Tastsinn, so dass er dabei in die Luft schaut. - Wenn er etwas gefangen hat, betastet er es auf seine Essbarkeit hin und reibt es dabei in Vorderpfoten, die die Form nach menschlichen Händen ähnlich sehen.
Das wird nach Ansicht von Prof. Grzimek fälschlicher Weise als Waschen angesehen und hat ihm zu seinem Namen verholfen
In Deutschland wurden 2 Waschbärpärchen in der Hitlerzeit im Jagdrevier des Reichsmarschalls Hermann Göring am Edersee ausgesetzt. Aus der ursprünglich angestrebten Bereicherung der Tierwelt hat sich eine Plage entwickelt, weil sie sich von dort über ganz Hessen ausbreiteten und deshalb keine Schon-zeit haben. Trotzdem vermehren sie sich weiterhin, weil sie hier außer dem Menschen keine Feinde haben. Bereits in den 70ziger Jahren wurde die Zahl der Waschbären in Hessen auf 20.000 Exemplare geschätzt. Aber auch in anderen Gegenden kam es zur Ausbreitung der Waschbären; z.B. in Berlin, wo sie aus einer durch Bombenangriffe beschädigten Pelztierzuchtf-arm ausgebrochen waren.
Der Waschbär ist zwar ursprünglich ein Nachttier und deshalb schwer zu bejagen. Er flüchtet, wenn er verfolgt wird, auf einen Baum. Die Jagd mit Hunden und Scheinwerfern, wie sie in Amerika erfolgt, gilt in Deutschland als unwaidmännisch. Gegen Jagdhunde hat er an sich keine Chancen, aber im Wasser kann er ihnen gefährlich werden, weil er ihnen - als guter Schwimmer - auf den Kopf schwimmt bzw. steigt und sie unter Wasser drückt.
Am Tag wird man normaler Weise keinen Waschbär zu Gesicht bekommen. - Aber im Laufe der Jahre scheut er die Nähe der Menschen nicht mehr so wie früher und nistet sich in Ausnahmefällen sogar auf Dachböden ein. Im Normalfall lebt er in hohlen Bäumen oder in verlassenen Erdhöhlen.
Die putzigen Tierchen haben allerdings auch ihre Schattenseiten. Über die Plünderung von Obstbäumen und Mülleimern in der Gegend um den Edersee wurde schon in den 70ziger Jahren berichtet. Auf einem Campingplatz gab es Streit unter Jugendlichen, weil sie sich gegenseitig verdächtigten, am Lebensmittelvorrat des Kameraden genascht zu haben. Tatsächlich sind Waschbären in die allein gelassenen Zelte eingedrungen und haben sich an den Lebensmitteln gütlich getan. Mit ihren handähnlichen Pfoten sind sie in der Lage, die Verpackungen zu öffnen. Es gelingt ihnen sogar, nicht zu fest zugeschraubte Marmeladen- oder Honiggläser aufzudrehen, wobei sie zwar nicht wissen, wo links und rechts ist, aber sie drehen in beiden Richtungen bis das Glas auf ist und lassen es sich dann gut schmecken. Ich habe das bei unseren Waschbä-ren versuchsweise selbst beobachten können.. – In Jagdre-vieren, in denen Wachtelhühner und auch sonstige Boden-brüter vorkommen, wird der Bestand bei einer hohen Wasch-bärpopulation bis zur Ausrottung im Revier vermindert, weil die Waschbären ihr Futter grundsätzlich auf dem Boden suchen und die von ihnen aufgestöberten Vogelnester plündern. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass sie ein erwachsenes Huhn getötet und gefressen haben.
Der Waschbär ist an sich ein Einzelgänger und sucht Gesellschaft nur in der Ranzzeit im Frühjahr. Lediglich die Jungtiere leben längere Zeit mit der Mutter im Familienverband zusammen.
Die Anpassungs- und Lernfähigkeit der Waschbären ist erstaunlich. Dazu gibt es eine Story aus Amerika, die mir zunächst unglaublich erschien; nach den Erfahrungen mit unseren Waschbären konnte ich jedoch diese Skepsis nicht aufrechterhalten. Da wird von wild lebenden Waschbären berichtet, die nachts bis auf die Veranda eines alleinstehenden Hauses vorgedrungen sind und sich an den Resten des Abendessens gütlich getan haben. Das muss ihnen so gut geschmeckt haben, dass sie in den folgenden Abenden wiedergekommen sind. Die Hausbewohner, die das interessant fanden, wollten aber nicht nur ihre Spuren, sondern auch die Waschbären selbst sehen. Sie befestigten Futter an einer Schnur, an deren anderem Ende ein Glöckchen im Haus befestigt war. Mit der Zeit verbanden die Waschbären das Läuten im Haus und die Schnur mit Futter und zogen an der Schnur, auch wenn gar kein Futter daran befestigt war. Das wurde ihnen dann herausgestellt und nach kurzer Flucht kamen sie zurück. Daraus entwickelte sich ein Ritual, das von den Jungtieren über Generationen hinweg übernommen wurde.
Nach einem Zeitungsbericht (nicht in der OP.) haben sich Leute, die einen kleinen Waschbären in der Wohnung mit der Flasche aufgezogen hatten, über die hohe Telefonrechnung gewundert. Sie entdeckten zufällig, dass der junge Waschbär, der inzwischen aus dem Flaschenkindalter heraus gewachsen war, nachts über einen Stuhl auf den Schreibtisch kletterte und dort mit dem Telefonhörer und der damals noch üblichen Wählscheibe spielte. Dass Letztere sich drehte und ein leise ratterndes Geräusch von sich gab, fand er besonders interessant und wählte lustig weiter. Da der Telefonhörer neben dem Telefon lag, kamen bei diesem Spiel Telefonver-bindungen bis ins Ausland zustande. Der Angerufene wird sich über das schnüffelnde Geräusch gewundert haben, weil der Waschbär die Stimme aus dem Hörer mit der Nase erkunden wollte. Ihre Neugier ist eine besondere Charaktereigenschaft.
Fortsetzung: Teil II „Waschbäraufzucht mit der Flasche“ folgt demnächst.
Bürgerreporter:in:Walter Wormsbächer aus Marburg |
5 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.