GELIEBTES SPANIEN – TEIL 16 - TOLEDO: STAHLHART (reloaded)
Spanien, das von den Vulkanen der Kanarischen Inseln über die endlosen Mittelmeerstrände, den hohen Sierras im Westen, dem riesigen Hochland Kastiliens, den grünen Auen der Nordküste bis zu den gewaltigen Pyrenäen reicht, hat eine bewegte Geschichte und eine faszinierende Multi-Kultur. Phönizier, Vasconen, Iberer, Römer, Westgoten, Mauren und Juden hinterließen ihre noch heute sichtbaren Spuren. Von all diesem Reichtum möchte ich hier in allwöchentlicher Abfolge berichten, um dem geneigten Leser meine Wahlheimat näher zu bringen. Ich lade sie zu einer Reise durch die Landschaften, Städte und Geschichte Spaniens ein.
Die Stadt Toledo an den Ufern des Rio Tejo, 71 km südlich von Madrid auf der „Meseta“ (Hochland) gelegen ist seit 1986 UNESCO Kulturerbe. Karpetaner, Römer, Westgoten, Mauren, Juden und Kastilier prägten dieses geistige Zentrum und machten es zur Hauptstadt Kastiliens bis Philipp II. 1561 nach Madrid zog. Die zivile und religiöse Bedeutung Toledos dokumentieren insgesamt 18 Konzilien, die hier zwischen 400 und 702 tagten. Darunter das vierte Konzil von 633 unter der Leitung des berühmten Enzyklopädisten Isidor von Sevilla.
Begünstigt durch das Nebeneinander verschiedener Hochsprachen (Hocharabisch, Hebräisch, Lateinisch) und Volkssprachen (Arabisch-Andalusisch, Romanisch-Kastilisch) und die Mehrsprachigkeit besonders der mozarabischen und jüdischen Bevölkerung wurde Toledo im 12. und 13. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum für die Übersetzung arabischer Schriften ins Lateinische und Romanische (Gherardo da Cremona) und spielte dadurch eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung arabischer Philosophie und Wissenschaft und ihrer griechisch-antiken Quellen in ganz Europa.
Geblieben sind uns ein mächtiger Alcázar (Burg), die beeindruckende Kathedrale Santa María, zwei der nur selten erhaltenen mittelalterlichen Synagogen, El Tránsito und Santa María la Blanca, die kleine Kirche El Cristo de la Luz, die im ausgehenden 10. Jahrhundert als Moschee errichtet wurde, die Puente de San Martín (Brücke über den Tejo), deren größter von fünf Spitzbögen eine Spannweite von 40 m erreicht, und eine klassische Stadtansicht, die sogar der berühmteste Sohn der Stadt „El Greco“ malte.
Doch Toledo ist nicht nur eines der wichtigsten kulturellen Zentren Spaniens. Die exquisiten landwirtschaftlichen Produkte der „Meseta“ und das größte Weinanbaugebiet der Welt (Kastilien - La Mancha) sind selbst die weiteste Anreise wert. Deutscher Stahl kommt bekanntlich aus Solingen und spanischer aus Toledo! Schon die Römer bezogen ihre besten Schwerter aus Toledo und während der Maurenherrschaft entwickelten die Schmiede das Damasquinado, eine besondere Technik der Klingenverzierung, indem auf vorher aufgeraute Stahlflächen feine Golddrähte und ausgeschnittene Ornamentteile aus dünnem Stahlblech aufgehämmert und nachher mit feinen Punzen ziseliert werden. Noch heute kann der Tourist in Toledo nicht nur diese handwerkliche Kunst bewundern, sondern auch in dieser Technik hergestellten Schmuck, Vasen, Rüstungen und Schwerter kaufen. Sogar Repliken von El Cid (Tizona), Excalibur, Herr der Ringe, Conan u.a. werden angeboten.
Fortsetzung folgt.
Siehe auch: http://www.myheimat.de/marburg/freizeit/geliebtes-...
Lehrreicher Artikel.
Eine Anmerkung hätte ich allerdings: Deutscher Stahl kommt aus Essen und Dortmund. Solingen ist ein Zentrum der Schneidwaren-Industrie.
Der Begriff Damasquinado hat vom Wort her zwar eine gewisse Ähnlichkeit mit Damaszener- bzw. Damaststahl, der Unterschied besteht darin, dass die Damasttechnik ein spezielle Schmiedetechnik bei der Herstellung von Schneidklingen ist. Damasquinado ist dagegen eine in Toledo heimische spezielle dekorative Veredelungstechnik. Beide Techniken haben eine Lange Tradition.