CARRAMBA! ALHAMBRA! (Das kommt mir Spanisch vor)
Granada. Eigentlich ist dies ein deutsches Problem, denn wir Deutschen (zumindest die ältere Generation) möchten selbst eine Urlaubsreise so perfekt planen, dass keine unbekannten Probleme oder Zwischenfälle auftreten können. Da stehen wir den Schweizern nicht viel nach.
Also buchte ich für eine Reise von Teneriffa nach Madrid, Granada, Córdoba, Sevilla und zurück die benötigten Übernachtungen in Hotels (Vier Sterne sind für Spanien dringend empfohlen), Mietwagen für die Strecke Madrid – Sevilla, plus Hinflug nach Madrid und Rückflug ab Sevilla. So weit – so gut.
Doch dann empfahl mir unsere in Madrid lebende Tochter dringend, Eintrittskarten für eines der Hauptziele unserer Reise, die Alhambra in Granada, zu buchen, da sich im Sommer keine Japaner mehr in Japan sondern auf der Alhambra (oder im Prado, Escorial oder Aranjuez) aufhalten. Täglich würden jedoch zum Schutz der Altbauten nur eine begrenze Anzahl von Eintrittskarten verkauft, um eine „Stampede“ (oder zwei) zu verhindern.
Also her mit dem Internet und Google! Suchwort: Tickets für Alhambra. Und schon lese ich folgende nette Information der „Alhambra Org.“:
„Das Monument der Alhambra und Generalife, stellt eine limitierte Zahl von Eintrittskarten täglich zur Verfügung. Nur 30% von den zur Verfügung stehenden Eintrittskarten, können ohne Vorbuchung, am Kartenverkaufsgebäude, erworben werden. Dies erschwert den Erwerb einer Eintrittskarte zur Hochsaison, und führt mit sich, viele Stunden in einer endlosen Schlange verbringen zu müssen. Bei uns finden Sie alle notwendigen Infos, um Ihren Besuch in der Alhambra und Generalife auf gemütliche und schnelle Weise zu organisieren, und sie so in all ihrer Pracht, in vollen Zügen zu genießen.“
„Gemütlich und schnell“ versuche ich also zwei Tickets zu buchen. Man führt mich zu „geführten Touren“ für 49 EUR, die ich jedoch nicht will. Nach einer halben Stunde mit Empfehlungen von Hotels, Andalusien-Touren und ähnlichem finde ich endlich einen Link für die Buchung von Tageskarten. Doch siehe da, der gewünschte Besuchstag, ja der gesamte Monat, ist schon rot markiert, also ausverkauft. Mist! Was nun? Noch einmal „googlen“ und siehe da, es gibt mehrere Firmen, die im Internet Eintrittskarten für alle möglichen (und unmöglichen) Veranstaltungen in aller Welt verkaufen, die mich nicht im Geringsten interessieren. Dafür darf ich bei jedem „Click“ jede Menge „Spam“ wegdrücken. Doch der Zugang zu Tickets für die Alhambra ist hier ganz einfach. Und – unglaublich aber wahr – hier gibt es sogar noch Eintrittskarten für den gewünschten Tag. Ich gebe Tag und gewünschte Uhrzeit (obligatorisch und absolut einzuhalten) unseres geplanten Besuches an, buche über meine Kreditkarte und freue mich wie ein Schneekönig, dass wir zu den wenigen Privilegierten gehören, die tatsächlich die Alhambra betreten dürfen.
Die Ernüchterung erfolgt sofort, denn dort steht ganz am Ende plötzlich eine Code-Nummer speziell für meine Reservierung. Ich werde aufgefordert, mit dieser Code-Nummer und der Kredit-Karte zu einem Automaten in der nächst gelegenen Filiale der spanischen „Caixa“-Bank (die noch nicht pleite ist – oder doch?) zu gehen, um dort unter Eingabe der Code-Nummer und Geheimzahl der Kreditkarte die bezahlten Eintrittskarten zu ziehen. Dumm ist nur, dass es an meinem Wohnort keine „Caixa“-Filiale gibt. Na gut, dann eben ein Spaziergang in den nur drei Kilometer entfernten Nachbarort, der über eine solche Filiale verfügt – aber keinen Automaten!
Ich erkundige mich, nachdem ich in einer Schlange wartend die Plakate mit den kostenlosen Werbegeschenken für Kontoeröffnungen eine knappe Stunde lang anschauen durfte, wo denn der nächste Automat stände, um meine bezahlten Tickets abzuholen. Stirnrunzeln und hektisches Geflüster mit gerade Kaffee trinkenden Kollegen plus Telefonat mit der 120 km entfernten Inselhauptstadt (mir schwant Fürchterliches) ergeben schließlich, dass der nächste Automat nur zehn Kilometer weit in einem Fischerdorf zu finden sei.
Am nächsten Tag fahre ich mit Code-Nummer und Kreditkarte plus Geheimzahl zur empfohlenen Bankfiliale mit Automat. Tatsächlich steht dort ein wunderbares gelbes Exemplar dieser seltenen Spezi, doch leider funktioniert es nicht, denn es trägt einen dekorativen roten Aufkleber: „Außer Betrieb“. Wieder stehe ich Werbegeschenke bewundernd in einer Schlange, um zu erfahren, wie, wann und wo ich denn nun meine Tickets abholen könne, oder ob es nicht besser wäre, mal kurz nach Granada zu fliegen, um dort im Voraus die Tickets abzuholen.
„No problema!“, denn im nächsten größeren Touristenort, nur 30 Kilometer entfernt, gibt es eine Bankfiliale, die sogar über mehrere solch begehrter Automaten verfügt.
Eine Woche später fahre ich mit dem Auto die nur 70 Kilometer hin und zurück, um zwei Tickets abzuholen. Die erste Filiale im Ort hat keinen solchen Automaten, aber man erklärt mir den Fußmarsch zur zweiten Filiale, denn Parkplätze sind im Zentrum nicht vorhanden.
Endlich betrete ich Shangri-La. Tatsächlich, da stehen drei gelbe grinsende Monster ohne rote Aufkleber. Vorsichtig nähere ich mich und sehe keinen Hinweis auf irgendwelche Tickets. Geld wollte ich keins abheben, geschweige denn einzahlen. Also eine Nummer ziehen (in wirklich wichtigen Einrichtungen werden heutzutage immer Nummern gezogen, um den Kunden klar zu machen, dass sie nur Nummern sind) und warten. Wieder lachen mir die Plakate mit Werbegeschenken entgegen, und die Sprüche kann ich schon auswendig.
Wahnsinn, eine nette Bankangestellte, die gerade ihren Kaffee geschlürft hat, erhört meinen Hilferuf, steht auf und zeigt mir, wie man einen solchen Automaten, an dem gerade ein Kunde steht, bedient. Wir warten und ich frage sie, warum wir nicht einen der beiden anderen freien Automaten benutzen. Aber die drucken leider so schlecht aus. Es klappt tatsächlich: nachdem die freundliche Angestellte die beiden Eintrittskarten mit ihrem Brillengestell aus dem schmalen Schlitz der Maschine heraus gearbeitet hat, halte ich endlich meine zwei Eintrittskarten (plus Quittung!) in Händen. Zu Hause angekommen präsentiere ich stolz die beiden Tickets meiner Frau. Alhambra, wir kommen!
In Granada nehmen wir an dem gewissen Tag schon früh ein Taxi zur Alhambra, denn unsere Besuchszeit des Nasriden-Palastes beginnt pünktlich um 9:30 h. Eintritt nur bis 10:00 h möglich. Danach verfallen die Karten. So streng sind andalusische Bräuche. Der Taxifahrer fragt, ob wir am Tickethäuschen halten, oder ob wir schon Eintrittskarten haben. Wieso? Kann man denn jetzt noch Tickets kaufen? Der Tag war doch schon vor einem Monat ausgebucht! Egal, ich habe ja meine Hausaufgaben in verschiedenen Bankfilialen Teneriffas gemacht und lasse uns direkt zum 700 Meter entfernten Nasriden-Palast fahren. Beim Aussteigen reiße ich mir den Absatz meines Schuhes ab.
Frage: wo ist denn der Nasriden-Palast zwischen all den Japanern? Kein Schild, kein Hinweis, nur Menschenmengen. Aha, dort hinten ist ein Eingang, also nichts wie hin, trotz fehlendem Absatz! Der freundliche Kartenkontrolleur erklärt uns, dass wir leider keine gültigen Eintrittskarten haben, denn unsere gezeigten Exemplare sind gelb und nicht weiß. Da müssten wir leider die 700 Meter zum Tickethäuschen zurück gehen, um die Gelben gegen Weiße einzutauschen. Außerdem sei der Eingang zum Palast dort drüben (wo die vielen Japaner Schlange stehen). Es ist viertel nach neun. Ich kann ohne Absatz kaum laufen. Also sprintet meine Frau mit den falschen Tickets, meinem Rentnerausweis (für die erhaltene Ermäßigung), der Quittung und der Kreditkarte (sicher ist sicher) zum Tickethäuschen, wo sie eine lange Schlange erwartet. Sie drängt sich entschuldigend vor, bekommt die Tickets eingetauscht, nachdem sie noch zusätzliche vier Euro Strafe wegen meiner persönlichen Rentnerabwesenheit nachgezahlt hat.
Um 9:45 h stehen wir abgehetzt und total frustriert in der japanischen Schlange und sind nicht sicher, ob dies überhaupt die richtige Schlange zum Palast ist. Es gibt nur zwei winzige Hinweise: „Grupos“ und „Individual“ und eine einzige Karten-Abreißerin. Um 10 Uhr erreichen wir endlich (und ohne Absatz) die Eingangskontrolle zum Nasriden-Palast. Fotografieren mit Blitz verboten. Sehr vernünftig wegen der chemischen Reaktionen der uralten Wandfarben. Die Touris blitzen rücksichtslos drauf los, und die arbeitslosen Aufseher schauen weg, anstatt ihrer Kollegin am Eingangstor (und somit den ewig wartenden Besuchern) zu helfen.
Nach unserem Besuch der Alhambra sind wir ganz sicher, dass die Mauren vor eintausend Jahren ein ganz klein wenig besser organisiert waren, als die heutige „Alhambra Org.“ und wie "dergl." alle heißen.
„CARRAMBA – ALHAMBRA!“
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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