Carnevale di Venezia: piombo, zinco, arsenico

Kontamierung von lebenden Organismen in der Lagune | Foto: CC (BY-NC-SA-ND) @ Klaus Dieter Hotzenplotz / SDS Marburg
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20.02.2009

Carnevale di Venezia: piombo, zinco, arsenico

Tonnen von giftigen Stoffen verpesten die Kanäle Venedigs.

Big Business auf der Müllhalde. Mit dem Volo dell'angelo (Engelsflug) von dem rd. 99 Meter hohen Campanile auf den Markusplatz hinunter wurde am letzten Sonntag (15.02.2009) um 12 Uhr Mittags der Venezianische Karneval offiziell eröffnet. Weit über 100.000 Besucher aus dem In- und Ausland bevölkern seitdem täglich die ganze Stadt und machen sie bis Aschermittwoch zur Bühne beim Karneval. Schätzungsweise werden an den Karnevalstagen von den Carnevalisti weit über 2,5 Millionen Euro in der Stadt gelassen. Vergessen sind in dieser Zeit all die immer noch nicht gelösten Probleme einer untergehenden Stadt.....

In einer zwischen 1994 und 2004 vom Gemeinderat der Stadt Venedig beauftragten Studie des Team "Insula" wurde nachgewiesen, dass die Kanäle der Stadt nach wie vor stark verseucht sind. Die Forscher sprechen darin von einer Umweltkatastrophe.

La Repubblica meldete bereits 2005, dass die Experten von "Insula" angekündigt haben, die schon seit Jahrzehnten versäumte Säuberung der Kanäle endlich angehen zu wollen. Jedoch würde es wohl noch länger dauern, bis, wie vor weit über vierzig Jahren, in den Kanälen von Venedig, der Perle der Adria, wieder gebadet werden kann.

Eine eingehende Untersuchung der venezianischen Kanäle brachte es zu Tage: In den Böden wurden tonnenweise Giftstoffe entdeckt. Diese stammen nicht wie eigentlich erwartet von dem in nächster Nähe gelegenen Industriezentrum um Mestre. Zwar befinden sich immer noch Altlasten der petrochemischen Chemie von Porto Marghera in den Kanälen, aber zum größten Teil sind die Quellen und Verursacher der enormen Verschmutzung in der Stadt selbst zu finden. Unter anderem wurden Druckereien, Gewerbebetriebe, Krankenhäuser sowie Privathaushalte ausgemacht, die ihre Abfälle und täglichen Müll in die Kanäle entsorgten. Reste von Zahnfüllungen wurden ebenfalls unter Wasser gefunden. Ferner sind die unzähligen gewerblichen und privaten Motorboote, die das Wasser mit Benzin und Diesel verschmutzen, sowie die weit über 30 Millionen jährlichen Besucher der Stadt für den katastrophalen Zustand der Kanäle und des Ökösystems mit verantwortlich.

Im Januar 2005, als in Venedig Niedrigwasser herrschte und viele Kanäle nur schlammgefüllt waren, wurde das Ausmaß des schnell entsorgten Unrates sichtbar.

Es wird berichtet dass die Experten der Stadt Venedig und des italienischen Umweltministeriums innerhalb von zehn Jahren ca. 295.000 Kubikmeter des in den Kanälen lagernden Schlamms untersucht haben. Nachgewiesen wurde dabei unter anderem mehr als 8,5 Tonnen Nickel, weit über sieben Tonnen Chrom/Blei und rund vier Tonnen Arsen.

Greenpeace hatte bereits 1995 in einer Studie mit dem Titel "Morte a Venezia / Tod in Venedig" auf eine Verseuchung der Lagune, unter anderem durch Dioxin, hingewiesen. Verantwortlich für die sehr starke Verschmutzung wurde damals hauptsächlich die Petrochemie um Mestre gemacht. Diese leitete ihre Abwässer direkt in die Lagune. Selbst die italienische Staatsanwaltschaft kritisierte immer wieder, dass seit Jahrzehnten gesundheitsschädliche hochgiftige Industrieabfälle in der Lagune entsorgt werden.

Begonnen hatte alles im Jahre 1962. Damals wurde nach Ansicht von Greenpeace das Todesurteil über Venedig gefällt. Es wurde der Grundstein für die Industrieanlagen in Porto Marghera gelegt; einem der größten Chemiestandorte Italiens. Greenpeace beschrieb dramatisch die Lage "... seitdem würden rote, violette, gelbe und giftgrüne Flüssigkeiten als ein Gebräu aus Schwermetallen und den giftigsten Erfindungen von Chemikern, Blasen werfend, unter den Brücken hindurchfließen ...".

Die italienische Regierung erkannte bereits in den 90er Jahren die sehr kritische Lage der Lagune und versuchte nun verstärkt gegen die Umweltverschmutzung in Venedig vorzugehen. Per Regierungsdekret (Notstandsgesetz) wurde es der Industrie verboten weiterhin Krebs erregende Gifte wie Dioxin und Pestizide in die Lagune einzuleiten. Auch die Staatsanwaltschaft war nicht untätig: 1998 wurde ein Abwassersammelkanal der petrochemischen Industrie in Porto Marghera "vorsorglich beschlagnahmt". Dies erregte ein enormes Aufsehen. Industrievertreter übten heftige Kritik und tausende Arbeiter demonstrierten aus Angst um ihren Arbeitsplatz gegen die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft. Man sprach auch von einem "Kriegsakt". Selbst der damalige Bürgermeister von Venedig kritisierte scheinbar aus Angst um den Tourismis heftig.

Die Fischer in und um Venedig ließ dies alles unbekümmert. Als ob es nie eine Gefahr für Umwelt und Gesundheit gegeben hätte fischen sie ohne Unterbrechung in der Lagune und vor Mestre weiter und liefern täglich ihre Fänge an die Gastronomie und sonstige Abnehmer in Venedig. Ein Teil der Fänge wird auch auf das Festland und Europäische Ausland geliefert. Über die Hälfte der täglich in den Restaurants essenden Touristen entscheiden sich für ein Fisch- oder Muschelgericht...

Aktuell ließ Venedigs Bürgermeister Massimo Cacciari verlauten dass Venedig keinen Cent mehr hat. Er warnte eindringlich, dass weder für die Kirchen, die Denkmäler, die Erhaltung des Dogenpalastes sowie das dringend notwendige Ausbaggern der Kanäle Geld zur Verfügung stehe. Als Grund dafür nannte er das Lieblingsprojekt der Regierung Berlusconi aus dem Jahre 2003; den Bau eines neuen Hochwasserschutzsystems. Das geplante Schleusensystem MOSE (Modulo Sperimentale Elettromeccanico / experimentelles elektromechanisches Modul - soll gleichzeitig an die geteilten Wasserfluten im 2. Buch Moses erinnern), mit dem Venedig vor dem Hochwasser geschützt werden soll, kostet die Stadt über 650 Mio Euro. Insgesamt soll das Schleusensystem bis zur Fertigstellung ca. im Jahre 2014 rund 4,5 Millarden EUR kosten.

Venedig will deshalb den Touristenstrom regulieren und gleichzeitig einige neue Einnahmequellen erschließen. Umgesetzt wurde bereits ein Internetauftritt mit einem Buchungssystem für diverse Leistungen. Das "non-plus-ultra" des erfindungsreichen Bürgermeisters und seinem Stadtparlament ist jedoch die "PipiCard". Einjeder, der ab dem 01.02.2009 ein öffentliches WC besuchen will, muss im Besitz einer solchen Karte sein. Die Tageskarte kostet regulär 3,00 EUR, bei Vorausbuchung per Internet, je nach Saison, kann die Karte bereits ab ca. 1,50 EUR erworben werden. Geschätze zusätzliche Einnahmen ca. 50 - 60 Millionen EUR jährlich.

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Bürgerreporter:in:

Klaus Dieter Hotzenplotz aus Marburg

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