ANALOGE KARNEVALS-ERINNERUNG, TENERIFFA 1998
Der Traum eines jeden „Weibchens“ vor der Pubertät (oder auch danach?) ist es wohl, einmal Karnevalskönigin zu sein, und somit für ein Jahr im Rampenlicht zu stehen. Unsere zehnjährige Tochter Marysol (Meer und Sonne) machte da keine Ausnahme. Und wie schnell kann man den Papa um den Finger wickeln: „Ooch Pappi, bitte, bitte!“ Tja, da musste wohl ein besonderes Kostüm her, um den Sieg zu erringen, denn die Konkurrenz schläft nicht. Doch wenn es um die Tochter geht wird natürlich geklotzt und nicht gekleckert.
Also bastelte ein Künstlerteam in der Hauptstadt mehrere Monate an einem maßgeschneiderten Kostüm für die nächste Kinder-Karnevalskönigin im Westen der Insel.
Vier Anproben in Abständen von mehreren Wochen waren in der Inselhauptstadt (über 200 km hin und zurück) nötig, bis das schwere „Ding“ einem zehnjährigen Körper zuzumuten war.
Vor der Gala kam dann der Künstler mit Assistent zu uns, um unserer aufgeregten Tochter das Kostüm direkt am Veranstaltungsort (hinter der Freilichtbühne) anzulegen. Das Monster namens "VIVA FOREVER" (Spice-Girls) war mit seinen vier Metern Spannweite nur in Teilen transportfähig und lagerbar.
Dann kam der große Augenblick der Gala. Papa hatte extra brasiliansche Sambas auf einer Audio-Kasette gemischt, damit unsere "Kleine" gut in Schwung kam. Sie erhielt natürlich den schlechtesten Starplatz, die Nr.1 (nach dem kanarischen Motto: nur das Beste für Ausländer) und statt brasilianischer Samba ertönte plötzlich kanarische Musik. Aber Marysol strahlte trotzdem wie eine Sonne und tanzte in dem Kostüm so gut es ging und die Herzen des Publikums flogen ihr zu. Ihre fünf einheimischen Konkurrentinnen folgten bereits demoralisiert und leicht verkniffen. Die Jury, in der sich zum ersten Male auch Ausländer befanden, zog sich zurück. Nach einer Stunde wurde dann das Ergebnis verkündet und unsere Tochter erhielt das Zepter (Wanderpokal), Geldpreis, Blumenstrauß, Schärpe und Gedenkplakette als Kinder-Karnevalskönigin 1998.
An den nächsten Tagen hatte sie dann so einige Termine zu absolvieren. Schließlich nahm sie auch am großen Karnevals-Umzug teil. Jeden Tag stand unser Künstler mit seinem Assistenten wieder auf der Matte und musste erneut drapieren, schminken und dekorieren. Es war qualvoll für Alle – außer für unser Töchterlein, die seit jenem Ereignis viel (manchmal zu viel) an Selbstsicherheit gewonnen hat. Mir bleibt der Trost, dass ich diese Sache bereits damals durchzog, weshalb ich mich jetzt locker zurück lehnen kann: Nix mehr „Ooooch Pappi, bitte, bitte!“
P.S. Alle Fotos sind von Papierfotos gescannt.
Bürgerreporter:in:Hans-Rudolf König aus Marburg |
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