125 Jahre Kaiser-Wilhelm-Turm auf Spiegelslust – Erinnerungen Teil 1: „Spiegelslust“
Am 2. September 1890 feierten die Marburger Bürger die Eröffnung des neuen Aussichtsturms auf Spiegelslust. Sie nannten ihn ganz patriotisch „Kaiser-Wilhelm-Turm“. Die Veranstaltung war das größte Fest, das im 19. Jahrhundert in Marburg stattgefunden hat. Aus Anlass dieses Jubiläums "125 Jahre Kaiser-Wilhelm-Turm" findet am Wochenende 30. August auf Spiegelslust eine Erinnerungsfeier statt, ein „Jubiläumstag am Turm“.
Zur Einstimmung auf dies Ereignis und zur Erinnerung an das damalige große Fest sollen an dieser Stelle in fünf Folgen die Geschichte des Turmbaus, die einige Kuriositäten aufweist, erzählt werden. Begonnen wird mit der kurzen Schilderung der Marburger Zeitläufen im 19. Jahrhundert.
Aus "Köhlers Ruh" wird "Spiegelslust"
Die Romantik hatte die deutschen Bürger auch sie umgebende Natur entdecken lassen. Man zog in die Natur und auch die Marburger Bürger entdeckten die Schönheit der heimischen Landschaft. Vor etwa zweihundert Jahren entstanden auch in Marburg Bürgervereine, Wanderwege wurden angelegt und an besonders gern genutzten Stellen entstanden Rastplätze und Schutzhütten, „Tempel“ genannt. So wurde auch die herausragende Aussicht auf den Lahnbergen ein Ziel der Marburger.
Zuerst war es der Marburger Naturliebhaber, der Obergerichts-Kanzlei-Registrator Christian Köhler, der „mit Zopf und Perücke und silbernen Schnallenschuhen“ sich oft auf unwegsamem Gelände hoch an den östlich der Stadt gelegenen Berghang begab. Er ließ dort oben Bäume einschlagen und einen Aussichtspunkt schaffen.
Nach seinem Tod war es der Freiherr von Spiegel, ein vermögender Adliger mit umfangreichem Grundbesitz nördlich von Hessen, der 1921 die Pflege von „Köhlers Ruh“ übernahm. Und schon bald wandelte sich der Name des beliebten Aussichtspunktes in „Spiegelslust“. Der Freiherr ließ Ruhesitze auf dem Berg anlegen und finanzierte den Bau eines achteckigen, von dicken Eichensäulen getragenen Musiktempels.
An Himmelfahrt stömten zu 5 Uhr morgens Hunderte zum Frühkonzert auf Spiegelslust
Am sofort mit dem Namen des Freiherrn benannten „Spiegel-Tempel“ fanden sonntäglich Konzerte statt. Sie wurden gestaltet von der Marburger Stadtkapelle. Die Marburger Bürger kamen in großen Scharen. Otto Ubbelohde ließ die alten Zeiten in einer Federzeichnung wieder aufleben. Noch bis weit in das 20. Jahrhundert wanderten an Himmelfahrt und am 2. Pfingstfeiertag frühmorgens um 5 Uhr (!) die Marburger Bürger den steilen Berg hinan, um - ausgerüstet mit der notwendigen Frühstücks-Verpflegung - den Klängen des dargebotenen Morgen-Concerts zu lauschen.
Der Blick von Spiegelslust in die Ferne war berauschend, für die Marburger Bürger einmalig. Die Aussicht von Hochhäusern, Wolkenkratzern oder gar aus Flugzeugen war noch unbekannt. Das Lahntal, die Wiesen und Felder links und rechts des Lahnflusses, waren noch unbebaut. Nur die Häuser von Weidenhausen lagen links der Lahn. Tief unten im Tal lag das Schloss und ringsum klebten die Fachwerkhäuser der Stadt am Schlossberg. Die noch in Gänze mittelalterliche Stadt war eingeschlossen von der Stadtmauer. Die Tore Marburgs wurden noch bis 1866 über Nacht verschlossen. Der Nachtwächter kontrollierte, ob auch überall die zum Abend angezündeten Straßenlichter wieder ausgeblasen wurden.
Und schon früh nachdem Spiegelslust zum Ausflugsziel wurde, kam in Marburg der Wunsch auf, an dieser herausragenden Stelle, immerhin zweihundert Meter über dem Lahntal, einen Aussichtturm zu erstellen. Doch es sollte bis 1868 dauern, bis sich honorige Bürger zu einer Vereinigung zusammenfanden. Man gründete ein „Comitee“ mit dem Ziel, einen Aussichtsturm auf Spiegelslust zu errichten. (Bericht folgt in Teil 2)
Anmerkungen:
Freiherr von Spiegel zu Desenberg (1802-1877) besuchte Marburg nach seinem Studium nicht wieder. Er blieb der Stadt aber verbunden durch Stiftungen. Dem späteren Domherrn zu Halberstadt wurde wegen seiner Verdienste um die Stadt das Ehrenbürgerrecht verliehen.
Der „Spiegel-Tempel“, wohl vor 1840 erbaut, wurde 1922 angerissen. Ein Blitzschlag hatte eine in der Nähe stehende große Fichte gespalten. Teile des Baumes waren auf den Tempel gestürzt. Da die Stadt in dieser für alle schwierigen Zeit keine Mittel zum Wiederaufbau zur Verfügung stellen konnte, wurden die Reste des Spiegel-Tempels entfernt.
Daten und Geschichten entnommen aus dem Buch von Karl-Heinz Gimbel: „Der Marburger Kaiser-Wilhelm-Turm“, Marburg 2012
Hinweis:
Sonntag, 30.08.15, von 11.00 bis 18.00 Uhr: Jubiläumstag am Turm, 125 Jahre KAISER-WILHELM-TURM und zugleich 10 Jahre TurmCafé
Bürgerreporter:in:Karl-Heinz Gimbel aus Marburg |
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