Reportage Museum KulturLand Ries Maihingen
Ein Paradies für Ries- und Naturfreunde
Auf den ersten Blick ist Maihingen ein ruhiges Dorf inmitten des Nördlinger Rieses, doch hier ist mehr geboten, als man zunächst glauben mag. Am Ortsrand erwartet uns das Areal des ehemaligen Klosters mit Wirtschaftsgebäuden und imposanter Kirche. Hier liegt das Museum KulturLand Ries, ein Ort für alle Interessierten an der Rieser Kultur. Die ehemalige Klosterökonomie sowie das ehemalige Brauhaus beherbergen heute das Museum, in dem Besucherinnen und Besucher die Rieser Landwirtschaft und Alltagskultur hautnah erleben können. Frau Conny Zeitler, die Leiterin des Museums, und Herr Matthias Meyer, für die Öffentlichkeitsarbeit und Fotodokumentation zuständig, geben uns einen detaillierten und aufschlussreichen Einblick in das vielseitige Museum sowie dessen Außenanlagen.
Das Museum und der Verein
Seine Anfänge hat das Museum im Verein Rieser Bauernmuseum, gegründet 1973, heute der Verein KulturLand Ries e.V. Die Aufgaben des Vereins sind mannigfaltig: Zuvorderst steht der Erhalt charakteristischer Architektur im Ries, der Erhalt bäuerlichen Kulturgutes und nicht zuletzt die Aufklärung der Bevölkerung über den Wert und die Bedeutung des heimischen Kulturgutes. 1984 wurden die ersten Bereiche des Museums eröffnet. Im Jahr darauf übernahm der Bezirk Schwaben mit finanzieller Unterstützung des Landkreises Donau-Ries die Trägerschaft.
Eine Reise durch die Vergangenheit
Die Dauerausstellung von 1998 in der Klosterökonomie dreht sich um Haus und Hof im Ries ab 1850. Der Weg durch die Ausstellung bringt die landwirtschaftliche Entwicklung der damaligen Zeit nahe, dank der Vielzahl an Exponaten und geringen Textmengen ist die Ausstellung sehr reduziert, nahe am Menschen und somit zugänglicher für große und kleine Besucher. Die Umbenennung des damaligen Bauernmuseums in das Museum KulturLand Ries im Jahr 2015 war ein gelungener Schachzug, so Zeitler: Der Name umfasst alles und schränkt wenig ein. Es gibt nichts, was man nicht thematisieren könnte, denn fast alles lässt sich an die Alltagskultur andocken.
40 Jahre KulturLand Ries
Ein Museum im Wandel
Heuer feiert das Museum KulturLand Ries seinen 40. Geburtstag und sieht sich an einem „Punkt der Reflexion“: Wie soll man mit der großen Sammlung umgehen? Rund um Maihingen gibt es verschiedene Sammlungsdepots und -lager, doch diese sind an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt und nicht vollends erfasst. Das Team des Museums sowie der Bezirk Schwaben wissen hierauf eine Antwort: ein Sammlungszentrum in Nördlingen auf dem Gelände der ehemaligen Schwabenpräzision, das 2025 in Betrieb genommen wird. Dies ist das Großprojekt für Frau Zeitler und ihr Team: „Das ist der Wunsch ganz vieler Museen, dass man ein bisschen Platz hat und man die Dinge anständig bearbeiten kann. Denn wir wollen die Exponate natürlich zeigen. Wie soll ein Besucher davon profitieren, wenn sie irgendwo in einem Außenlager stehen? So können wir mit den Dingen arbeiten und in Sonderausstellungen zeigen. Das macht uns sehr froh.“
Neben der klassischen Führung durch die Ausstellungsräume können Kinder viel selbst ausprobieren. Bei unserem Besuch war eine Schulklasse damit beschäftigt, Mehl zu mahlen, Brotteig zu kneten und im Holzofen Semmeln zu backen. Die dafür vorgesehenen Außenflächen sind ideal, um den ganzen Kreislauf des Brotbackens zu zeigen: Vom Getreidefeld über das Flegeldreschen bis hin zum Holzbackofen. Dies ist ein Erlebnis für Kinder, das noch lange Zeit im Gedächtnis bleibt und den Ursprung und Entstehungsprozess unserer Lebensmittel praktisch erklärt und näherbringt.
Der Museumsgarten
Vielfalt alter und moderner Sorten
Im Museumsgarten sehen wir dann, wo das Getreide für die gebackenen Semmeln herkommt. Auf ordentlich angelegten Musterfeldern tauchen wir nun in die Vielfalt der modernen und alten Getreide- und Kartoffelsorten ein. Es werden möglichst viele konventionelle, aber auch alte und seltene Sorten angebaut. Gepflegt wird der Museumsgarten von der Haustechnik: Drei Mitarbeiter kümmern sich um die Wartung und den Betrieb der Gebäude und Freiflächen. Daneben beschäftigen sich wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm. Die große Sorgfalt der Mitarbeiter der Haustechnik spiegelt sich auch oftmals in Lob und Anerkennung von Besuchern mit landwirtschaftlichem Hintergrund wider. „Das ist unser Prachtstück, das zeigen wir gerne her“, sind sich Frau Zeitler und Herr Meyer einig.
Bienen im Fokus: Wanderimkerei und Bienenwagen
Zwischen den Feldern blühen wilde Wiesen, in denen sich die Bienen der insgesamt drei Bienenvölker tummeln. 2020 gab es eine Sonderausstellung zur Imkerei, im späteren Verlauf wurde der Bienengarten angelegt. Mehr Informationen sowie eine digitale Tour durch die Welt der Bienen im Museumsgarten können Interessierte auch in der neuen MuseumsApp erleben, die sowohl vor Ort als auch von zu Hause abrufbar ist. Wie ernähren sich Bienen, wo leben sie und welche Gefahren gibt es für Wildbienen? Dies sind nur einige wenige Themen, zu denen das Museum in der App informiert. Betreut werden die Bienen vom Museumsimker, Herr Anton Göck. Besonders beeindruckend ist der ¬historische Bienenwagen, der knapp hundert Jahre alt ist.
Das Thema Wanderimkerei dürfte für viele neu sein, obwohl diese Praktik auch heute noch verfolgt wird. Der Bienenwagen beherbergte viele Völker, die dann mit dem Pferd oder dem Zug zu verschiedenen Orten gezogen wurden. In der MuseumsApp zeigen historische Fotos den Bienenwagen im Einsatz. So konnte zielgerichtet das Nahrungsangebot für Bienen an verschiedenen Standorten genutzt werden. Problematisch heutzutage ist allerdings, dass z.Bsp. in den Vereinigten Staaten die Bienenvölker über sehr große Strecken transportiert werden und dabei eine große Menge der Bienen an den Strapazen verenden.
Der Museumsgarten als Lern- und Erlebnisort
Auf unserem Weg durch den Museumsgarten fallen viele Informationstafeln und Mitmachstationen auf. Wie ein Kaugummi-Automat mutet etwa eine Blühkugel-Station an: Gegen einen geringen Obolus können sich Besucher hier Blühkugeln ziehen und zu Hause ausstreuen. Damit wird auf die Notwendigkeit der Blühvielfalt auch im heimischen Garten hingewiesen. Frau Zeitler spricht über die mittelfristigen Pläne für den Museumsgarten: „Wir haben durchaus manchmal Platznot für Schulklassen und Gruppen. Wir haben schon einen großartigen Museumsgarten und möchten diesen noch ein wenig begehbarer und befahrbarer machen und naturnahe Vermittlungseinheiten anbieten.“
Auch im Winter ist der Museumsgarten für Besucher zugänglich, gleichzeitig gibt es eine Vielzahl an weihnachtlichen Veranstaltungen wie Liedersingen, eine offene Werkstatt zum Kerzenziehen, und die Sonderausstellung „Wünsch dir was! Ideenwerkstatt Museum“ (Laufzeit: 13.10.2024 bis 02.02.2025) lädt zum Besuch ein. Am 23. März startet das Museum wieder voll in die neue Saison.
Vergangenheit trifft Zukunft
Eine Zeitreise durch 300 Jahre Rieser Alltagskultur
Direkt an den idyllischen Museumsgarten schließt das ehemalige Brauhaus an. Über vier Stockwerke verteilt tauchen Besucher in das Leben der Rieser der letzten dreihundert Jahre ein. Wie haben sich die Menschen früher gekleidet? Wie haben sie eingekauft, wie sah ein Arztbesuch aus? In dieser Dauerausstellung kommt „das Beste aus der Sammlung“ zusammen, gleichzeitig regen verschiedene Station zum Nachdenken an: Der voll eingerichtete Krämerladen erinnert daran, wie die Menschen früher eingekauft haben. Wie kaufe ich heute ein? Wie gestaltete sich die Verpackung der Waren früher und wie ist es heute? Wo soll die Entwicklung hingehen? Das Museum schafft somit nicht nur einen authentischen Einblick in das damalige Leben, sondern gibt Anreize, sich mit den Fragen der Zukunft und dem eigenen alltäglichen Handeln und Denken zu beschäftigen.
Urban Sketching im Brauhaus
Walter Diehms Impressionen vom Ries
Im obersten Stockwerk des Brauhauses wartet eine Ausstellung der ganz besonderen Art auf uns. In minimalistischer und zurückgenommener Manier präsentiert das Museum KulturLand Ries die Werke von Walter Diehm (1943-2024). Im Ries geboren und aufgewachsen verbrachte Riehm seine Jugend und die späteren Jahre in Aschaffenburg, blieb jedoch immer ein großer Ries-Fan. So verwundert es nicht, dass viele seiner Zeichnungen Impressionen des Nördlinger Rieses abbilden.
Mit der modernen Bezeichnung „Urban Sketching“, also das Zeichnen von alltäglichen Orten und Szenen, lassen sich seine Werke am besten zusammenfassen: Nachdem die Malversuche mit Öl und Filzstiften den Künstler nicht nachhaltig überzeugten, konzentrierte er sich auf das Medium Fineliner und Aquarell. Die teils kolorierten Ortsansichten und Architekturstudien bestechen in ihrer filigranen Einfachheit. Auf seiner Vespa tourte er durch ganz Europa und skizzierte oftmals spontan, ohne von seinem Gefährt absteigen zu müssen. So entstanden schnelle Skizzen, deren Fokus mehr auf der Gesamtheit und der Stimmung einer Szene lag als auf den Details. Diehm hat sich nicht von der Realität einschränken lassen, sondern nach Gefühl gezeichnet. „Er hat sich selbst gar nicht als Künstler bezeichnet, sondern als Zeichner“, erinnert sich Frau Zeitler. „Er hat das total pragmatisch gesehen.“ Die Sonderausstellung ist noch bis zum 02.02.2025 geöffnet.
Homepage des Museums KulturLand Ries
Bild und Text: Sandra Kost
Bürgerreporter:in:myheimat Redaktionsteam aus Augsburg |
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