Ich bin ja sooo stolz auf meine Freundin Sara.......
«Unter Juden habe ich mich niemals fremd gefühlt!»
Ihre Lieblingsbeschäftigung führt Koblenzer Jüdinnen zu sich selbst. Mitten unter ihnen: eine engagierte Konvertitin
Sie erzählt mit Begeisterung von jüdischen Feiertagen, achtet auf die Traditionen, spricht fließend Hebräisch, singt oft auf Jiddisch. Ihr wurde sogar eine Promotionsstelle zum Thema der «Bewahrung jüdischer Traditionen bei jüdischen ethnischen Gruppen in Europa» angeboten.
Dies ist nur eine kurze Beschreibung einer starken Frau, Jüdin nicht von Geburt, sondern durch Überzeugung, die sich das jüdische Leben angeeignet hat. Der Name dieser Frau ist Sara Asinase, seit elf Jahren in Koblenz lebend, betreibt sie mit ihrem Mann ein kleines Reisebüro. Fast ihre ganze Freizeit widmet sie dem jüdischen Frauenclub «Bereschit», den Sara zusammen mit Ludmila Schejnkman in der Kultusgemeinde Koblenz ins Leben gerufen hat.
«Ich habe immer versucht, schöpferisch tätig zu sein», sagt lächelnd die gebürtige Russin aus Lettlands Hauptstadt Riga, Tochter russischer Emigranten.
Sie absolvierte die staatliche St.-Petersburger «Universität der Kultur und der Künste», dann folgte ein Studium an einem Konservatorium. Jahrelang arbeitete sie im «VEF Kulturpalast» in Riga, wo sie verschiedene Studios leitete, unter anderem das Volkstheater und den Chor. Mit dem Chor reiste sie durch ganz Lettland und bis nach Georgien. Dann lernte Sara ihren jüdischen Mann kennen – und seitdem dreht sich ihr Leben um die jüdische Kultur.
Komplett integriert
«Die Familie meines Mannes ist sehr traditionell », beginnt Sara beim Erzählen ihrer Lebensgeschichte. Sie erinnere sich sehr gerne an diese Zeit. «Die jüdische Familie nahm mich sehr herzlich auf. Der Grund dafür war vielleicht, dass ich beim ersten Treffen die ganze Zeit schwieg…», schmunzelt sie. Sara schafft es kaum, ein Lächeln zu unterdrücken. Zum ersten Mal stand sie einer traditionellen jüdischen Familie gegenüber und spürte eine enorme Wissenslücke, was die jüdische Kultur und Tradition betrifft. «Ich hatte eine riesengroße Motivation, dieses Manko auszugleichen!» Sie fing an, selbständig die jüdischen Traditionen und schließlich auch Hebräisch zu lernen. Schon verheiratet, studierte Sara am Pädagogischen Institut und verteidigte ihre Diplomarbeit zu einem jüdischen Thema: «Die Erhaltung der ethnischen Eigenart am Beispiel des jüdischen Kulturzentrums in Riga». Dann folgten Jahre der Arbeit in der jüdischen Schule von Chabad-Lubawitse – und das als einzige Nicht-Jüdin. Sie habe sich jedoch niemals fremd gefühlt. Sara wiederholt gerne, dass sie fast alle Kenntnisse der jüdischen Kultur durch die Familie ihres Mannes und während ihrer Zeit an der jüdischen Schule erworben habe: «Ich bin ja keine Theoretikerin!»
Das Leben neu beginnen
«Ich hätte mir niemals vorstellen können, mit fast 40 Jahren ein neues Leben anzufangen.» Sara schüttelt den Kopf. Einige Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion wanderten Sara und ihre Familie nach Deutschland aus, «wegen der lettischen Politik der Diskriminierung nach der nationalen Zugehörigkeit». «Als „Flüchtling“ musste ich mein Leben wieder in den Griff bekommen», sagt Sara mit einem etwas traurigen Lächeln. Die Integration in die deutsche Aufnahmegesellschaft verlief bei ihr schwieriger, als die Integration in die jüdische Familie: Sara räumt ein, nicht sofort die deutsche Mentalität verstanden zu haben.
Hier in Deutschland hat Sara einen für sie sehr wichtigen Schritt getan: sie ist zum Judentum konvertiert und Mitglied der Kultusgemeinde Koblenz geworden. «Ich habe wieder versucht, etwas Schöpferisches zu tun!», wiederholt sie ganz bewusst. Sara hat angefangen, kurze informative Artikel über die jüdischen Feiertage im «Deutschen Eck» zu veröffentlichen. Dann kam die Idee, den jüdischen Frauenclub «Bereschit» ins Leben zu rufen, in dem sogleich einen Frauenchor gegründet wurde. Bereits seit elf Jahren verwalten Sara Asinase und Ludmila Schejnkman nun den Club. Zuerst gab es nur zehn Frauen im Club, die sich ein Mal pro Woche im Ritualsaal der Kultusgemeinde Koblenz versammelten. Bei diesen wöchentlichen Treffen erzählte Sara von der Rolle der Frau im Judentum und den jüdischen Feiertagen. «Meine erste Aufgabe war es, all den Frauen meine Kenntnisse weiterzugeben, die, obwohl sie von Geburt her jüdisch sind, wenig Ahnung von den jüdischen Traditionen hatten », erinnert sich Sara.
Die «Lieblingsbeschäftigung»
Zurzeit finden die Clubveranstaltungen und Chorproben nicht in der Kultusgemeinde statt, sondern in den Räumlichkeiten des «Deutschen Seniorenbeirates» und des Deutschen Roten Kreuzes. Der Grund dafür sei ein Konflikt zwischen dem Frauenclub und dem Vorsitzenden der Koblenzer Gemeinde. Keine der beteiligten Seiten will jedoch darüber sprechen.
Momentan singen 18 Frauen im fortgeschrittenen Alter im Chor. Sie haben mehr als 40 Lieder in ihrem Programm und singen auf Jiddisch, Hebräisch und Deutsch. «Unser Chorleben verläuft nach einem genauen Plan!», bestätigt mir Sara. «Zweimal pro Monat proben wir mit dem Chor und genau so oft halten die Frauen selbst Vorträge im Club zu den Themen, die sie interessieren.»
«Bereschit» finanziert sich selbst. Mitgliederbeiträge und kleine Honorare für die nicht seltenen Konzerte des Frauenchors sind die einzigen Geldquellen. Bereits mehrere Jahre nimmt der Chor an den «Europäischen Tagen der jüdischen Kultur» teil und versucht, Kontakte zu den anderen Frauenclubs und Vereinen zu knüpfen.
«Was ist das Entscheidende für die Integration der Frau in jede Gesellschaft? Natürlich die Lieblingsbeschäftigung!» antwortet mir Sara selbstsicher und fröhlich auf meine Frage. Diese Antwort kann man ihr besten Gewissens glauben.
Bericht von Olga Onokova in der «Jüdische Zeitung», Dezember 2011
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Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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