3. Teil - Kinder- und Jugendjahre im Schatten des Nationasozialismus. (Erinnerungen der 89-jährigen Zeitzeugin Maria Bengtsson Stier)
1931: ……eine solch riesige Menschenversammlung hatte ich in meinem jungen Leben noch nie gesehen. Worauf warteten denn alle diese Menschen? Still standen sie da und schauten alle in eine Richtung. Ich dachte mir, dass auf dem Platz vielleicht etwas zu sehen wäre. Doch es war mir unmöglich über die Köpfe aller Erwachsenen hinwegzusehen, dazu war ich viel zu klein. Aber ich konnte mich auch nicht durch die dichte Menschenmasse hindurch drängen, dazu war ich nicht stark genug.
Gewiss war ich klein und zierlich, aber elastisch, sehr beweglich und sportlich war ich allemal. Also kroch ich flink wie ein Wiesel zwischen den Beinen der Menschen hindurch, bis ich in der vordersten Reihe zu stehen kam. Der Platz vor mir war zu meiner großen Enttäuschung vollkommen leer. Da war überhaupt nichts zu sehen. Aber ich konnte aus den Gesprächen der Umstehenden entnehmen, dass Hitler auf dem Stadion in Alzey eine lange Rede gehalten hatte und nun auf dem Weg durch die Stadt war.
Mit einem Mal kam Leben in die Menschenmasse. Das Gemurmel wurde lauter und plötzlich schossen die rechten Arme einer gewissen Gruppe zu meiner Rechten blitzartig hoch. Alle schrien wie besessen aus einem Munde: „Heil Hitler, Heil Hitler“ ohne Unterbrechung! Und da kamen auch schon die großen, schwarz glänzenden Autos an. Im ersten Auto saßen vier ernste Männer in schwarzer Uniform und im zweiten Auto stand ein Mann in gelber Uniform und hob den rechten Arm gewinkelt zur rechten Schulter hoch, immer wieder, immer wieder, während er nach allen Seiten hin nickte. In meinen Augen sah das sehr komisch aus. Hinter diesem Wagen kamen noch zwei weitere schwarze Autos mit Männern in schwarzer Uniform.
Mir zur rechten stand ein Mann, der aus vollem Halse und mit solch einer Begeisterung schrie, dass ich mir dachte, das muss etwas sehr großes sein. So hob ich auch den Arm und schrie: „Heil Hitler“. Doch nicht lange. Plötzlich spürte ich zur Linken eine Faust in meinen Rippen. „Willst Du wohl eine Faust machen und heil Moskau rufen“, befahl mir eine weibliche Stimme. Ich wandte mich um und sah unsere Zeitungsfrau neben mir stehen. „Na wird´s bald, mache eine Faust und rufe Heil Moskau“, sagte sie und schaute mich streng an.
Ich verstand die Welt nicht mehr, was war denn das…….
Fortsetzung folgt….
Bürgerreporter:in:Gisela Görgens aus Quedlinburg |
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