Karl Joseph von Camerer
1831–1844 Landtagsabgeordneter und 1837–1844 Stadtschultheiß der Stadt Reutlingen
– Textfund: Reutlinger General-Anzeiger, 1913 –
Karl Joseph von Camerer war ein Mann, der im öffentlichen wie im Privatleben sich ungeteilte Achtung erworben hat. Zum Andenken an ihn mögen hier kurze Umrisse seines Lebens und Wirkens folgen. Camerer wurde am 28. Jan. 1801 als Sohn des Pfarrers Johann Josef Camerer in Unterhausen, Oberamt {Lkr.} Reutlingen geboren. Er stammt also aus der angesehenen tübingisch-reutlingischen Gelehrtenfamilie Camerer, welche Tübingen einen Bürgermeister, mehrere Professoren, Geistliche und Ärzte, Reutlingen drei Bürgermeister und ebenfalls eine Reihe von Geistlichen, Ärzten und Apothekern schenkte. Nach den Schuljahren hat er von 1814–1817 in der Amtsschreiberei zu Spaichingen seine Lehre erhalten, hierauf das Gymnasium in Stuttgart besucht, von wo aus er im Herbst des Jahres 1820 die Universität Tübingen bezog, auf der er bis zum Jahre 1821 sich dem Studium der Rechtswissenschaft widmete. In diesen Jahren erstand er die erste und im Jahre 1826 die zweite Justizdienstprüfung mit gutem Erfolg, worauf er sich nach kurzer Dienstleistung bei Oberamtsgerichten noch im gleichen Jahr als Rechtsanwalt in Reutlingen niederließ. Schon im Jahre 1831 fielen bei der Wahl eines Landtagsabgeordneten der Stadt Reutlingen weitaus die meisten Stimmen auf Camerer und in noch höherem Grade bestätigte sich das Vertrauen zu ihm bei den folgenden Abgeordnetenwahlen in den Jahren 1833 und 1838. Im Landtag schloss er sich der Linken an. In diese Zeit fällt seine Erwählung und Ernennung zum Stadtschultheißen von Reutlingen, welche durch höchste Entschließung vom 19. April 1837 erfolgte. Als solcher erwarb er sich das allgemeine Vertrauen und die Anerkennung seiner Mitbürger, die ihm auch nach seinem Übertritt in den Staatsdienst dauernd ein freundliches Andenken bewahrten; ihm selbst waren wiederholte Besuche in Reutlingen Freude und Erholung.
Als beim Beginn des Eisenbahnbaues (1842) in Württemberg eine Zentralbehörde hierfür errichtet wurde, fiel auch bald das Augenmerk auf Camerer als einen für dieses Kollegium geeigneten Mann. Er wurde 1844 zum rechtskundigen Rat der Eisenbahnkommission mit dem Titel und Rang eines Finanzrats ernannt. In dieser Stellung blieb er bis 1847. Auf der Rückreise von Wien begriffen, traf ihn am 21. Juli in Salzburg ein Schreiben, worin ihm der Minister von Schlayer um seine Geneigtheit zum Eintritt in das Oberregierungskollegium befragen ließ. Sein Entschluss war alsbald gefasst; noch an demselben Tage schrieb er zurück: „Ich verspreche mir von jenem Wirkungskreis die höchste Befriedigung und hoffe auch, vermöge meiner Laufbahn in dieser hohen Stelle, nützliche Dienste leisten zu können; ich bitte daher, dem Herrn Minister anzuzeigen, dass sein Vertrauen mich hoch erfreue und in dem Mute mich bestärke, auf die gestellte Frage bejahende Antwort zu geben.“ So wurde er denn 1847 zum Oberregierungsrat befördert. Es war vornehmlich ein praktisches Referat, insbesondere das Straßenbauwesen, die Bau- und Feuerpolizei usw., das ihm übertragen wurde. Als 1848 die Kreisregierungen von der Verwaltung des Straßen- und Wasserbauwesens entbunden und für diesen Geschäftszweig die Zentralbehörde der „Abteilung für den Straßen- und Wasserbau“ geschaffen wurde, wurde Camerer die Vorstandstelle dieser Behörde übertragen. Auch bei der Veränderung der allgemeinen Brandversicherungsanstalt durch das Gesetz vom 14. März 1853 wirkte er als Referent eifrig mit, und so war es nach Einführung dieses Gesetzes ebenfalls Camerer, der zum Vorstand des neu errichteten „Verwaltungsrats der Gebäudebrandversicherungsanstalt“ ernannt wurde. In diesen Stellungen entwickelte er eine erfolgreiche Tätigkeit: Was er war, das war er ganz; was er ergriff, das lag in tatkräftigen Händen. Mit scharfem, umsichtigem Blick fasste er seine Aufgabe an und blieb nirgends, auch wo Schwierigkeiten sich auftürmten, auf halbem Wege stehen. Unter seiner eifrigen und einsichtsvollen persönlichen Mirwirkung kam im Jahre 1857 zwischen den Regierungen Württembergs und Badens über gegenseitige Straßenverbindungen eine Übereinkunft zustande, die den beiderseitigen Verkehrsverhältnissen und Interessen vollkommen rechnung trug. Seine Verdienste erfuhren wiederholte Auszeichnungen: Der König von Württemberg verlieh ihm den Kronorden und das Kommenthurkreuz des Friedrichsordens, der Großherzog von Baden den Zähringer Löwenorden.
Durch sein leutseliges, offenes und wohlmeinendes Wesen, das vom tiefsten Gerechtigkeitssinn durchdrungen war, erwarb er sich in weiten Kreisen Liebe, Anhänglichkeit und Achtung.
Am 17. Januar 1863 verschied er im Alter von nur 61 Jahren zu Stuttgart.
Bürgerreporter:in:Matthäus Felder aus Lichtenstein |
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