Im Portrait: Julia Vollmer
Wie schon im letzten Jahr stelle ich in Zusammenarbeit mit dem Behinderten Sportverband Niedersachsen die Kandidaten zur Wahl des Behindertensportler des Jahres
Heute im Portrait: Julia Vollmer
Tani Otoshi heißt das sportliche Zauberwort für Julia Vollmer. Der sogenannte Talfallzug, eine Kontertechnik aus dem Judosport, ist die Spezialität der 34-Jährigen aus Söhlde im Kreis Hildesheim. Und dank Tani Otoshi hat sie schon viele Gegner auf die Matte legen können, zuletzt Ende April bei den internationalen deutschen Meisterschaften der behinderten Menschen in Leipzig. Dort bezwang Vollmer alle Gegnerinnen in der Gewichtsklasse über 78 Kilogramm und machte sich mit dem Turniersieg zudem, wie es immer heißt, das schönste Geschenk. Am Kampftag feierte sie nämlich ihren Geburtstag.
„Tani Otoshi“ - diesen Begriff nennt Vollmer wie aus der Pistole geschossen, wenn es um ihren Sport geht. Die Sportlerin lässt ihre Gesprächspartner die ernsthafte Freude spüren, mit der sie ihren Sport betreibt. Wobei sie dem Gesprächspartner durch die Stimmfärbung und -modulation mehr Informationen und Gefühle gibt als durch die Wortwahl. Vollmer ist nach einem Erstickungsanfall und anschließender Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoffs infolge einer Keuchhusten-Infektion, die sie im Alter von drei Monaten erlitten hat, geistig behindert.
Doch Vollmer lässt sich nicht einschränken, wenn der Tagesablauf klare Strukturen hat. Sie arbeitet als Küchenhilfe in der Großküche der Lebenshilfe. Sie macht Judo bei der SG Himmelsthür seit elf Jahren. Ein Freund hatte Vollmer damals dorthin mitgenommen, und ihr gefiel der fernöstliche Kampfsport. „Weil sie mittlerweile die klar Beste in ihrer Gruppe ist, hilft sie dem Trainer“, erzählt Mutter Gerlinde, bei der die Tochter weiterhin wohnt. „Gefordert wurde Julia bisher im Kadertraining, aber das soll aus finanziellen Gründen künftig leider nicht mehr angeboten werden“, ergänzt die 56-Jährige. So werde es für die Tochter schwieriger, in Zukunft große Erfolge wie eine internationale deutsche Meisterschaft zu feiern.
Gerlinde Vollmer ist eine „Sportlermutti“, allerdings ganz anders, als es landläufig unter diesem Begriff verstanden wird. Die Behinderung des eigenen Kindes hat sie selbst in den Behindertensport geführt. „Ich habe mich zur Fachübungsleiterin ausbilden lassen und leite selbst eine Gruppe für Kinder bei Blau-Weiß Hildesheim“, erzählt sie. Dabei geht es vor allem um Bewegungskoordination - „manche können zum Beispiel nicht Slalomlaufen“. Julia Vollmers Mutter war zudem Ende der sechziger Jahre eine der ersten Fußball-Schiedsrichterinnen im Raum Hildesheim („damit habe ich mein Taschengeld aufgebessert“), begeisterte Marathonläuferin (Bestzeit 3:38 Stunden) und Schwimmerin. An der eigenen Aktivität hemmt sie jetzt indes der „Verschleiß der Gelenke, leider“.
Gerlinde Vollmer hat ihr breit gefächertes Sportinteresse an die Tochter weitergegeben. Julia Vollmer kegelt und schießt - gemeinsam mit Vater Bernward im Schützenverein. „Meist Luftgewehr, manchmal auch Kleinkaliber, immer aufgesetzt“, sagt die Mutter. „Und das macht sie auch richtig gut.“
Die Mutter ist auch der größte Fan der Tochter, wenn es auf die Matte geht. „Schauen Sie doch ruhig einmal zu, wenn Julia auf der Matte kämpft. Da ist nichts mit Gemütlichkeit, da geht es richtig zur Sache“, sagt Gerlinde Vollmer. Und es gibt strahlende Sieger wie Tochter Julia, das belegt das Foto, das nach dem Finale von Leipzig gemacht wurde.
Text: Carsten Schmidt
Fotos:Behinderten Sportverband Niedersachsen
Abgestimmt werden kann bis zum 17. Februar entweder auf der HP des Behinderten Sportverband Niedersachsen oder in den Lotto Annahmestellen. Alle Teilnehmer der Abstimmung nehmen an einer Verlosung eines VW Polo und weiteren atraktiven Sachpreisen teil.
Bürgerreporter:in:Lars Klingenberg aus Lehrte |
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